7 Fakten zur Riester-Rente
… und was Verbraucher*innen darüber wissen sollten
Fakt 1: Rasanter Start
1,4 Millionen
Riester-Verträge hatte die Versicherungswirtschaft bereits verkauft, bevor es überhaupt richtig los ging – also schon vor dem eigentlichen Start zum Jahresbeginn 2002.
Am Anfang schnurrte die Verkaufsmaschinerie, um die neue staatliche geförderte Zusatzrente unters Volk zu bringen: Die erste Million Riester-Verträge war verkauft, bevor die Förderung im Jahr 2002 startete. Das belegt die Statistik des Bundessozialministeriums. Auch diese sehr frühen Verträge aus 2001 starteten regulär übrigens erst mit dem Beginn der Förderung, also im Januar 2002.
Was viele Verbraucher*innen nicht wissen: Wer eine der frühen Riester-Versicherungen besitzt, erhielt bei klassischen Verträgen damals für die gesamte Laufzeit eine Zinszusage von 3,25 Prozent auf den Sparbeitrag – und damit erheblich mehr sicheren Zins als heutige Angebote (zum Vergleich: 0,9 Prozent). Das gesetzlich festgelegte Minimum für die Auszahlung gilt aber nach wie vor: Spätestens zum Rentenbeginn müssen die Anbieter*innen alle Einzahlungen – also eingezahlte Beiträge zuzüglich der staatlichen Zulagen – garantieren.
Fakt 2: Fette Förderung
50 Milliarden
Euro an Förderung sind seit 2002 schätzungsweise an Riester-Sparer*innen geflossen – entweder in der Form von direkten Zulagen oder als Steuerentlastung.
Den größten Anteil an der Förderung machen die ausgezahlten Zulagen aus, zusammengerechnet mehr als 35 Milliarden Euro. Dazu zählen Grund- und Kinderzulagen sowie der Bonus für Berufseinsteiger*innen. Die Steuerentlastung betrug bis 2018 zusammengerechnet zusätzlich knapp 12 Milliarden Euro. Neuere Zahlen gibt es nicht. Alles in allem dürften bis heute schätzungsweise rund 50 Milliarden Euro in die Riester-Rente geflossen sein.
Was viele Verbraucher*innen nicht wissen: Die staatliche Förderung für die Riester-Verträge stammt aus Steuergeldern. Je nach Anbieter*in und Vertragskonstellation können hohe Vertriebs- und Verwaltungskosten die staatlichen Zulagen allerdings vollständig aufzehren.
Am ehesten kommt das bei Riester-Sparer*innen vor, die einen teuren Vertrag besparen und lediglich eine Grundzulage von bis zu 175 Euro erhalten. Allein die Verwaltungskosten übersteigen diese Summe öfter, zeigen vorliegende Fälle. Bei Anlegenden mit Kinderzulagen ist dieser Effekt hingegen selten.
Hart trifft die Gebührenlast bei Versicherungen vor allem Sparer*innen in den Anfangsjahren, wie die Praxis zeigt: Von rund 8500 eingezahlten Euro lagen in einem Fall nach den ersten vier Vertragsjahren nur rund 5700 Euro auf dem Vorsorgekonto – der Rest, rund ein Drittel der Einzahlungen, ist in Gebühren geflossen.
Ob die jährlichen Kosten der Anbieter*innen die staatlichen Zulagen übersteigen, können Sparende anhand der jährlichen Abrechnung nachvollziehen. Aber Vorsicht: Selbst wenn die Gebühren höher liegen als die Förderung, ist das allein noch kein Grund, den Vertrag zu kündigen oder ruhend zu stellen. Bevor sie etwas unternehmen, sollten sich Riester-Sparer*innen immer individuell beraten lassen – zum Beispiel bei der Verbraucherzentrale oder beim Bund der Versicherten.
Fakt 3: Kleine Beträge, kleine Renten
1009,41 Euro
an Einzahlungen fließen durchschnittlich pro Jahr in Riester-Verträge – gemittelt über alle Vertragsarten wie Bank- oder Fondssparpläne, Wohn-Riester und Versicherungen.
