Greenwashing

Windige Öko-Versprechen

Knapp zwei Milliarden Euro Anlegerverluste durch Investment-Flops

07.10.2021

Die Liste der gescheiterten Investments am grauen Kapitalmarkt in Deutschland ist lang. Beim größten Fall in der deutschen Geschichte, dem P&R-Skandal, standen fast 3,5 Milliarden Euro Geldanlagen im Feuer. Es ging um Schiffscontainer, die größtenteils schlichtweg nicht existiert hatten.

Der graue Kapitalmarkt ist ein kleiner Ausschnitt des Anlagemarkts, dessen Anbieter*innen nicht unter direkter staatlicher Aufsicht stehen. Sie bieten beispielsweise Direktinvestments, Unternehmensbeteiligungen, Nachrangdarlehen oder Genussrechte an. Das sind Anlageformen, die weniger stark reguliert sind als beispielsweise offene Publikumsfonds oder Sparkonten.

Auch als „ökologisch“ beworbene Vermögensanlagen des grauen Kapitalmarkts entpuppen sich regelmäßig als Reinfall. Der Wunsch vieler Anleger*innen, mit der Geldanlage gleichzeitig etwas Gutes für Klima und Umwelt zu tun, wird perfide ausgenutzt. Viele lassen sich durch ökologische Versprechen täuschen und schauen beim Finanziellen nicht so genau hin. Doch nur weil ein Investment ökologisch nachhaltig sein mag, muss es nicht automatisch auch finanziell nachhaltig sein. Im schlimmsten Fall droht der Totalverlust.

Anleger*innen verloren knapp zwei Milliarden Euro mit „ökologischen“ Investments

Wir haben nun erstmals Zahlen für die größten Flops bei als „öko“ angepriesenen Investments in der jüngeren Zeit zusammenstellen lassen. Die Ergebnisse sind frappierend: Anleger*innen haben schätzungsweise knapp zwei Milliarden Euro innerhalb der vergangenen zehn Jahre verloren. Und das betrifft nur die größten Fälle, sodass die tatsächlichen Zahlen mit Sicherheit höher liegen.

Info: Untersucht wurden Investments, die als nachhaltig oder ökologisch beworben werden oder wurden. Wir treffen keine Aussage über deren tatsächliche Nachhaltigkeit.

Ranking der drei größten Investment-Flops im Öko-Bereich

 

Anbieter*innen

Geschätzter Schaden

Branche

Prokon

Geschädigt: ca. 75.000 Anleger*innen

Circa 600 Millionen Euro Schaden

Windkraft
UDI

Geschädigt: ca. 10.000 Anleger*innen

Circa 150 Millionen Euro Schaden

Windkraft, Photovoltaik, Biogasanlagen
Windreich Circa 100 Millionen Euro Schaden Windkraft

1 | Prokon

  • Geschädigt: ca. 75.000 Anlegerinnen
  • Circa 600 Millionen Euro Schaden
  • Branche: Windkraft

2 | UDI

  • Geschädigt: ca. 10.000 Anleger
  • Circa 150 Millionen Euro Schaden
  • Branche: Windkraft, Photovoltaik, Biogasanlagen

3 | Windreich

  • Circa 100 Millionen Euro Schaden
  • Branche: Windkraft

Zu den Investment-Flops zählen wir eine Reihe von Anbieter*innen, bei denen Verluste in den nächsten Jahren wahrscheinlich sind. In diesen Fällen kam es schon zu ersten Zahlungsausfällen. Auch bei grün beworbenen Crowdfunding-Investments kam es bei mindestens 30 Projekten zu Ausfällen in Millionenhöhe.

Neben dem Schaden für die direkt Betroffenen untergraben solche Verluste mit Öko-Investments auch das Vertrauen in nachhaltige Geldanlagen insgesamt. Und das ist ärgerlich, denn für den nachhaltigen Umbau unserer Wirtschaft bedarf es enormer Investitionen, die auch durch private Ersparnisse finanziert werden könnten und sollten.

Die ganze Aufstellung der gescheiterten und heute schon mit Problemen behafteten grauen Öko-Investments finden Sie hier:

Beispiel UDI

Beim Anbieter UDI aus Nürnberg geht es um 17.000 Anleger*innen. Sie haben rund 500 Millionen Euro zur Finanzierung von Windparks, Biogasanlagen und Solarparks verschiedener Projektgesellschaften investiert (Quelle: Recherchen von investmentcheck.de). Es handelte sich in der jüngeren Vergangenheit dabei häufig um Nachrangdarlehen. Diese Darlehen stehen bei der Rückzahlung im Rang ganz weit hinten, sodass ihre Rückzahlung bei einer Schieflage des Unternehmens unwahrscheinlicher ist: Die Anleger*innen gaben der jeweiligen Gesellschaft einen Kredit, der später mit Zins und Tilgung zurückgezahlt werden sollte.

Ab 2018 geriet das Unternehmen zunehmend in eine finanzielle Schieflage und immer mehr der versprochenen Zinsenzahlungen wurden reduziert. Das lag daran, dass einige der Anlagen nicht so viel einbrachten wie angenommen und einzelne Projektgesellschaften wie die UDI Otzberg-Nieder-Klingen pleitegingen. Daraufhin wurden finanzielle Löcher mit frischem Anlegergeld gestopft.

Im Oktober 2020 kaufte schließlich ein Investor die Firma, um sie zu sanieren – jedoch ohne Erfolg. Er versuchte, die Anleger*innen zur Rettung der Gesellschaft zu einem Verzicht auf bis zu 87 Prozent ihres Kapitals zu drängen. So sollten die Investor*innen wenigstens einen Bruchteil ihres Geldes wiedersehen.

