Fragen und Antworten
Auswertung: Wie hoch ist der Kundennutzen bei Riester und Rürup?
Warum hat Finanzwende Recherche die Renditen von Riester- und Rürup-Renten untersucht?
Die Versicherungsaufsicht BaFin hat im vergangenen Mai unter der Nummer 01/2023 ein Merkblatt veröffentlicht, das Hinweise für Versicherungsunternehmen enthält, die kapitalbildende Lebensversicherungen zur Vorsorge anbieten. Demnach sind die Unternehmen angehalten, einen „angemessenen“ Nutzen ihrer Produkte für Kund*innen sicherzustellen. Kurzum: Rentenversicherungen sollen ein vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.
Weil Riester- und Rürup-Rentenversicherungen vom Staat mit direkten Zulagen oder indirekten Steuervorteilen gefördert werden, ist ihr Nutzen aus Sicht von Finanzwende Recherche von besonderem Interesse – aus Verbrauchersicht und aus gesellschaftlichem Blickwinkel. Schließlich wird die Förderung aus dem Steuergeld der Bürger*innen finanziert.
Wie funktionieren eigentlich geförderte Rentenversicherungen?
Staatlich geförderte Riester- und Rürup-Rentenversicherungen durchlaufen in der Regel zwei Phasen. Der Vertrag beginnt mit einer Sparzeit, in der regelmäßig Geld eingezahlt, Kapital angesammelt und verzinst wird. Anders als es bei privaten Rentenversicherungen üblich ist, können Kund*innen zu Beginn des Ruhestands aber nicht frei zwischen einer Auszahlung auf einen Schlag oder einer Rente wählen. Das Geld wird vielmehr in eine lebenslangen Rente umgewandelt – bei Rürup-Verträgen das komplette Alterskapital, bei Riester-Renten planmäßig 70 Prozent. So ist es gesetzlich festgelegt.
In Sachen Förderung lautet das Prinzip des Staates: erst fördern, dann fordern. Der Staat bezuschusst das Sparen in Riester- und Rürup-Verträgen – zum Teil generös – mit Zulagen oder Steuervorteilen. Ab Beginn des Ruhestands müssen die Rentenzahlungen dann allerdings voll versteuert werden. Es kann also sein, dass von 200 Euro Rentenzahlung nach Steuern nur mehr 160 Euro verfügbar sind.
Wie kommt Finanzwende Recherche auf ein Renditeziel von mindestens 2 Prozent, um den Kundennutzen zu messen?
Aus Sicht von Finanzwende Recherche erwarten Kund*innen bei langlaufenden Vorsorgeprodukten, dass diese mindestens ihre Kosten sowie einen Inflationsausgleich von 2 Prozent jährlich erwirtschaften. Dieses Kriterium gilt aus Sicht von Finanzwende Recherche für alle kapitalbildenden Versicherungen– auch dann, wenn die Versicherten Rente beziehen.
Die Messlatte liegt damit nicht einmal allzu hoch. Denn für die Versicherten heißt das: Sie haben am Vertragsende real kein Geld verloren, also gerade mal die Nulllinie erreicht. Das ist besser als das Geld unter der Matratze zu horten. Aber ein echter Gewinn ist es noch nicht. Zumal die zukünftige Inflation auch deutlich über 2 Prozent liegen kann, wie die vergangenen Jahre zeigen.
Die Finanzaufsicht BaFin hat in ihrem Merkblatt ähnliche Hinweise für die Sparphase veröffentlicht, lässt aber bei den konkreten Regeln reichlich Raum für Interpretationen. So soll auch die Verrentung des Kundenkapitals ausdrücklich geprüft werden – unklar bleibt aber, wie das geschehen soll.
Für Kund*innen zählen bei der Vorsorge aber letztlich harte Fakten – also das, was auf seinem Konto landet. Und genau das hat Finanzwende Recherche überprüft: die Rente, die zur Auszahlung kommen soll.
