Greenwashing

Die Grenzen von Sustainable Finance

05.05.2022

Mit „Sustainable Finance“ sind große Hoffnungen verbunden. Durch ein nachhaltiges Finanzsystem soll Kapital gesteuert, der Umbau der Wirtschaft unterstützt und so die Pariser Klimaziele erreicht werden. 

Unser Bericht zeigt jedoch: Das Finanzsystem hat grundlegende Defizite, die eine positive Wirkung für den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft ausbremsen. Selbst wenn deutlich strengere als die bisher geplanten grünen Finanzmarktregeln umgesetzt würden, kann es das Finanzsystem allein nicht richten. Denn die nachhaltige Transformation braucht aktive politische Steuerung und die richtigen Rahmenbedingungen. 

Greenwashing am Finanzmarkt

Eine Hoffnung ist, dass die Finanzierungsbedingungen für nachhaltige Investitionen verbessert werden, wenn der Finanzmarkt zwischen „grünen“ und „schmutzigen“ Investitionen unterscheidet. Klimaschädliche Investitionen sollen so teurer und unattraktiver werden. Doch schon die Definition von „Nachhaltigkeit“ bereitet Probleme. 

Die vorgesehene Einstufung von Erdgas und Atomkraft als nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten im Rahmen der EU-Taxonomie ist dabei nur eine der aktuellsten Entwicklungen. Mit dieser könnten Atomkraft und Erdgas auch durch „grüne“ Geldanlagen finanziert werden. 

„Greenwashing“ macht es Anleger*innen schwer, ihr Geld zukunftsfähig zu investieren. Eine Untersuchung von Finanzwende Recherche zu in Deutschland erhältlichen „nachhaltigen“ Aktienfonds zeigt, dass sich deren Anlagen in der Summe kaum von den Investments konventioneller Fonds unterscheiden.

Verlässliche Informationen fehlen

Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen sind zudem oft weder aussagekräftig noch vergleichbar. Unklar ist auch, inwiefern Ratingagenturen heute schon Klimarisiken berücksichtigen. Dabei sind ihre Ratings eine zentrale Entscheidungsgrundlage von Finanzakteur*innen. Auch bei den Nachhaltigkeitsratings, die die ökologische und soziale Bilanz von Unternehmen bewerten, geht es drunter und drüber, wie unser Bericht zeigt. 

An diesen Stellen könnten strengere grüne Finanzmarktregeln teilweise Abhilfe schaffen. Eine Taxonomie ohne Gas und Atomkraft, ein verlässliches Verbrauchersiegel, einheitliche Nachhaltigkeitsberichte, Transparenz bei Kreditratings und standardisierte Nachhhaltigkeitsratings könnten die Situation erheblich verbessern. 

Nachhaltigkeit vs. Kapitalschwemme 

Mit grünen Finanzmarktregeln werden die grundsätzlichen Defizite des Finanzsystems allerdings nicht behoben. Finanzmarktakteur*innen investieren so lange in Anlageobjekte, wie diese das richtige Verhältnis von Risiko und Rendite aufweisen. Zu viele rentable Anlageobjekte sind jedoch klimaschädlich, denn ihre Risiken werden nicht ausreichend eingepreist. Deshalb kommen bisher sowohl „grüne“ als auch „schmutzige“ Unternehmen an günstige Finanzierung. 

Ein gutes Beispiel ist der saudi-arabische Ölkonzern Aramco. Obwohl Öl als fossiler Brennstoff alles andere als zukunftsfähig ist, hatte das Unternehmen den bisher größten Börsengang überhaupt. Der Fall zeigt: Aufgrund der Kapitalschwemme an den Finanzmärkten findet keine ausreichende Verschiebung zugunsten klimafreundlicher Investitionen statt. Stattdessen wird weiter massiv in Bereiche investiert, die einem nachhaltigen Umbau der Wirtschaft entgegenstehen.

Kurzfristige Profitorientierung und langfristige Transformation

Auch viele gängige Finanzierungsmodelle und deren Renditeerwartungen am Finanzmarkt erschweren die Transformation. Modelle wie Wagniskapital- oder Private-Equity-Fonds sind auf kurzfristige Profite aus und erwarten sehr hohe Renditen – das passt schlecht zu den langfristig benötigten Investitionen. 

Große Finanzakteur*innen wie BlackRock setzen sich daher dafür ein, dass der Staat die Risiken bei weniger rentablen und eventuell risikoreicheren Anlageobjekten für sie übernimmt. Die Idee: Die Investor*innen stellen das Kapital und bekommen die Gewinne – quasi risikofrei, denn etwaige Verluste werden auf die Allgemeinheit übertragen

Stattdessen liegen verbraucherfreundliche Finanzierungsinstrumente gerade für langfristig wirkende, aber begrenzt rentable Investitionen nahe. Für notwendige Projekte, für die sich private Investor*innen gar nicht eignen, könnte dagegen eine öffentliche Finanzierung sinnvoller sein. 

Die Grenzen von Sustainable Finance

Anspruchsvolle nachhaltige Finanzmarktregeln, die über aktuell geplante hinausgehen, können einen Beitrag leisten. Doch das allein wird den Umbau der Wirtschaft nicht ausreichend voranbringen. Hürden wie die Kapitalschwemme, extreme Renditeerwartung und Kurzfristigkeit stehen dem Umbau der Wirtschaft somit trotz Sustainable Finance entgegen. Deshalb braucht es zusätzlich zu einem nachhaltigen Finanzsystem die richtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Vorschläge dafür liegen auf dem Tisch: ein ausreichend hoher CO2-Preis, klimaadäquate Subventionen und eine passende Industriepolitik. 

Nur so werden umwelt- und klimaschädliche Investitionen nicht länger finanziell lukrativ sein. Der Staat sollte einen Transformationspfad vorgeben und mit entsprechenden Maßnahmen flankieren, der den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft sicherstellt und gleichzeitig bewirkt, dass Finanzakteur*innen zukunftsfähige Investitionen finanzieren.

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