Die staatlichen Zulagen sind in diesem Betrag schon eingerechnet. Diese Daten nannte das Bundesfinanzministerium im vergangenen Mai für das Beitragsjahr 2017. Bei Riester-Versicherungen belief sich der Durchschnittswert übrigens nur auf rund 940 Euro jährlich.
Was viele Verbraucher*innen nicht wissen: Kleine Einzahlungen führen zu kleinen Renten, die ab dem Rentenbeginn auch noch vollständig versteuert werden müssen. Obendrein liegen die Renditen von Riester-Renten heute häufig niedriger als ursprünglich einmal von der Bundesregierung angenommen. Damals ging man von vier Prozent Ertrag pro Jahr aus. Auch deshalb springt vielfach weniger für Riester-Sparende heraus als gedacht.
Wie sich das auf die Rente auswirkt, zeigt ein Praxisbeispiel: Eine Person arbeitet in Teilzeit (Jahreseinkommen: 22.375 Euro) und zahlt 16 Jahre lang monatlich 60 Euro in ihre Riester-Rentenversicherung. Ab dem Alter 65 erhält sie dafür monatlich eine garantierte Rente von 44 Euro – zuzüglich etwaiger Überschüsse. Dass es bislang oft nur kleine Auszahlungen gibt, bestätigen auch Presseberichte.
Um ihre Riester-Rente realistisch einzuschätzen, sollten Vorsorge-Sparer*innen die Entwicklung ihres Guthabens verfolgen – und bei den ausgewiesenen Summen auch die Abzüge für Steuern und die Inflation nicht vergessen.
Fakt 4: Immer weniger Angebote
0,25 Prozent
soll der Garantiezins für Riester-Policen ab dem Januar 2022 betragen, der auf den Sparanteil gezahlt wird. Mehr dürfen die Versicherer dann nicht mehr garantieren. Zurzeit liegt der Höchstsatz noch bei 0,9 Prozent.
Die Änderung klingt minimal, hat aber enorme Auswirkungen auf die Produktlandschaft: Viele Versicherer dürften sich zum Jahresbeginn wegen der Zinssenkung aus dem Riester-Geschäft verabschieden. Der Grund: Mit einem garantierten Zins von 0,25 Prozent schaffen es die meisten Gesellschaften nicht mehr, den vorgeschriebenen Erhalt der eingezahlten Beiträge zum Rentenbeginn sicherzustellen. Das gelingt dann bestenfalls noch sehr kostengünstigen Anbieter*innen. Für den Chef des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, Jörg Asmussen, führt die Zinssenkung daher letztlich zu einer „De-facto-Beerdigung der Riester-Rente“.
Was viele Verbraucher*innen nicht wissen: Schon heute verkaufen viele Anbieter*innen keine Riester-Angebote mehr – allen voran Banken und auch immer mehr Versicherer. Gerade bei klassischen Riester-Rentenversicherungen ist das Angebot seit Jahren immer weiter geschrumpft – laut Stiftung Warentest allein in den zehn Jahren bis 2019 von 53 auf 15 Offerten.
Einige Unternehmen behelfen sich anders. Sie offerieren Kund*innen nur noch Verträge mit langen Laufzeiten ab 20 oder 30 Jahre, weil die enormen Anfangskosten verteilt über viele Jahre nicht so stark ins Gewicht fallen. Dieser Trend setzt sich fort: Ab dem 1. Juli verlangt beispielsweise Union Investment für seinen Riester-Fondssparplan Uniprofirente eine Mindestlaufzeit von 20 Jahren. Viele Kund*innen im Alter ab 45 oder 50 Jahren bekommen also schon heute keinen Riester-Vertrag mehr bei ihrem gewünschten Unternehmen.
Fakt 5: Volle Zulage ist seltener als gedacht
5,7 Millionen
Riester-Sparer*innen erhielten nach der aktuellsten Auswertung des Bundesfinanzministeriums im Jahr 2017 die volle Riester-Zulage für ihren Vertrag. Das bedeutet: Nur etwa jede dritte Person erhielt die volle staatliche Zulage. Für mehr als fünf Millionen Sparende hingegen ist die Zulage reduziert, weil sie nicht den vollen Eigenbeitrag einzahlen. Andere haben ihren Vertrag ruhend gestellt oder gar keine Zulage beantragt.
