Contra: Warum eine Übergewinnsteuer keine gute Idee ist

Dr. Dominika Langenmayr

14.12.2022
  • Eine rechtssichere Definition von „Übergewinnen“ ist nicht so einfach möglich. Dafür ist das Konzept zu unscharf.
  • Übergewinne haben eine Funktion, indem sie aufzeigen, wo momentan Knappheiten bestehen. Dadurch setzen sie einen Anreiz zum Markteintritt.
  • Eine überlegenswerte Alternative wäre eine grundsätzliche Reform der Unternehmensbesteuerung, welche sich stärker an der Rendite von Firmen orientiert.

Die Übergewinnsteuer ist Realität: Die EU hat vorgeschrieben, dass alle Mitgliedsstaaten bis Jahresende eine Steuer auf „Übergewinne“ fossiler Energieunternehmen in Höhe von mindestens 33 Prozent einführen müssen. In Deutschland wird diese Änderung im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2022 umgesetzt. Zudem sollen – ebenfalls aufgrund einer EU-Verordnung – temporär „Zufallsgewinne“ bei der Stromerzeugung abgeschöpft werden. Diese Zufallsgewinnabgabe kommt einer Übergewinnsteuer gleich.

Ist so eine Übergewinnsteuer eine gute Idee? Kann das vielleicht sogar eine Blaupause für zukünftige Krisen sein? Schließlich bringt jede Krise Krisengewinner*innen hervor – seien es Onlinehändler*innen oder Impfstoffproduzent*innen in einer Pandemie oder Windkraftanlagen in einer Energiekrise.

Auf den ersten Blick ist eine solche Steuer attraktiv: Einige Unternehmen machen scheinbar ohne eigenes Zutun auf einmal hohe Gewinne. Diese Gewinne entstehen auch noch durch eine Krise, also durch eine für andere besonders schwierige Situation. Ist es dann nicht fair, Krisengewinner*innen heranzuziehen, damit sie einen Teil der Kosten zur Krisenbewältigung tragen?

Übergewinn: ein willkürliches Konzept

Doch was soll da eigentlich konkret besteuert werden? Eine rechtssichere Definition von „Übergewinnen“ ist nicht so einfach möglich, dafür ist das Konzept zu unscharf. Der EU-Energiekrisenbeitrag, der die „Übergewinne“ von fossilen Energieunternehmen besteuern soll, definiert sie als Gewinn, der mehr als 20 Prozent über dem Durchschnittsgewinn der Jahre 2018 bis 2021 liegt. Gerade die Pandemiejahre 2020 und 2021 waren allerdings keine typischen Jahre.

Der „Übergewinn“ sähe ganz anders aus, würde man der Berechnung andere Jahre zugrunde legen. Die Gewinne in vielen Sektoren schwanken stark – gerade in jenen, die stark von internationalen Rohstoffmärkten abhängen. Dies illustriert der Rohölpreis: Der Durchschnittspreis zwischen 2018 und 2021 betrug 62 US-Dollar je Barrel; in den Jahren 2011 bis 2014 waren es 108 US-Dollar pro Barrel. Bei der Gewinnabschöpfung im Strommarkt wird ein „angemessener“ Erlös für die verschiedenen Technologien direkt und ohne Rückgriff auf historische Werte festgelegt. Dies umgeht zwar das Problem, einen geeigneten Referenzzeitraum festzulegen, führt aber ebenfalls zu willkürlichen „Übergewinnen“.

(Über-)Gewinne haben eine Funktion im Marktgeschehen

Selbst wenn man die Übergewinne klar definieren könnte, wäre eine Übergewinnsteuer keine gute Idee. Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium führt viele gute Gründe dagegen auf. Ein Grund ist, dass Übergewinne – im Sinn von temporär hohen Gewinnen – durchaus eine wichtige Funktion im Marktgeschehen haben. Sie zeigen auf, wo momentan Knappheiten bestehen und setzen einen Anreiz zum Markteintritt. Auch Maskenhersteller*innen haben im Frühjahr 2020 „Übergewinne“ gemacht, als eine FFP2-Maske oft über 10 Euro kostete – wenn man überhaupt eine kaufen konnte. Heute gibt es FFP2-Masken für unter einen Euro in jedem Supermarkt. Die „Übergewinne“ sind durch Markteintritt verschwunden.

