Digitalbanken und Online-Broker
Das große Geschäft per App
Klarna, Paypal, Trade Republic – neue, digitale Finanzunternehmen begegnen einem derzeit überall: Beim Online-Shopping, auf U-Bahn-Plakaten oder im Gespräch mit Nachbar*innen, die in Aktien investieren. Aber was hat es mit den neuen Finanzunternehmen auf sich? Wie unterscheiden sie sich von traditionellen Banken? Und was macht sie so erfolgreich?
Die neuen Finanz-Player
Zu Sparkassen und Großbanken gesellen sich seit einigen Jahren Neobanken, Neobroker und andere Fintechs. Die Silbe „Neo“ (neu) steht für die neuartigen Geschäftsmodelle, die im Vergleich zu den alteingesessenen Geschäftsbanken ausschließlich online arbeiten. Sie schaffen selten neue Finanzdienstleistungen oder -produkte. Stattdessen verändern sie mithilfe technologischer Innovation die Form der Dienstleistung oder des Produkts.
Das Ergebnis sind in den meisten Fällen moderne, attraktiv gestaltete und an die Kund*innen angepasste Angebote. Sie zielen vornehmlich auf junge, digitalaffine Kund*innen und zeichnen sich durch kostengünstige Tarife aus. Und das mit Erfolg: Der Fintech-Sektor verzeichnet seit 2015 ein jährliches Wachstum von durchschnittlich 120 Prozent. Im Bereich Banking und Anlage liegt das Wachstum im Schnitt sogar bei 264 Prozent.
Erfolgsmodell: Spezialisierung
Neben digitalen und innovativen Lösungen setzen Fintechs im Vergleich zu traditionellen Banken auf Spezialisierung. Sie streben keine allumfassende Produktpalette an, sondern konzentrieren sich auf einzelne Dienstleistungen und Produkte. Das können Produkte sein, die direkt auf den Kundenkontakt zielen, wie eine Online-Banking-App. Das Bankgeschäft selber wird dabei im Hintergrund von einer anderen Bank betrieben. Oder es handelt sich um digitale Lösungen für den Maschinenraum von Finanzunternehmen, beispielsweise Softwarelösungen für das Kernbankensystem.
Wenn das Kernprodukt etabliert ist, erweitern viele Fintechs ihr Programm um weitere Angebote. Das ständige Vortasten, Testen und Verbessern von ihrem Kernprodukt erlaubt es ihnen, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren – und dort richtig gut zu werden. So können sie sehr attraktive Produkte anbieten, die mit Dienstleistungen der etablierten Finanzinstitute konkurrieren können.
Vorteile für Verbraucher*innen
Für die Verbraucher*innen bedeutet der verstärkte Wettbewerb zwischen alten und neuen Banken auf den ersten Blick oftmals eine Verbesserung des Angebots. Die neuen Produkte sind einfacher, individualisierter und bequemer. Neobroker zum Beispiel ermöglichen es, Aktienhandel zu jeder Zeit und zu geringen Preisen von der Couch aus zu betreiben. Auch das neue Girokonto kann bei Neobanken online eröffnet werden, die Identifizierung erfolgt über Video oder Foto.
Viele Digitalbanken und Fintechs setzen auf Kooperation mit Nicht-Banken. Digitalbanken bieten das eigentliche Bankgeschäft im Hintergrund an und ermöglichen es so, ein Bankkonto beim Supermarkt oder die Kreditkarte beim Kaufhaus zu beantragen.
So bietet zum Beispiel Spaniens größtes Kaufhaus El Corte Inglés eine eigene Kreditkarte an, die im Hintergrund von Mastercard betrieben wird. Kund*innen können beim Bezahlen im Kaufhaus Punkte sammeln, aber auch anderswo damit zahlen. So wachsen Finanzdienstleistungen bequem in den Alltag hinein. Die direkte Beziehung zur Hausbank wird überflüssig. Die Grenzen zwischen Finanzen und anderen Sektoren verschwimmen.