Was ist neu an der Untersuchung von Rürup- und Riester-Renten?
Zum einen liefert Finanzwende Recherche mit der 2-Prozent-Messlatte einen Diskussionsbeitrag zu der Frage, welche Rendite die Kund*innen von einer langfristigen Altersvorsorge erwarten dürfen. Zum anderen zeigt die Untersuchung für aktuelle Riester- und Rürup-Angebote – anders als bei Marktübersichten bislang üblich – auch die möglichen Renditen für die Auszahlungsphase.
Diese Informationen sind für Menschen auf der Suche nach Vorsorgemöglichkeiten von Interesse, weil die Förderverträge standardmäßig eine Verrentung des ersparten Kapitals vorsehen – bei Rürup-Renten sogar vorschreiben. Denn bei Förderverträgen können sich Versicherte ihr Erspartes zum Ende der Sparzeit nicht einfach auf einen Schlag auszahlen lassen. Wer einen Vertrag abschließt, sollte also zuvor auch einen Blick darauf werfen, wie es um die Konditionen für sein Geld ab dem Alter 67 bestellt ist.
Die ermittelten Renten-Renditen gelten für Neuverträge, die Versicherer im zweiten Halbjahr 2023 anboten. Bei länger bestehenden Verträgen können die Erträge im Ruhestand höher oder niedriger ausfallen.
Wieso betrachtet Finanzwende die gesamte Vertragslaufzeit – also auch die Rentenphase?
Bei der staatlich geförderten Altersvorsorge sind Spar- und Rentenphase eng miteinander verbunden, bei Rürup-Renten sogar untrennbar. Deshalb kann nur ein Blick auf den Gesamtvertrag verraten, ob ein Angebot einen Mehrwert für Kund*innen verspricht – und in welchem Maße. Auf ihr Angebot von lebenslangen Rentenzahlungen halten sich die Versicherer übrigens viel zugute. Sie bieten als einzige die lebenslange Verrentung von Kapital an. Insoweit haben sie eine Monopolstellung.
Bei Rürup-Verträgen ist die Auszahlung in Form einer Rente stets vorgeschrieben, bei Riester-Verträgen als Standard vorgesehen. Wer die Leistungskraft der Verträge untersuchen will, kommt also kaum umhin, die gesamte Laufzeit zu betrachten – von der Unterschrift unter den Vertrag bis hin zum erwarteten Tod. Dafür sind Annahmen und auch versicherungsmathematische Kenntnisse notwendig. Finanzwende Recherche hat die vorliegende Studie daher gemeinsam mit einem Versicherungsmathematiker erstellt.
Bin ich auf der sicheren Seite, wenn ich einen Vertrag mit vergleichsweise hohem Kundennutzen abschließe?
Nein, leider nicht. Die Renditeerwartung taugt nicht als alleiniges Kriterium, um den persönlichen Nutzen eines Vertrages zu bestimmen. Die Untersuchung von Finanzwende Recherche liefert aber Hinweise darauf, ob ein Angebot für Anleger*innen überhaupt in Frage kommt – sprich: ob es die nötigen Grundlagen mitbringt.
Wenn das der Fall ist, müssen in einem zweiten Schritt noch weitere Fragen geklärt werden – etwa, ob das Angebot zur persönlichen Lebensplanung passt, faire Klauseln hat und ausreichend Flexibilität bietet. Die Renditeerwartung gibt also Hinweise und kann ein K.-o.-Kriterium bei der Auswahl sein. Als alleiniges Entscheidungskriterium für einen Vertrag ist sie aber nicht ausreichend.
Warum sind die Renditen in der Rentenphase so niedrig?
Ein wichtiger Grund dafür sind die mauen Renten-Konditionen der Versicherer – allen voran die Annahmen zur Lebenserwartung der Kund*innen. Die Folgen dieser Annahmen sind für Versicherte schwer zu durchschauen, mögliche Gesamtrenditen für Laien gar nicht zu ermitteln. Sie bleiben eine Blackbox und werden auch in den offiziellen Produktblättern nicht ausgewiesen.
