CumEx CumCum

Steuerraub CumEx und CumCum

01.02.2021

  • CumEx-Geschäfte sind Aktiendeals, bei denen der Staat um Milliarden betrogen wurde, indem er mehrmals eine nur einmal gezahlte Steuer erstattete.
  • Der Schaden von CumEx beläuft sich nach aktuellen Schätzungen allein in Deutschland auf mindestens 10 Milliarden Euro, der von den verwandten CumCum-Geschäften auf über 28 Milliarden Euro – der größte Steuerraub der deutschen Geschichte.
  • Aktuell läuft in NRW die rechtliche Aufarbeitung der CumEx-Geschäfte; die Behörden kämpfen mit personeller Unterbesetzung und drohender Verjährung.

Wie funktionierten die CumEx-Geschäfte?

Bei CumEx-Geschäften handelt es sich um Aktiendeals, bei denen der Staat betrogen wurde, indem er mehrmals eine nur einmal gezahlte Kapitalertragssteuer erstattete. Aktienpakete wurden dafür um den Dividendenstichtag herum gehandelt, also mit (Cum) und ohne (Ex) Dividendenanspruch. Durch ein Verwirrspiel mehrerer Akteur*innen wurde es unklar, wer Anspruch auf die Rückerstattung der automatisch abgeführten Kapitalertragssteuer hatte. Am Ende wurde sie mehrfach erstattet, die Akteur*innen teilten sich die Beute.

Für das klassische CumEx-Geschäft ab 2008 braucht es drei beteiligte Banken, nennen wir sie Bank A, Bank B und Bank C, und eine deutsche Aktie. Diese Aktie ist zu Beginn in Besitz von Bank C. Es gibt drei Schritte:

  1. Kurz vor dem Dividendenstichtag kauft die in Deutschland ansässige Bank A formal die Aktie mit („Cum“) Dividendenanspruch (Gewinnbeteiligungsanspruch) von der ausländischen Bank B. Die deutsche Bank A kauft die Aktie „leer“, weil die ausländische Bank B die Aktie zum Verkaufszeitpunkt noch gar nicht besitzt (sie gehört Bank C). Laut Kaufvertrag hat die Aktie mit („Cum“) Dividendenanspruch die Eigentümerin gewechselt und gehört jetzt Bank A.
  2. Jetzt zahlt das Unternehmen eine Dividende an Bank C, welche ja die Aktie hält. Bank C muss 25% Kapitalertragssteuer auf die Dividende zahlen, bekommt dafür aber eine Steuerbescheinigung und kann sich den Betrag unter bestimmten Umständen (z.B. durch Verrechnung mit Verlusten und Kosten aus anderen Wertpapiergeschäften) wieder vom Finanzamt zurückerstatten lassen. Die Aktie wird jetzt zum „Ex“-Preis, das heißt ohne Dividendenanspruch, gehandelt.
  3. Nach dem Dividendenstichtag muss die ausländische Bank B der deutschen Bank A die am Tag vor der Hauptversammlung „leer“ verkaufte Aktie liefern. Dazu kauft Bank B die Aktie von Bank C zum „Ex“-Preis ab und liefert sie direkt an Bank A. Da Bank A die Aktie aber kurz vor der Dividendenauszahlung mit Dividendenanspruch (also zum „Cum“-Preis) gekauft hat, erhält sie von Bank B zusätzlich eine Kompensationszahlung in Höhe der Nettodividende (ohne Steueranteil) sowie eine Steuerbescheinigung für die Kapitalertragssteuer.

Wenn Bank A nun die Aktie wieder an Bank C zurückverkauft, ist alles wieder wie vorher: Bank C besitzt eine deutsche Aktie. Mit einem Haken: Es wurde nur einmal Kapitalertragssteuer von Bank C gezahlt, aber zweimal eine Steuerbescheinigung zur Erstattung ausgegeben (an Bank C und Bank A). Die drei Akteur*innen können sich die Profite nun teilen.

Der Unterschied zwischen CumEx- und CumCum-Geschäften

Sowohl bei CumEx als auch bei CumCum-Geschäften handelt es sich um eine große Familie steuergetriebener Finanzmarktgeschäfte, deren Zweck und deren Rendite ausschließlich in einem Steuervorteil bestehen.

Bei CumEx-Geschäften geht es, wie oben beschrieben, um die mehrfache Erstattung von nur einmal abgeführter Kapitalertragsteuer. Ziel der CumCum-Geschäfte dagegen ist die Rückerstattung der Kapitalertragssteuer speziell für ausländische Aktienbesitzer*innen. Der entscheidende Punkt: inländische und ausländische Besitzer*innen deutscher Aktien sind steuerrechtlich nicht ebenbürtig. Während deutsche Aktieninhaber*innen die Kapitalertragssteuer unter bestimmten Umständen zurückerstattet bekommen, können dies ausländische Inhaber*innen nicht und müssen normalerweise ca. 25 % Kapitalertragsteuer abführen.

CumEx-Geschäfte richteten vor allem zwischen 2001 und 2011 massiven Schaden an. CumCum-Geschäfte liefen etwa bis 2016 weiter. Obwohl in der Öffentlichkeit zumeist von CumEx-Geschäften gesprochen wird, haben die CumCum-Geschäfte einen noch größeren Schaden verursacht. Bei CumEx-Geschäften beläuft sich der Steuerraub nach aktuellen Schätzungen allein in Deutschland auf mindestens 10 Milliarden Euro, der von CumCum-Geschäften auf mindestens 28 Milliarden Euro. Nur zum Vergleich: Diese entgangenen Steuereinnahmen würden ausreichen, um die kompletten Kosten der Corona-bedingten Kurzarbeit zu begleichen.

