Greenwashing

Greenwashing im großen Stil

Wie „nachhaltige“ Fonds die Klimakrise befeuern, korrupte Vorstände finanzieren und die Verletzung von Arbeitnehmerrechten tolerieren

01.12.2021

„Gutes für die Umwelt und die Gesellschaft tun und daran mitverdienen“, so wirbt die Deutsche Bank Tochter, DWS, für ihre nachhaltigen Fonds. Bei der Sparkassentochter Deka liest man: „Wer in nachhaltig ausgerichtete Unternehmen investiert, gibt der Zukunft eine Richtung und unterstützt Umweltschutz, faire Arbeitsbedingungen sowie eine weitsichtige Unternehmensführung.“ Die vollmundigen Werbeversprechen der Anbieter*innen treffen auf einen extrem boomenden Markt: Innerhalb der letzten zwei Jahre hat sich das Vermögen von Publikumsfonds und ETFs, die sich als „nachhaltig“ bezeichnen, fast verdoppelt.

Was sind Publikumsfonds und ETFs?

Publikumsfonds sind Fonds, bei denen der Fondsanbieter aktiv Vermögenswerte an- und zukauft. ETFs (Exchange-Traded-Funds) sind Fonds, die meist passiv in alle Unternehmen eines Indizes oder Anlagenkorbes investieren und direkt an der Börse erhältlich sind.

Angesichts der Flut an als „nachhaltig“ beworbenen Geldanlagen fragt man sich: Wo wird das ganze grüne Geld eigentlich angelegt? Und was steckt am Ende hinter den gut klingenden Werbebotschaften? Diesen Fragen sind wir nachgegangen und haben im Rahmen einer Studie umfangreiche Daten ausgewertet. 314 Fonds mit einem Volumen von etwa 100 Milliarden Euro wurden näher untersucht. Das Ergebnis ist ein vernichtendes Zeugnis für den Boom grüner Geldanlagen.

Kaum Unterschiede zwischen nachhaltigen und konventionellen Fonds

Vermeintlich nachhaltiges Geld wird tatsächlich kaum anders angelegt als konventionelles. Die Ähnlichkeit zeigen die beiden folgenden Grafiken, die den Aktienbesitz nachhaltiger und konventioneller Fonds gegenüberstellen.

Weder besonders problematische Unternehmen noch schädliche Sektoren werden bei nachhaltigen Fonds ausgeschlossen: So liegen über 70 Prozent der nachhaltigen Investitionen in Energie in fossilen Energien, darunter fast 100 Millionen Euro in Kohle. Auch ein Schwerpunkt auf klar zukunftsträchtige Investments ist nicht erkennbar.

Aktienbesitz „nachhaltiger“ Fonds (in Deutschland erhältliche Fonds, Juni 2021)

Grafik: Aktienbestiz "nachhaltiger" Fonds (Juni 2021)

Quelle: Morningstar Direct 

Zum Vergleich: Aktien im MSCI World nach Industrie (Juni 2021)

Grafik: Aktien im MSCI World nach Industrie (Juni 2021)

Quelle: Morningstar Direct 

E, S und G

Bei Betrachtung von einzelnen Aktien, die in als nachhaltig beworbenen Fonds vorkommen, wird das Problem besonders deutlich. Eigentlich geben die meisten nachhaltigen Fonds vor, sich an sogenannten ESG-Kriterien zu orientieren. Die drei Buchstaben stehen für die Aspekte Umwelt (Environment), Soziales (Social) und gute Unternehmensführung (Governance).

Heißt das also, dass weder ökologisch schädliche Unternehmen noch solche, die sich unsozial gegenüber ihren Angestellten verhalten oder Prinzipien der guten Unternehmensführung verletzen, in nachhaltigen Fonds stecken? Mitnichten!

E wie Environmental oder Umwelt?

Mit Aktien im Wert von 12 bis 86 Millionen Euro sind die großen Öl-Multis Shell, ExxonMobile, BP, Chevron und Total alle im „nachhaltigen“ Gesamtportfolio vertreten. Diese Unternehmen werden nicht nur dafür kritisiert, maßgeblicher Treiber der Klimakrise zu sein. Umwelt- und Menschenrechtsaktivist*innen geben ihnen auch die Verantwortung für zahlreiche vermeidbare Umwelt-Katastrophen.

S wie Sozial?

Über 563 Millionen „nachhaltige“ Euro stecken allein in Amazon-Aktien, 439 Millionen Euro davon haben nachhaltige Fonds allein seit 2019 zugekauft. Amazon werden unmenschliche Arbeitsbedingungen in Lagerhallen und in der Zustellung vorgeworfen. Auslieferfahrer*innen beklagen zum Beispiel unbezahlte Überstunden sowie die Überwachung mit Kameras.

