Banken und Schattenbanken

Trennbankensystem einfach erklärt

15.01.2024

  • Ein Trennbankensystem trennt das Kredit- und Einlagengeschäft der Geschäftsbanken institutionell von spekulativ agierenden Investmentbanken ab.
  • So kann die Ausbreitung von Finanzkrisen verhindert, die Haftung der Steuerzahler*innen für Bankenrettungen vermieden und das Vertrauen in Banken gestärkt werden. Durch die Trennung der Geschäftsbereiche kann vermieden werden, dass Banken „too big to fail“ werden.
  • Nach der Finanzkrise 2008/2009 sollte eine Trennung von Geschäfts- und Investmentbanking den Bankensektor stabilisieren und die Wirtschaft schützen. Eine solche Trennung wurde nie vollumfänglich in Europa eingeführt.

Rund 3.000 Euro pro Familie kostete die Bankenrettung im Nachgang der Finanzkrise 2008/2009 in Deutschland. 70 Milliarden Euro an Steuergeldern waren nötig, um sowohl das Kundengeschäft als auch das wesentlich riskantere Investmentgeschäft vieler Banken vor der Pleite zu bewahren.

Wie funktioniert ein Trennbankensystem?

Sogenannte Universalbanken, wie sie in Deutschland üblich sind, betreiben in der Regel beides: Einerseits das klassische Bankgeschäft, also die Kreditvergabe sowie die Verwaltung des Geldes ihrer Kund*innen. Dieses Geschäftsfeld ist vergleichsweise risikoarm und gleichzeitig essentiell für die Realwirtschaft und  für Privathaushalte.

Dieselben Banken beteiligen sich aber andererseits auch an spekulativen Finanzmarktgeschäften, also Aktieninvestments und Wetten auf bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen, zum Beispiel über Derivate. Das vergleichsweise hohe finanzielle Risiko dieses zweiten Geschäftsfeldes wird dabei von der gesamten Bank getragen.

Betreibt eine Bank sowohl Geschäfte im Investment- als auch im Kundenbereich, können potentielle Interessenkonflikte auftreten. Der Grund dafür ist, dass die Bank auf beiden Seiten involviert ist, wenn sie ihren Kund*innen zum Kauf von Wertpapieren rät, bei denen die Bank selbst investiert ist. Wenn die Investmentabteilung also eine Anleihe platziert, die einen  Unternehmenskredit bei derselben Bank ablösen soll, dann besteht die Gefahr, dass die Bank nicht neutral handelt, sondern versucht, ihr eigenes Risiko an ihre Kund*innen weiterzugeben.

Ein Trennbankensystem soll verhindern, dass die Schwierigkeiten der einen Sparte immer automatisch auch die andere bedrohen. Eine Trennung der Geschäftsbereiche spaltet spekulative Finanzmarktgeschäfte vom
klassischen Kundengeschäft einer Bank ab. So soll verhindert werden, dass Verluste und eine mögliche Insolvenz der Investmentgeschäfte die Sicherheit des Geldes von Bankkund*innen bedroht. Damit würde auch der Staat davor geschützt, für die gefährdeten Kundeneinlagen einer Bank zu haften, die durch risikoreiche Spekulationen in Schieflage geraten ist.

Vorteile eines Trennbankensystems

Eine Bank, die entweder nur das Kunden- oder Investmentgeschäft betreibt, ist meist kleiner als Banken, die beide Bereiche abdecken. Zu große Banken, die als „too big to fail“ (deutsch „zu groß zum scheitern“) gelten, wägen sich in Sicherheit, dass im Falle einer Schieflage der Staat für sie einspringen wird, da die Folgen einer Pleite zu große Risiken für andere Banken und die Realwirtschaft mit sich bringen.

Beispielhaft war der Kollaps der Schweizer Großbank Credit Suisse im März 2023, die mit großen Mengen an Staatshilfen abgewickelt werden musste, da die möglichen Folgen einer Pleite nicht absehbar waren. Ein Trennbankensystem schafft daher einerseits die Möglichkeit, Banken ohne Kosten für die Gesellschaft abzuwickeln und reduziert gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, dass Banken eine systemrelevante Größe entwickeln und damit implizite Staatsgarantien genießen.

Trennbankengesetz in der EU und Deutschland: ein zahnloser Tiger

Nach der Finanzkrise 2007/2008 gab es starke Bestrebungen, in Europa ein Trennbankensystem einzuführen. Eine EU-Expertengruppe unterbreitete 2012 mit dem Liikanen-Report einen umfangreichen Vorschlag für die Trennung der Geschäftsfelder. Zwei Jahre später legte die Europäische Kommission einen Entwurf vor, der den Vorschlägen des Liikanen-Reports nur teilweise folgte und schließlich nie verabschiedet wurde. Dafür sorgte in Teilen eine einheitliche Lobbyfront aus allen Bankengruppen, die sich stark gegen das Vorhaben einsetzte.

In Deutschland wurde parallel das „Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen“ beschlossen. Das vom Bundestag 2013 verabschiedete Gesetz ist allerdings kein wirksames Trennbankengesetz: Durch weit ausgelegte Definitionen erhielten die Aufsichtsbehörden kein Instrument, mit dem sich eine klare Trennlinie zwischen den Geschäften ziehen ließe.

