Verbraucherschutz

Minikredite: Frech gewinnt

21.09.2022

  • Wer Minikredite sucht, ist oft in finanzieller Not und ohne Alternativen.
  • Die Anbieter*innen von Minikrediten weisen mitunter mehr als 1.500 Prozent Zinsen aus und leisten sich einige Dreistigkeiten.
  • Bei Minikrediten ist der Verbraucherschutz besonders schlecht. Die Verleiher*innen sind rechtlich oft kaum zu greifen.

Kürzlich vermeldete die Kreditauskunftei Schufa einen starken Anstieg in der Vergabe von Minikrediten: Im Jahr 2021 lag fast jeder dritte neue Ratenkredit unter 1.000 Euro. Im Vorjahr war es noch jeder Fünfte gewesen. Die mitgelieferte Erklärung: Vor allem junge Menschen bezahlen online vermehrt auf Rechnung oder in Raten. Diese sogenannten Buy-Now-Pay-Later-Angebote, etwa von Klarna, machen den Zahlungsaufschub kinderleicht. Daher leihen sich mehr Menschen immer öfter kleine Summen.

Minikredite gibt es nicht nur in schicken Shopping-Apps. Auch im Internet tummeln sich Verleiher*innen von Kleinbeträgen. Anders als hippe Firmen wie Klarna fliegen sie unter dem Radar. Sie haben auch eine andere Zielgruppe: Menschen in finanzieller Not, die schnell Geld brauchen, etwa um eine drohende Stromsperre abzuwenden. Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und die hohe Inflation dürften den finanziellen Druck bei vielen erhöhen – und damit auch die Nachfrage nach Minikrediten.

Das Versprechen der Anbieter*innen: eine schnelle und unbürokratische Kreditvergabe – teils zum Nullzins, selbst wenn das bei anderen Banken nicht mehr klappt. Solche Angebote klingen zu gut, um wahr zu sein. Und für Verbraucher*innen ist tatsächlich Vorsicht geboten.

Mehr als 1.500 Prozent Zinsen und andere Dreistigkeiten

Besonders unverfroren agiert Cashper. Das maltesische Unternehmen wirbt auf seiner Website offensiv für Minikredite zum Nullzins. Blickfang auf der Website ist der Kreditrechner. Dieser rechnet unterschiedliche Kreditszenarien durch, mit einem effektiven Jahreszins von 0,00 Prozent.

Erst ein Blick ins Kleingedruckte zeigt: Der Nullzins-Deal gilt nur, wenn Kund*innen erstmalig via Cashper einen Kredit beantragen. Im Normalfall werden laut Geschäftsbedingungen knapp acht Prozent Zinsen fällig. Allerdings können zusätzliche Gebühren anfallen. Wer beispielsweise den Kredit in Raten abstottern will, zahlt drauf. Mitunter können Zinsen von mehr als 1.500 Prozent entstehen. Das liest, wer sich auf eine hintere Cashper-Website durchklickt. Dagegen wirken happige Dispozinsen von zehn Prozent sensationell günstig, vom ursprünglichem Nullzins-Versprechen ganz zu schweigen. Fragen von Finanzwende-Recherche zur Zinsgestaltung ließ Cashper unbeantwortet.

Verwirrende Preisangaben finden sich auch bei Vexcash, einer deutschen Firma. Vexcash weist im Internet einen effektiven Jahreszins von 14,82 Prozent aus. Das ist viel, doch es wird noch mehr. Nicht im Preis enthalten sind etwa Kosten für das sogenannte Smart-Paket. Das muss jede Person buchen, die den Kredit am nächsten Tag auf seinem Konto haben will. Andernfalls dauert der Kredit laut Allgemeinen Geschäftsbedingungen acht bis zehn Banktage – eine enorme Wartezeit für eine Person, die schnell Geld braucht.

