Basiskonto

Die Erfolge des Basiskontos werden verspielt

16.04.2021

  • Vor fünf Jahren wurde das Gesetz zur Einführung des Basiskontos verkündet. Es soll den Kontozugang für alle Bürger*innen gewährleisten.
  • Doch der Anspruch auf ein Konto existiert mitunter nur noch auf dem Papier, weil die Banken an der Gebührenschraube drehen können. Schuld sind die unzureichende Gebührenregelung und eine schläfrige Finanzaufsicht.
  • Es steht zu befürchten, dass sich der Trend zu steigenden Gebühren beim gewöhnlichen Girokonto und damit auch beim Basiskonto noch weiter fortsetzt.

Das Basiskonto ist eine Erfolgsgeschichte. Eigentlich. Durch das vor fünf Jahren verkündete Zahlungskontengesetz wurde vielen bisher kontolosen Verbraucher*innen in Deutschland zu einem solchen Konto verholfen. Mitte 2020 waren seit Inkrafttreten des Gesetzes rund 761.500 Basiskonten eröffnet worden. Insbesondere einkommensschwachen Menschen soll dieses Kontomodell zugutekommen – und sozialer Ausgrenzung entgegenwirken. Für viele Alltagsgeschäfte vom Gehaltseingang bis zur Mietüberweisung ist ein eigenes Konto notwendig.

Die Einrichtung eines Basiskontos für Verbraucher*innen kann eine Bank nur in wenigen Ausnahmefällen ablehnen. Dies ist vor dem Hintergrund der Bedeutung eines Kontos für unseren Alltag auch der einzig richtige Weg. Der in Deutschland erreichte Erfolg mit der Schaffung eines subjektiven Rechts auf ein Basiskonto wird jedoch aufs Spiel gesetzt, wenn sich Viele ein Basiskonto gar nicht mehr leisten können. Dies war schon vor 5 Jahren vorhersehbar.

Defizit 1: die Entgeltregelung im Gesetz

Im Gesetz fehlt eine konkrete Vorgabe, bis zu welcher Höhe ein Entgelt für Basiskonten erhoben werden darf. Es wurde nur geregelt, dass das Entgelt für die vom Basiskonto erfassten Dienste im Einzelfall „angemessen“ sein soll. Was diese Formulierung konkret bedeutet, wurde jedoch nicht genauer ausbuchstabiert.

Während die Legislative also keine Höchstgrenze festlegte, sind andere EU-Länder einen verbraucherfreundlicheren und praktikableren Weg bei der Umsetzung der Zahlungskontenrichtlinie gegangen. In Frankreich und beim früheren EU-Mitglied Großbritannien werden Basiskonten entgeltfrei angeboten. Österreich deckelte die Entgelte auf niedrigem Niveau.

Ganz anders ist das Bild in Deutschland: Die Stiftung Warentest hat sich im November 2020 die Basiskonten von 128 Banken vorgenommen. Ihr Ergebnis: Wer arm ist und kein regelmäßiges Einkommen hat, zahlt für ein Girokonto – bei gleichem Nutzungsverhalten  – oft mehr als Gehalts- und Rentenempfänger*innen. 47 Banken verlangten nach dieser Untersuchung mehr als 100 Euro im Jahr. Bei den teuersten Instituten kostete die Kontoführung mehr als 200 Euro im Jahr.

Und es steht zu befürchten, dass sich zu den 47 Banken zukünftig noch einige Institute hinzugesellen, wenn nicht gegengesteuert wird. Ganz allgemein merken derzeit sehr viele Kontoinhaber*innen, dass die Kontogebühren steigen. Die Banken stehen gegenwärtig unter Druck, weil unter anderem das Brot-und-Butter-Geschäft des Zahlungsverkehrs kaum mehr Erträge generiert. Das Drehen an der Gebührenschraube wird deshalb wohl weitergehen, auch bei den Basiskonten.

Die Gefahren sind erheblich: Einkommensschwächere Menschen könnten sich dann bei noch mehr Banken kein Basiskonto mehr leisten. Die Gebühren würden von den Banken noch öfter als schon bislang als Abwehrmechanismus eingesetzt. Es ist nicht einmal ausgeschlossen, dass sich über solche Entgelte de facto der alte Zustand vor Inkrafttreten des Gesetzes durchsetzen lässt. Das hieße: kein Anspruch der Verbraucher*innen auf ein bezahlbares Konto. So eine Entwicklung hätte angesichts der Bedeutung von Konten enorme Folgen für viele Menschen.