Neue Risiken für Verbraucher*innen und Aufsicht
Die veränderte Marktstruktur birgt aber auch Risiken für Verbraucher*innen und die Finanzstabilität an sich. Für Konsument*innen sind die wachsenden Angebote wie Wertpapierhandel zum Nulltarif und Finanzierungen wie „Kaufe jetzt, zahle später“ („Buy now pay later“) verführerisch. Die schnelle Bedienung sowie spielerische Elemente wie das Sammeln von Punkten oder der Versand von Emoticons bei einer Geldsendung können den Kaufvorgang bagatellisieren. Der finanzielle Aspekt wird quasi unsichtbar, denn die spielerischen Elemente treten in den Vordergrund. Das begünstigt einen verantwortungslosen Umgang mit Geld – und letzten Endes auch Ver- und Überschuldung.
Die wachsende Komplexität birgt überdies Risiken für die Stabilität des Finanzmarktes insgesamt. So auch die zunehmende Verflechtung des Finanzsektors mit anderen Sektoren. Eine effektive Aufsicht wird erschwert, wenn hinter einem Finanzprodukt eine Vielzahl kleiner Fintechs steckt, die Teilaufgaben von der Kartenbereitstellung über die Onlinebanking-App bis hin zum Identifikationsverfahren übernehmen. Auch die Gesetze müssen sich an die neuen Strukturen anpassen. Das gilt etwa für neuartige Geschäftsmodelle, die regulatorisch erst definiert und eingegliedert werden müssen. Insbesondere bei Fintechs, die mit Kryptotechnologie arbeiten, gibt es noch viele regulatorische Grauzonen.
Nicht alles, was glänzt, ist Gold
Hinzu kommt, dass viele Fintechs ein Problem mit ihrer Profitabilität haben. Neueste Studien zeigen, dass derzeit nur etwa fünf Prozent der Neobanken weltweit überhaupt profitabel sind. Das sind gerade mal 25 von geschätzten 400 Neobanken weltweit. Niedrige Einstiegshürden für Kund*innen – wie die Kontoeröffnung per App – führen zu vielen inaktiven Nutzer*innen und unklaren Ertragsmodellen.
Gleichzeitig übersteigen die Marktbewertungen dieser Unternehmen teilweise die der alteingesessenen Banken. So war die Neobank N26 Ende 2021 kurzzeitig wertvoller als die Commerzbank. Dabei hatte N26 damals weniger als die Hälfte der Kund*innen und nur einen Bruchteil der Bilanzsumme der Commerzbank. Selbst Negativschlagzeilen und Skandale wie bei N26 und über viele Jahre auch bei Wirecard haben zu keiner nennenswerten Korrektur des Marktwerts geführt. Man kann daher in vielerlei Hinsicht zurecht von einem Fintech-Hype sprechen.
Übersicht behalten, Kompetenzen stärken und Verantwortungen festlegen
Es ist nicht zu leugnen: Die neuen, digitalen Geschäftsmodelle können viele Schwachstellen des Finanzsektors verbessern. Sie machen ihn effizienter, kostengünstiger und inklusiver. Aber der einfache Zugang bringt auch Risiken mit sich. Die bequeme Bedienung und günstige Inanspruchnahme von Kaufe-jetzt-zahle-später-Angeboten kann verführerisch sein und Überschuldung begünstigen. Der Finanzmarkt wird komplexer und unübersichtlicher, mit Folgen für eine effektive Aufsicht und letztlich die Finanzstabilität.
Damit der Hype nicht in einem lauten Knall endet, müssen neue Geschäftsmodelle von der Finanzaufsicht verstanden und gesetzlich angemessen begleitet werden. Das bedeutet, dass gerade in den Fällen, wo mehrere Unternehmen Finanzdienstleistungen gemeinsam anbieten, Haftung und Aufsicht klar zugeteilt werden. Dafür müssen die technologische Kompetenz bei den Behörden gestärkt und der frühzeitige Austausch zwischen Finanzaufsicht und Fintechs gefördert werden.
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