Für 69 Euro monatlich enthält das Smart-Paket noch weitere Leistungen, etwa Bäumepflanzen im Namen der Kund*innen. Für eine Kreditentscheidung dürfte so etwas nebensächlich sein. Doch treibt das Smart-Paket die Kreditkosten stark nach oben. Rechnet man es in den Jahreszins ein, entsteht laut Verbraucherzentrale Sachsen bei einem Kredit von 1.000 Euro über 90 Tage Laufzeit ein effektiver Zins von mehr als 377 Prozent – das 25-fache der ausgewiesenen Zinsen.

Wer nach Minikrediten sucht, findet noch weitere verwirrende Angaben. Laut Website wird zum Beispiel die maltesische Ferratum Bank „auch von der Europäischen Zentralbank (EZB) reguliert“. Das klingt vertrauenerweckend und gibt einen hochseriösen Anstrich. Doch: Die EZB ist in erster Linie nicht für Bankenregulierung zuständig, sondern für Bankenaufsicht – und auch das in diesem Fall nur indirekt. Die alltägliche Aufsichtsarbeit erledigt also die nicht ganz so vertrauenserweckende maltesische Aufsicht. Ferratums Internetauftritt ist in diesem Punkt daher eher Schein als Sein.

Wenig Verbraucherschutz, schwierige Rechtslage

Wer einen sehr kleinen Kredit aufnehmen muss, ist zudem besonders schlecht geschützt. Viele Verbraucherschutzvorschriften für Darlehen gelten erst für Kreditsummen ab 200 Euro. Das erleichtert das Geschäft für die Geldverleiher*innen. Sie müssen weder die Kreditwürdigkeit ihrer Kundschaft überprüfen, noch einen schriftlichen Vertrag inklusive Kostenüberblick vorlegen. Zudem gelten nicht die üblichen Widerrufsrechte für Verbraucher*innen.

All das kann dazu führen, dass Kund*innen überteuerte Kredite abschließen, die sie schlimmstenfalls weder bezahlen noch widerrufen können. In der Summe verwehrt die aktuelle Rechtslage also gerade besonders verletzlichen Kreditsuchenden den gängigen Schutz.

Selbst geltendes Recht ist für Verbraucher*innen oft schwer durchzusetzen. Unternehmen wie Cashper oder Ferratum sitzen im EU-Ausland und können ihre Verträge nach dortigem Recht abschließen. Das erschwert Verbraucher*innen aus Deutschland, ihre Chancen in einem Gerichtsverfahren vorab einzuschätzen. Die wenigsten dürften daher rechtliche Schritte gegen sündhaft teure Kreditangebote erwägen. Praktische Hürden wie hohe Übersetzungskosten schrecken zusätzlich vor dem Rechtsweg ab – sofern sich angesichts derart kleiner Streitwerte überhaupt eine Rechtsvertretung findet.

Letztlich ist auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in diesen Fällen wohl keine große Hilfe. Bei Problemen mit etwa maltesischen Anbieter*innen informiert die BaFin bestenfalls die zuständige Aufsicht in Malta – was dann passiert, liegt in deren Hand.

Die Beispiele zeigen, wie dreist manche Anbieter*innen von Minikrediten agieren. Es gibt aber Hoffnung. Auf EU-Ebene laufen derzeit Verhandlungen zu einer Reform von Schutzstandards in der Kreditvergabe.

Die gängigen Regeln könnten daher bald auch für Minikredite gelten. Geldverleiher*innen müssten dann beispielsweise stets die Kreditwürdigkeit prüfen oder die Konditionen in schriftlichen Verträgen angeben. Auch eine Deckelung der Kreditkosten ist im Gespräch. All das könnte auch für Anbieter*innen von Buy-Now-Pay-Later-Angeboten wie Klarna gelten. Sie stehen im Verdacht, die Verschuldung junger Menschen zu befördern.

In Sachen Verbraucherschutz besteht gerade jetzt Handlungsbedarf. Aktuell steigt nicht nur die Nachfrage nach Minikrediten, sondern auch die Zinsen. Das wäre der richtige Zeitpunkt, um sicherzustellen, dass kleine Kredite nicht mehr zu großen Problemen führen können.

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