Insofern wäre die Politik gefordert, im Sinne der Verbraucher*innen den Begriff der Angemessenheit klar zu definieren. Dazu müsste man sich allerdings von der Quadratur des Kreises verabschieden, die das Gesetz bisher anstrebt. Denn dem sozialpolitischen Ziel gerecht zu werden und zugleich den Interessen der Kreditwirtschaft entsprechen zu wollen, kann nur schiefgehen. In der Begründung des damaligen Regierungsentwurfs wird in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass ein Entgelt dann als angemessen erscheint, „wenn es im Durchschnitt die Kosten der Institute deckt und ihnen einen angemessenen Gewinn sichert“ (S. 86). Parallel dazu dann den sozialen Aspekten genügen zu wollen, wird unter den aktuellen Marktbedingungen immer schwieriger.

Defizit 2: die Reglosigkeit der Finanzaufsicht BaFin

Doch nicht nur die Umsetzung der Gebührenregelung für das Basiskonto im Gesetz hat Schwachstellen, sondern auch das Agieren der Finanzaufsicht. Ein Eingreifen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wäre nötig, weil auf dem Rechtsweg keine schnelle und umfassende Klärung erreicht werden kann. Einzelurteile wie zu den illegalen Gebühren für das Basiskonto der Deutschen Bank helfen zwar einzelnen Verbraucher*innen, können den verbreiteten Missstand überhöhter Gebühren jedoch nicht flächendeckend beenden. Genau dafür braucht es die Finanzaufsicht.

Die BaFin besitzt die nötigen Instrumente, gegen eine nicht gesetzeskonforme Praxis beim Entgelt vorzugehen und (wenn es darauf ankommen sollte) das Basiskonto zu retten. Die Aufsicht könnte mit verschiedenen Maßnahmen aus der sogenannten Missstandsaufsicht beziehungsweise dem kollektiven Verbraucherschutz gegensteuern –  wenn sie beide Aufsichtsziele ernst nähme. Sie kann Institute anweisen, ihr Entgelt anzupassen, wenn die Preisgestaltung unangemessen ist.

Bereits am 15. 12.2017 hatte die BaFin in einem Artikel verdeutlicht, dass die Begrenzung der Entgelte für Basiskonten auf eine angemessene Höhe eine grundlegende Voraussetzung dafür ist, allen Berechtigten Zugang zu einem Zahlungskonto zu verschaffen. Ein Institut, das bei den Gebühren diese Anforderungen nicht hinreichend berücksichtigt, verletzt also seine Pflichten nach dem Gesetz. Und zwar nicht nur gegenüber einzelnen Kund*innen, sondern auch generell. Die BaFin zeigte sich durchaus bereit einzugreifen.

Von dieser Auffassung hat sich die Finanzaufsicht leider mittlerweile verabschiedet. Um nicht tätig werden zu müssen, hat die BaFin die Hürden für ihr Eingreifen künstlich mit fragwürdigen Einschätzungen hochgeschraubt, ohne dass ein solches Gebaren eine rechtliche Stütze hätte. Es ist eben nicht erst die „ultima ratio“ Anordnungen zu treffen, um solche Verstöße zu ahnden.

Ganz im Gegenteil: Die BaFin kann und sollte schleunigst aktiv werden, um für Menschen mit wenig Geld einen Kontozugang zu sichern. Dazu muss sie die Missstandsaufsicht ernst nehmen. Es reicht nicht, Missstände zu erkennen, möglicherweise schon in wenigen Wochen auch durch die neue Möglichkeit, Testkäufe in Banken durchzuführen, sondern die Missstände müssen auch behoben werden.

FAZIT

Fünf Jahre nach Verkündung der Regelungen für das Basiskonto müssen entweder die Politik oder die Finanzaufsicht aktiv werden. Andernfalls droht der Glanz der damaligen Neuregelung endgültig zu verblassen. Es wäre ein Jammer angesichts der Bedeutung des Basiskontos für weniger betuchte Menschen. Hier muss der Verbraucherschutz endlich gelebt werden.

Dieser Beitrag wurde mit der Unterstützung von Michael Findeisen, ehemaliger Referatsleiter im Bereich Geldwäsche und Zahlungsverkehr des Finanzministeriums, verfasst. Seine ausführliche Analyse zu den Defiziten beim Basiskonto finden Sie hier.

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