Im Mai und Juni 2021 ordnete die BaFin schließlich die Einstellung und Abwicklung einiger Anlagegesellschaften wegen unerlaubt betriebener Geschäfte an. Diese meldeten daraufhin Insolvenz an. Jetzt ist für die vielen Anleger*innen ungewiss, wie viel von ihrem Geld sie je wiedersehen.

Beispiel ThomasLloyd

Das Unternehmen bietet geschlossene Fonds und andere Anlagevehikel an. Diese sollen durch die Finanzierung nachhaltiger Infrastrukturanlagen wie Solarparks und Biomassekraftwerke in Asien Gewinne erwirtschaften. Anleger*innen haben rund 1,5 Milliarden Euro investiert (Stand Ende 2020, Quelle: Stefan Loipfinger, Recherche im Auftrag von Finanzwende). Konkret legen die Fonds die Anlegergelder als stille Einlagen in anderen ThomasLloyd-Gesellschaften an. Von dort geht das Geld in andere Gesellschaften, die dann die tatsächlichen Vermögenswerte wie beispielsweise Solaranlagen halten.

Die Fonds wurden mit ungewöhnlich hohen Renditeversprechen von bis zu elf Prozent vermarktet – in den letzten Jahren blieben die Ausschüttungen jedoch bei einigen Produkten aus. Der Anbieter*innen ist weiterhin aktiv, doch ein Blick in die Geschäftszahlen fördert erhebliche Ungereimtheiten zu Tage: Die finanzierten Anlagen warfen weniger ab, als optimistisch prognostiziert wurde. Deshalb wurden Ausschüttungen an Anleger*innen substanziell durch Rückzahlungen von Einlagen gespeist.

Das kann aber auf Dauer nicht gutgehen, denn so schrumpft das angelegte Vermögen der Projektgesellschaften zusammen – sodass das Vermögen am Ende nicht mehr ausreichen könnte, um alle Einlagen vollständig zurückzuzahlen. Bei älteren Anlagemodellen hat sich das zum Teil schon realisiert und Anleger*innen mussten einer quasi alternativlosen Verschmelzung mit einer neuen Gesellschaft in London zustimmen.

Nicht alle machen Verluste

Gleichzeitig kassiert ThomasLloyd enorme Summen für Kosten und Gebühren, sowohl auf Ebene der Projektgesellschaften als auch bei den Fonds. Über 75 Millionen Euro waren dies allein im Jahr 2019. Den Anleger*innen werden umgekehrt Gewinne vorgerechnet, die durch Verkäufe innerhalb der ThomasLloyd-Gruppe entstanden, was Kritiker*innen als Bewertungstricks bezeichnen.

Diese Ungereimtheiten werfen kein gutes Licht auf den Anbieter. Angesichts der erstaunlichen Geschäftszahlen besteht der Verdacht, dass die Vermögenswerte nicht alle Anlegermittel komplett abdecken. Es ist also zu befürchten, dass es früher oder später zu massiven Ausfällen kommen könnte.

Wie kommt es, dass solche Fälle immer wieder passieren?

Zum einen ist der sogenannte graue Kapitalmarkt nicht so stark reguliert wie andere Bereiche des Finanzmarkts. Zusätzlich hat sich die Finanzaufsicht BaFin bisher bei der Aufsicht über die Anbieter*innen von Vermögensanlagen nicht mit Ruhm bekleckert und oftmals ihre Befugnisse gar nicht ausgeschöpft.

Und zu guter Letzt haben Anbieter*innen, die finanziell unsolide arbeiten, ein großes Budget für den Vertrieb, das sie im Zweifel auch aus Anlegergeldern speisen. Seriösen Anbieter*innen, die die Mittel ihrer Kund*innen so anlegen, dass sie sie am Ende sicher wieder zurückzahlen können, wäre ein derartig verschwenderischer Vertrieb gar nicht möglich.

Europäischer Standard in Sachen Nachhaltigkeit

Bald wird es europaweit bessere Regeln für nachhaltige Geldanlagen und eine gemeinsame europäische Definition von Nachhaltigkeit geben. Das ist ein wichtiger Schritt, denn bei nachhaltigen Geldanlagen herrscht bisher viel Intransparenz und Unklarheit.

Doch eine reine Begrünung der Finanzmärkte im Sinne von Sustainable Finance geht nicht weit genug und hilft bei den hier beschriebenen Investment-Flops nicht weiter. Fälle wie UDI oder Prokon hätte das nicht verhindern können. Deshalb braucht es eine tiefgehende Reform der Finanzmärkte – für soliden Verbraucherschutz, Finanzberatung im Sinne von Anleger*innen und ohne Interessenkonflikt und härtere Maßnahmen gegen betrügerische Angebote.

Vor kurzem wurde ein Verbot sogenannter Blind-Pools verabschiedet. Das heißt, dass Anbieter*innen von nun an ein konkretes Anlageobjekt benennen müssen, wenn sie Geldanlagen bewerben. Das ist ein guter erster Schritt zu mehr Anlegerschutz am grauen Kapitalmarkt, reicht aber allein noch nicht aus.

Wie könnten Investment-Flops im Öko-Bereich in Zukunft verhindert werden?

  • Der kollektive Verbraucherschutzauftrag der Finanzaufsicht BaFin könnte gestärkt und die Kriminalitätsbekämpfung vorangetrieben werden.
  • Eine ergänzende Option ist, dass die Inhalte des Verkaufsprospekts inklusive der Überprüfung der Plausibilität der Ertragsprognose durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer*innen begutachtet werden.
  • Bisher von den Anbieter*innen bezahlte Ratings und Analysen könnten durch eine unabhängige Stelle beauftragt werden, um Interessenkonflikte zu vermeiden.

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