Spekulative Geschäfte mit Wertpapieren sind in der Praxis auch weiterhin für Banken möglich, die gleichzeitig Kundeneinlagen verwalten und Kredite vergeben. Expert*Innen bezweifeln daher, dass das deutsche Trennbankengesetz den Staat vor künftigen Bankenrettungen schützen wird und verweisen darauf, dass es kaum gegen die Bankenkrise 2007/2008 geholfen hätte.

Das historische Trennbankensystem der USA

Die Idee eines Trennbankensystems ist keine neue. Sie reicht fast ein Jahrhundert zurück und war ein integraler Bestandteil der US-amerikanischen Antwort auf die Finanzkrise der großen Depression ab 1929. Damals, so wie bei der vergangenen großen Finanzkrise 2008/2009, führten die spekulativen Finanzmarktgeschäfte der Geldhäuser zu kurzfristigen Liquiditätsproblemen.

Als das tatsächliche Risiko ihrer Investments deutlich wurde, verloren Kund*innen das Vertrauen in die Banken. Auch untereinander schränkten die Banken ihre Geschäfte massiv ein. Das gefährdete die Refinanzierung, auf der das Bankgeschäft aufbaut. Aus der Bankenkrise wurde so eine Finanzkrise, die sowohl die Privatkund*innen der Banken als auch die auf Banken angewiesene Realwirtschaft bedrohte. In den 1930er Jahren hatte dies eine viele Jahre andauernde Wirtschaftskrise zur Folge – die große Depression.

Als Reaktion wurde 1933 das erste Trennbankengesetz im Rahmen des Glass-Steagall Act in den USA erlassen. Dieses Gesetz führte ein striktes Trennbankensystem ein, in dem sich Geldhäuser entscheiden mussten, ob sie im Investmentgeschäft tätig sind und mit Wertpapieren handeln oder stattdessen als klassische Geschäftsbanken Kredite vergeben und Kundeneinlagen verwalten wollten. Beides gleichzeitig war unter einem Dach nicht mehr möglich. Dieses Gesetz bestand für mehr als ein halbes Jahrhundert.

Im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde diese Trennung der Geschäftsbereiche Stück für Stück aufgeweicht und Geschäftsbanken stiegen wieder in den Wertpapierhandel ein. Ende des 20. Jahrhunderts kam es zur endgültigen Aufhebung des Trennbankensystems. Dies war auch ein Faktor für die Entstehung der Finanzkrise 2008/2009.

Wiederaufnahme nach der Finanzkrise 2008

Nach der Finanzkrise 2008 gab es auch eine internationale Debatte über die Einführung eines Trennbankensystems – mit unterschiedlichen Ergebnissen. Während das historische US-Trennbankensystem eine Trennung zwischen Geschäftsbanken und Investmentbanken vorsah, setzen die zeitgenössischen Konzepte bei Beschränkungen von Wertpapiergeschäften oder einer Trennung von Geschäftsbereichen innerhalb der bestehenden Universalbanken an.

In den USA wurde 2010 der Dodd-Frank Act als Antwort auf die Finanzkrise von 2007/2008 erlassen. Für Banken, deren Kundeneinlagen durch den Staat abgesichert sind, sah die sogenannte Volcker Rule dieses Gesetzes eine Beschränkung des Eigenhandels mit Wertpapieren vor. Wertpapierhandel war nur noch zulässig, wenn das für das Geschäft mit Bankkund*innen nötig war. Spekulationen auf eigene Rechnung sollten unterbunden werden. Die Trennung zwischen den Typen von Finanzinstituten wies Parallelen zum historischen Trennbankensystem auf, blieb aber deutlich weniger strikt, denn es betraf nur Großbanken und erlaubte auch diesen weiterhin einen begrenzten Eigenhandel mit Aktien.

Im Ergebnis haben sich viele Geschäfte in den Bereich des Finanzsektors ausgelagert, der nur sehr gering reguliert ist: der sogenannte Schattenbanksektor. Er umfasst die Aktivitäten von Akteur*innen wie unter anderem Hedge-, Geldmarkt- und Investment-Fonds. Die Volcker Rule und damit die teilweise Trennung von Geschäftsbereichen US-amerikanischer Banken wurde 2020 unter Donald Trump wieder gelockert.

Wirtschaft und Kundeneinlagen vor Finanzkrisen schützen

Private Kundeneinlagen und das Geschäft von realwirtschaftlichen Akteur*innen lassen sich mit einem Trennbankensystem schützen. Die Dynamik volatiler Finanzmärkte kann in einem echten Trennbankensystem nicht mehr so leicht auf Wirtschaft und Gesellschaft übergreifen.

Bankkund*innen erwarten, dass Geldhäuser ihre Einlagen sicher verwalten. Sie haben kein Interesse daran, dass sie mit ihrem Geld für die riskanten Geschäfte der Banken haften. Banken, die sich in dieser Hinsicht wieder auf ihr Kerngeschäft fokussieren, laufen weniger Gefahr, mit Staatshilfen gerettet werden zu müssen.

Das setzt allerdings eine klare Trennung zwischen verschiedenen Arten von Banken voraus. Nur ein System, das diese sehr unterschiedlichen Geschäftspraktiken institutionell komplett voneinander trennt, bietet einen entsprechenden Schutz und verdient es, als Trennbankensystem bezeichnet zu werden.

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