Im Energiesektor ist Markteintritt nicht so kurzfristig möglich. Das heißt aber nicht, dass eine Übergewinnsteuer hier keine Auswirkungen hat. Dieser Sektor ist durch besonders große Preis- und Gewinnschwankungen gekennzeichnet. Die Unternehmen richten sich an erwarteten Gewinnen aus. Werden Gewinne in Zeiten, in denen es gut läuft, mit einer Sondersteuer belegt, antizipieren Investor*innen das und investieren weniger. Dies ist insbesondere im Stromsektor problematisch, wo ein hoher Investitionsbedarf besteht. Gerade erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie sind durch hohe Anfangsinvestitionen und geringe laufende Kosten gekennzeichnet, das heißt anfänglichen Verlusten stehen später höhere Gewinne gegenüber.

Die Diskussion um Übergewinnsteuern im Energiesektor ist nichts Neues. Bereits 1977 argumentierten Finn Kydland und Edward Prescott unter anderem am Beispiel von Übergewinnen in der Ölindustrie, dass Regierungen sich nicht glaubhaft binden könnten, eine Übergewinnsteuer wirklich nur einmal zu nutzen. Die schwedische Akademie der Wissenschaften ehrte sie 2004 für ihre Analysen dieser Problematik mit dem Nobelpreis. Sie zeigten, dass rationale Akteur*innen zu wenig in Technologien mit hohen anfänglichen Kosten – wie aktuell Wind- und Solarenergie – investierten, wenn sie befürchteten, dass mögliche hohe Gewinne in der Zukunft höher besteuert werden.

Die beste Möglichkeit für eine Regierung, sich glaubhaft zu verpflichten, zukünftige Gewinne nicht höher zu besteuern, ist, eine Reputation für eine klar regelgebundene Steuerpolitik aufzubauen. Diese Reputation verspielt Deutschland beziehungsweise die EU gerade.

Die bestehende Besteuerung zielgenauer ausrichten

Das bedeutet nicht, dass der Staat nicht an hohen Gewinnen (wie aktuell im Energiesektor) partizipieren sollte. Dafür gibt es jedoch bereits die reguläre Gewinnbesteuerung. Bei Kapitalgesellschaften beläuft sich die Steuerlast aus Körperschaft- und Gewerbesteuer auf ungefähr 30 Prozent. Die Unternehmen, die „Krisengewinner*innen“ sind – also in der Krise höhere Gewinne machen – tragen so auch ohne eine zusätzliche Übergewinnsteuer dazu bei, die Kosten der Krise zu tragen.

Man könnte diese reguläre Besteuerung mehr auf Übergewinne ausrichten, beispielsweise indem man eine fiktive Eigenkapitalverzinsung steuerlich absetzbar macht. Dann könnten Zinsen auf Eigenkapital von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden, unabhängig davon, ob diese konkret an die Kapitalgeber*innen ausbezahlt werden. Aktuell dürfen keine Eigenkapitalkosten angesetzt werden, was dazu führt, dass Unternehmen mehr Fremdkapital einsetzen und weniger investieren. Ein Abzug von fiktiven Eigenkapitalkosten hätte positive Auswirkungen: Eine „normale“ Rendite bliebe unbesteuert, besonders profitable Unternehmen würden zielgenauer besteuert. Allerdings würde so eine Ausgestaltung aufgrund der zusätzlichen Abzugsmöglichkeit das Steueraufkommen tendenziell verringern. Für eine aufkommensneutrale Ausgestaltung wären höhere Steuersätze notwendig.

Eine grundsätzliche Reform der Unternehmensbesteuerung in diese Richtung ist eine Überlegung wert. Im Gegensatz zu einer selektiv für einzelne Branchen in einer speziellen Situation eingeführten Übergewinnsteuer würde die erwartete Steuerbelastung planbar bleiben. Damit blieben Investitionsanreize erhalten oder würden sogar verbessert. So könnte das Steuersystem dazu beitragen, Investitionen in Zukunftstechnologien zu fördern, statt sie zu erschweren.

PRO
ÜBERGEWINNSTEUER

Es braucht eine Übergewinnsteuer: Der Staat wendet für Maßnahmen wie Tankrabatt oder Gaspreisbremse viele Milliarden für die Krisenbewältigung auf. Das sollten die finanzieren, die es sich leisten können. Wenn Krisengewinner*innen nicht ausreichend an der Krisenbewältigung beteiligt werden, verlieren Menschen Vertrauen in Staat, Gesellschaft und Gerechtigkeit.

Von: Christoph Trautvetter

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Gastbeitrag im Finanzwende-Blog. Die jeweiligen Autor*innen geben nicht zwangsläufig Finanzwende Positionen wieder.

Dr. Dominika Langenmayr

Dr. Dominika Langenmayr ist Professorin für VWL, insbesondere Finanzwissenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich insbesondere mit Unternehmensbesteuerung und Steueroasen. Sie ist Gastprofessorin im Doctoral Program in International Business Taxation an der Wirtschaftsuniversität Wien und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat beim Bundesfinanzministerium.

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