Eine genauere Beschreibung der CumCum-Geschäfte und deren rechtliche Einordnung finden Sie hier.

Was bisher passiert ist: Eine Chronologie der Ereignisse

Februar 2022

Der dritte CumEx-Prozess endet mit einer Haftstrafe. Das Landgericht Bonn verhängte eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren gegen den ehemaligen Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft der Hamburger Warburg-Bank, der CumEx-Geschäfte ermöglichte. Außerdem stimmte das Schweizerische Bundesgericht der Auslieferung des Steueranwalts Hanno Berger zu. Berger ist in Deutschland wegen CumEx-Geschäften angeklagt, aus denen dem Fiskus ein Schaden in dreistelliger Millionenhöhe entstand.

Herbst 2021

Zwei weitere CumEx-Razzien: Im September findet die vierte Razzia bei der Anwaltskanzlei Freshfields statt. Im Oktober durchsucht die Staatsanwaltschaft Köln die Zentrale der genossenschaftlichen Sparda-Bank in Berlin.

Juli 2021

CumEx ist nicht nur illegal, sondern auch kriminell – das entschied der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil vom 28.07.2021. Somit ist höchstrichterlich geklärt, dass CumEx-Geschäfte strafbar sind und kein Steuerschlupfloch ausgenutzt haben.

Juni 2021

Erste Haftstrafe gegen einen Angeklagten. Im zweiten strafrechtlichen CumEx-Prozess verhängte das Landgericht Bonn eine Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten gegen den ehemaligen Generalvollbemächtigten von M.M. Warburg. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da die Verteidigung bereits ankündigte, Revision einzulegen.

Januar 2021

Erfolge im Kampf gegen CumEx. NRW-Innenminister Herbert Reul verkündigt eine personelle Aufstockung der CumEx-Ermittler*innen – eine zentrale Forderung der Bürgerbewegung Finanzwende.

September 2020

Bundesfinanzminister Olaf Scholz bestätigt Treffen mit Warburg Bank-Chef Christian Olearius. Indizien dazu gab es erstmals aus Olearius‘ Tagebuch. Bei den Treffen soll es demnach auch um Steuerrückforderungen aus CumEx-Geschäften im hohen zweistelligen Millionenbereich gegangen sein. Scholz wird vorgeworfen, der Warburg-Bank politischen Beistand geleistet zu haben.

März 2020

Erstes CumEx-Urteil. Zwei geständige Mitarbeiter der HypoVereinsbank werden verklagt. Die rechtliche Aufarbeitung verläuft aber schleppend. Die Ermittler*innen sind personell unterbesetzt, vielen Fällen droht die Verjährung.

Juni 2017

Der Untersuchungsausschuss CumEx endet. Es gibt keinen gemeinsamen Abschlussbericht. Die Regierungsmehrheit rechnet die Geschäfte auf unter einer Milliarde Euro klein. Die Opposition listet umfangreiche Fälle von Staatsversagen auf.

März 2016

CumCum wird technisch unmöglich gemacht.

Februar 2016

Der Untersuchungsausschuss Cum-Ex des Deutschen Bundestags startet.

Januar 2012

CumEx wird technisch unmöglich, da die Kapitalertragssteuer nun nicht mehr von der Aktiengesellschaft, sondern von der Depotbank abgeführt werden muss. Dadurch sollen Steuerbescheinigungen nur noch von den Instituten ausgestellt werden dürfen, die auch wirklich Steuern abgeführt haben. Andere rein steuerlich motivierte Aktiengeschäfte wie CumCum laufen aber weiter. In der Folge beginnen die ersten Klagen, Banken beginnen Rückstellungen zu bilden.

2009

Ein Whistleblower weist das BMF auf die boomenden CumEx-Geschäfte hin. Ein konsequentes Einschreiten bleibt aus.

2007

Ein Hinweisgeber wendet sich mit konkreten Informationen über CumEx-Geschäfte und involvierte Banken an die Finanzaufsichtsbehörde BaFin. Es wurden aber nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen

2005-2007

Die Legislative versucht (vergeblich) die CumEx-Geschäfte zu verhindern. Verantwortlicher im Bundesfinanzministerium ist ein mittlerweile verstorbener Finanzrichter, der später auch auf der Gehaltsliste von Bankenverbänden stehen wird. Er sorgt dafür, dass der Gesetzesvorschlag des Bankenverbands fast wortgleich Eingang in den Gesetzentwurf findet.

Das Problem: Das Gesetz macht zwar CumEx über inländische Depotbanken unmöglich, schafft dadurch aber eine Schein-Legalität für den Weg über ausländische Depotbanken. CumEx wird nicht beendet, sondern befeuert.

2002

Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) weist das Bundesfinanzministerium in einem Schreiben auf die CumEx-Geschäfte hin. Ziel des BdB ist eine gesetzliche Regelung zu erreichen, die das Haftungsrisiko der Banken mindert. Der Gesetzesvorschlag bezieht sich aber explizit nur auf inländischen Depotbanken; ein problematisches Detail.

ab 2001

Die CumEx-Geschäfte nehmen an Fahrt auf. Eine Fahrt, die erst zehn Jahre später ein Ende nehmen wird.

1999

Der Bundesfinanzhof zementiert eine wichtige rechtliche Grundlage der CumEx-Geschäfte. Durch ein Urteil wird festgehalten, dass es steuerrechtlich zwei Eigentümer*innen von Aktien geben kann, da das Eigentumsrecht an einer Aktie bereits beim Kauf an den*die Käufer*in übergeht.

1990

Der erste aktenkundige CumEx-Fall.

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