Kurzum: Die Konditionen für lebenslange Renten werden bislang relativ selten diskutiert. Sie beruhen immer auf Annahmen, insbesondere zur Lebenserwartung.
Klar ist: Die Versicherer kalkulieren meist mit einer sehr hohen Lebenserwartung und mit Extra-Sicherheitszuschlägen – aus Vorsichtsgründen, wie sie betonen. Was das für Versicherte bedeutet, zeigt ein Zahlenbeispiel: Für einen heute 37jährigen Mann gehen die Angebote davon aus, dass dieser bis zum Alter von 96 Jahren lebt – im Durchschnitt, wohlgemerkt. Bei gleichaltrigen Frauen ist es das Alter 100. Teils sind die Rentenkonditionen gar noch schlechter.
Klar ist aber auch: Je höher ein Versicherer die Lebenserwartung seiner Kund*innen einschätzt, desto niedriger fällt deren monatliche Rente aus. Klar, das Geld muss ja länger reichen. Und weil Rentenverträge immer eine Wette der Versicherten auf ein langes Leben sind, sinken damit ihre Chancen, zu gewinnen.
Ein zweiter wichtiger Hebel ist die Kapitalanlage. Spätestens in der Rentenzeit kommt es darauf an, wie erfolgreich ein Versicherer das Vermögen der Kund*innen anlegt– und wie großzügig er diese in Form von Überschüssen beteiligt. Für die Untersuchung hat Finanzwende Recherche bei typischen Verträgen eine jährliche Rentensteigerung von 2 Prozent angenommen. Legen die Versicherer das Kundengeld künftig ertragreicher an, zum Beispiel weil die Zinsen steigen, kann die Gesamtrendite also auch besser ausfallen.
Welche Stellschrauben beeinflussen die Rendite von geförderten Rentenverträgen?
Eine erfolgreiche Kapitalanlage ist über die gesamte Laufzeit des Vertrages wichtig. In der Sparphase geht es vor allem um die Kosten der Produkte, in der Rentenphase hingegen um die Annahmen zur Lebenserwartung.
In der Sparzeit wird der Ertrag für Kund*innen vor allem durch Kosten geschmälert. Das gilt insbesondere bei Fondspolicen, denn dort zahlen Versicherte in der Regel gleich für drei Dienstleister*innen: für den Vertrieb, den Versicherer und die Fondsgesellschaft. Die Kund*innen sind – flapsig formuliert – erst danach dran.
Wie stark Effektivkosten bei Fondspolicen wirken, zeigen Zahlen der Finanzaufsicht BaFin für vielverkaufte Produkte: Bei 30-Jahres-Verträgen minderten mittlere Kosten von 1,85 Prozentpunkten das Anlageergebnis. Bei teuren Unternehmen waren sogar Abzüge von 2,35 Prozentpunkten und mehr fällig. Konkret bedeutet das: Wenn eine Fondspolice jedes Jahr 5 Prozent Rendite erwirtschaftet, bleiben unterm Strich noch 2,65 Prozent für Anleger*innen übrig – vor Inflation, versteht sich.
In der Rentenzeit geht es für Versicherte hingegen vor allem um günstige Konditionen zur Verrentung. Sie können sich von Unternehmen zu Unternehmen deutlich unterscheiden: Um den eingezahlten Beitrag inflationsbereinigt zurückzuerhalten, benötigt man der Finanzwende-Auswertung zufolge dafür typischerweise je nach Angebot mal ein Alter von 96 und mal eins von 110 Jahren.
Mit welchen Annahmen hat Finanzwende Recherche für die Lebenserwartung gerechnet?
Finanzwende Recherche ist bei den Renten-Renditen von anderen Annahmen für die Lebenserwartung ausgegangen als die Versicherer kalkulieren – technisch ausgedrückt: einer Sterbetafel 2. Ordnung.