Was viele Verbraucher*innen nicht wissen: Weil sich die Zulagenförderung am Bruttoeinkommen des Vorjahres bemisst, müssen Riester-Verträge etwa nach Gehaltserhöhungen oder der Geburt eines Kindes regelmäßig angepasst werden. Den vollen Bonus erhält zudem nur, wer den so genannten Mindesteigenbeitrag leistet. Dafür müssen vier Prozent des Vorjahreseinkommens abzüglich Zulagen eingezahlt werden. Als Minimum sind 60 Euro pro Jahr selbst zu zahlen, der Maximalbetrag (inklusive Zulagen) liegt bei 2100 Euro.
Fakt 6: Viel verkauft, wenig geblieben
6,4 Millionen
Riester-Rentenversicherungen sind im Laufe der letzten 20 Jahre irgendwann einmal verkauft worden, dann aber auf der Strecke geblieben – zum Beispiel, weil die Sparenden den Vertrag wieder gekündigt haben.
Insgesamt haben die Lebensversicherer nach der jährlichen Statistik ihres Gesamtverbandes seit dem Startjahr 2002 gut 16,8 Millionen Riester-Renten verkauft. In ihren Büchern führen sie heute aber nur noch rund 10,4 Millionen Verträge. Das bedeutet: Nahezu vier von zehn Riester-Versicherungen sind mittlerweile gekündigt worden.
Was viele Verbraucher*innen nicht wissen: Wer eine Riester-Versicherung vorzeitig kündigt, muss für Abschlusskosten wie Provisionen aufkommen – zumindest teilweise. Abschlusskosten werden rechnerisch üblicherweise anteilig über die ersten fünf Jahre verteilt; jedes Jahr stottern die Kund*innen also ein Fünftel ab. Eine Person, die ab Jahr sechs aus dem Vertrag aussteigt, hat die Spesen über ihre Beiträge vollständig bezahlt. Entsprechend wenig landet anfangs denn auch auf dem Vorsorgekonto.
Fakt 7: Vertrauensfrage
58 Prozent
der Deutschen würden gerne privat mehr für ihr Alter vorsorgen, sie vertrauen den meisten Angeboten am Markt aber nicht. Das ergab eine Emnid-Umfrage im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands vor zwei Jahren.
Der Vertrauensvorschuss der Riester-Rente ist demnach bei vielen Kund*innen aufgebraucht – trotz der staatlichen Förderung. Im Laufe der Jahre ärgerten sich viele Sparende über Schwierigkeiten bei der Vertragsauswahl, was auch psychologisch eine Hürde darstellt. Hinzu kamen hohe Kosten. Anders formuliert: Die Menschen sind auf der Suche nach vertrauenswürdigen Angeboten. Laut Umfrage plädieren rund drei Viertel der Verbraucher*innen für ein staatlich organisiertes privates Vorsorgeangebot ohne Abschlussprovisionen, in das sie zusätzlich zur gesetzlichen Rente einzahlen können.
Ganz oben auf der Wunschliste für ein staatlich organisiertes Angebot stehen der Emnid-Umfrage zufolge bei drei von vier Personen: möglichst geringe Kosten, ein möglichst einfacher Vertragsabschluss und Flexibilität in der Auszahlungsphase.
Was viele Verbraucher*innen nicht wissen: Riester-Sparverträge werden überwiegend als lebenslange Rente ausgezahlt – und alle Kund*innen müssen für die Absicherung ab dem Alter 85 eine Rentenversicherung abschließen. Das ist obligatorisch und häufig teuer. Es führt dazu, dass alle Riester-Sparenden spätestens zum Rentenstart Versicherungskund*innen werden – auch dann, wenn sie ihr Alterspolster in einem Bank- oder Fondssparplan angespart haben.
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Der Finanzkonzern, der auf Provisionsbasis Finanzverträge unter anderem an Studierende vermittelt, steht für seine Vermittlungsmethoden an junge Menschen seit Jahren in der Kritik. In Kooperation mit Universitäten bietet MLP kostenlose Seminare an, die zum Verkauf von Finanzprodukten dienen.
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