Auch Investitionen von 34 Millionen Euro in die Firma Deutsche Wohnen würden viele sicherlich nicht in nachhaltigen Fonds erwarten. Der Wohnungskonzern hat den Ruf, rücksichtslose Profitmaximierung auf dem Rücken von Mieter*innen zu betreiben.

G wie Governance?

Sogar das aktuellste Paradebeispiel für katastrophale Unternehmensführung – Wirecard – war viel zu lang in nachhaltigen Fonds vertreten. Noch im Mai 2020 steckten 17 Millionen vermeintlich nachhaltiger Gelder in Wirecard-Aktien. Erst im August 2020 wurden die letzten Aktien verkauft. Dabei waren viele Probleme des Skandalkonzerns zu diesem Zeitpunkt längst bekannt.

Wo ist der Unterschied?

Wie wenig sich nachhaltige Fonds von ihren konventionellen Vergleichsfonds unterscheiden, wird insbesondere sichtbar, wenn man das nachhaltige Angebot von Fondsanbieter*innen seinem konventionellen Pendant gegenüberstellt.

Dies haben wir exemplarisch für zwei Deka-Fonds (Deka GlobalChampions und Deka-Nachhaltigkeit GlobalChampions) gemacht und die Unterschiede sind, um es gelinde zu sagen, bescheiden. Denn der Aktienbesitz des nachhaltigen Deka-Fonds unterscheidet sich nur geringfügig von seinem konventionellen Pendant. Die größten zehn Positionen (Stand: Mai 2021) sind in beiden Fonds exakt identisch mit nur leicht anderen Anteilen im Portfolio. Fast 88 Prozent der im Deka GlobalChampions enthaltenen Werte, darunter zum Beispiel Aktien von Amazon und Johnson & Johnson (Stichwort: Opioide), finden sich auch im Deka-Nachhaltigkeit GlobalChampions.

Wie ist das mit der Wirkung?

Wenn nachhaltige Fonds also oftmals kaum anders investieren als konventionelle, dann schaffen sie keine Anreize für Firmen, sich zu wandeln. Damit wäre dann auch das Versprechen an Anleger*innen hinfällig, mit der Geldanlage eine Rendite zu erzielen und gleichzeitig mehr Nachhaltigkeit zu bewirken. Natürlich können in der Theorie Investments in besonders schädliche Unternehmen kombiniert mit einem Engagement-Ansatz deren Nachhaltigkeit verbessern.

Was ist der Engagement-Ansatz?

Der Engagement-Ansatz bedeutet, dass Investor*innen versuchen, auf Unternehmen einzuwirken, sodass diese nachhaltiger agieren.

Das funktioniert aber nur, wenn die Fonds ausreichend große Anteile an den betroffenen Unternehmen halten. Außerdem ist für Anleger*innen schwer ersichtlich, ob das Engagement auch etwas bewirkt oder nur ein Feigenblatt ist. Zudem zielen die beurteilten Fonds laut ihrer Strategie in aller Regel explizit darauf ab, gerade in besonders nachhaltige Unternehmen zu investieren – was ihnen offensichtlich nicht gelingt.

Natürlich bedeutet unsere Studie nicht, dass nachhaltiges Investieren nicht möglich ist. Insbesondere auf Nachhaltigkeit spezialisierte Anbieter*innen bieten bereits heute Fonds an, die nur in sorgfältig ausgewählte Firmen investieren. Aber insgesamt lässt sich nur das traurige Fazit ziehen: Das große Versprechen vieler grüner Fonds, mit der Geldanlage gleichzeitig Gutes für Mensch und Umwelt zu tun, ist kaum mehr als Grünfärberei.

Wie kann Greenwashing eingedämmt werden?

Damit nachhaltig auch drinsteckt, wo es draufsteht, und nachhaltige Geldanlagen insgesamt mehr Wirkung entfalten, schlagen wir vor:

  • Einheitliches Label für nachhaltige Geldanlagen, das Anleger*innen die Unterscheidung nachhaltiger Geldanlagen ermöglicht.
  • Strenge europäische Definition von nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten (Taxonomie), unter anderem mit Ausschluss von Atomkraft und Erdgas.
  • Mehr Transparenz von Engagement-Strategien, damit Anleger*innen leicht ersichtlich ist, wie sich Fondsgesellschaften bei den investierten Unternehmen für Nachhaltigkeit einsetzen.

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