Im vorliegenden Modellfall bedeutet das: Wir rechnen mit einer um durchschnittlich sieben Jahre kürzeren Lebenserwartung als die Versicherer in ihrer Kalkulation unterstellen. Das halten wir für realistischer.
Am einfachsten zeigt sich der Unterschied an einem Beispiel: Nach den Annahmen von Finanzwende Recherche sterben heute 37jährige Frauen durchschnittlich im Alter von 93 Jahren und gleichaltrige Männer im Alter von 89 Jahren. Die Versicherer hingegen kalkulieren üblicherweise damit, dass ihre Versicherten sieben Jahre länger leben – und durchschnittlich 100 Jahre (Frauen) beziehungsweise 96 Jahre (Männer) alt werden. Fairerweise muss man anmerken, dass die Versicherer von Aufsicht angehalten sind, mit diesen Lebenserwartungen zu kalkulieren.
Finanzwende Recherche rechnet mit den maximalen Kostensätzen der Versicherer aus den Muster-Produktblättern. Ist das nicht unfair?
Nein, das sehen wir nicht so. Dass die Versicherer in den Muster-Informationsblättern die höchstmöglichen Kosten ausweisen müssen, ist vorgeschrieben. Aus gutem Grund: Diese Obergrenze ist der einzige Wert, auf den Kund*innen sich wirklich verlassen können. Das gilt bei Fondspolicen auch unabhängig davon, welche Fonds sie wählen.
Hinzu kommt: Die Versicherer haben es als Produktgeber selbst in der Hand, die Kosten zu drücken. Wer als Anbieter*in das Anlageuniversum für seine Versicherten mit kostengünstigen ETFs bestückt und teure Fonds meidet, sieht in den Musterblättern gleich besser aus – und tut seinen Kund*innen einen Gefallen.
Die Kosten vieler Fondspolicen sind schlicht zu hoch, um damit auf ordentliche Erträge zu kommen. Das hat auch die BaFin schon kritisiert. Bei einer marktweiten Untersuchung im Jahr 2022 fand die Aufsicht bei häufig verkauften Produkten in der Spitze sogar Effektivkosten oberhalb von 4 Prozent. Das ist enorm.
Kann ich selber einschätzen, welche Effektivkosten zu hoch sind?
Es lohnt sich auf die Kosten zu schauen, auch wenn es nicht ganz einfach ist. Die Effektivkosten in den Produktinformationsblättern sind nämlich keine feste Größe, sondern verändern sich – zum Beispiel je nach Laufzeit und erwarteter Wertentwicklung. Als Daumenregel für typische 30-Jahres-Verträge gilt: Alles unterhalb von 1 Prozent Effektivkosten ist sehr günstig, alles merklich oberhalb von 2 Prozent eher teuer.
Was kann ich tun, um meine Rentenrendite doch noch zu steigern?
Natürlich weiß niemand, wie lange er leben wird. Aber wer sein Geld schnell wieder raushaben will, sollte mit einer möglichst hohen Anfangsrente in den Ruhestand starten – und nicht auf zukünftige Rentensteigerungen setzen. Oft bieten Versicherer diese Möglichkeit zu Rentenbeginn über die Wahl des Überschusssystems an, das dann zum Beispiel „flexible Gewinnrente“ heißt.
Weil in diesem Fall von Anfang an mehr Geld zurück zu den Kund*innen fließt, lässt sich das eingezahlte Kapital samt Inflationsausgleich teilweise schon rund 10 Jahre früher zurück holen – oft mit 89 oder 90 Jahren. Das kann sich lohnen. Eine mögliche Nebenwirkung ihrer Entscheidung sollten Versicherte aber kennen: Falls die Versicherungsgesellschaft zukünftig die Überschüsse kürzt, sinkt dann auch ihre monatliche Rente.
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