Krypto Finanzsektor

Der Krypto-Finanzsektor

Schöne neue Welt?

04.11.2022

  • Der Krypto-Finanzsektor hat Potenzial, die Finanzwelt zu verbessern.
  • Stand heute ist der Krypto-Finanzsektor allerdings stark zentralisiert und weitestgehend spekulationsgetrieben.
  • Entscheidend für eine positive Entwicklung ist, ob es genug politischen Willen gibt, den Sektor bald angemessen zu regulieren.

Er ist erst wenige Jahre jung und scheidet schon die Geister: Der Krypto-Finanzsektor. Während die einen sich ein neues Technologiezeitalter und eine faire Finanzwelt erhoffen, warnen die anderen vor Spekulation, Umweltzerstörung und Betrug. Fakt ist: Um den Krypto-Finanzsektor ranken sich viele Mythen und Versprechen. Dabei haben die meisten Menschen im Hinblick auf den Krypto-Finanzsektor mehr Fragen als Antworten. Worum geht es bei der viel beschworenen Blockchain-Technologie? Was ist dran an der Behauptung, dass Krypto ein Eldorado für Kriminelle sei? Ist der Krypto-Finanzsektor nur reine Spekulation und eine Gefahr für die Finanzstabilität? Sind Krypto-Werte wirklich so schädlich für die Umwelt? Kann der Krypto-Finanzsektor den internationalen Zahlungsverkehr revolutionieren? Und kann Krypto sein Versprechen eines dezentralisierten Finanzsystems halten? Finanzwende Recherche unterzieht bekannte Krypto-Erzählungen einem Faktencheck. Wir entwickeln erste Vorschläge, welche Regeln nötig sind, um Fehlentwicklungen zu verhindern und die Potenziale des Sektors zum Wohle der Gesellschaft zu nutzen.

In der Publikation sehen wir uns den Krypto-Finanzsektor und seine zahlreichen Facetten genauer an. Wir schauen auf seine Genese und Ursprungsgedanken, einen alternativen und dezentralen Krypto-Finanzsektor frei von zwischengeschalteten Akteuren zu schaffen und vergleichen diese mit der Praxis. Außerdem erörtern wir, welche Regeln sinnvoll sind, um das Finanzwesen im digitalen Zeitalter positiv zu gestalten. Dabei kommen wir zu folgenden Schlussfolgerungen:

Die Potenziale der Blockchain-Technologie nicht unterschätzen

Wir differenzieren strikt zwischen den Produkten und Dienstleistungen des Krypto-Finanzsektors, also Krypto-Werten und Krypto-Börsen, und der zugrunde liegenden Blockchain-Technologie. Diese ist in erster Linie eine technologische Innovation, die unterschiedlichste Anwendungen und Einsatzgebiete erfährt. Die Technologie birgt Potenziale für Verbesserungen in zahlreichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen. Der Krypto-Finanzsektor als thematischer Fokus dieses Papiers ist dabei nur ein Ausschnitt ihrer zahlreichen Anwendungsgebiete.

Oft ein Eldorado für Kriminelle

Aktuell bieten Krypto-Werte zahlreiche Möglichkeiten zur kriminellen Nutzung. Das muss aber nicht so bleiben. Dafür braucht es eine strenge Durchsetzung und Anwendung regulatorischer Vorgaben, weitere und spezifische Anti-Geldwäsche-Regeln sowie neue Regulierungsmechanismen, wo traditionelle Finanzmarktregulierung nicht greifen kann. Die EU hat für einige Bereiche wie Krypto-Börsen und -Emittent*innen erste dahingehende Schritte eingeleitet.

Krypto-Werte nicht automatisch spekulativ

Krypto-Werte sollten nicht pauschal als Spekulation abgetan werden. Doch ist es richtig, dass der Krypto-Finanzsektor in seiner heutigen Zusammensetzung zu großen Teilen spekulationsgetrieben ist. Dennoch gibt es zahlreiche Krypto-Anlageklassen, die das Potenzial bergen, reale Vermögenswerte abzubilden und in den virtuellen Raum zu holen. Dadurch könnten Ineffizienzen an den Finanzmärkten, etwa an Börsen, reduziert und allgemeiner Zugang erweitert werden.

Bislang geringe Gefahr für die Finanzstabilität

Im Frühjahr 2022 ist der Krypto-Finanzsektor um 70 Prozent eingebrochen. Den traditionellen Finanzsektor hat das kaum berührt. Das zeigt, dass der Krypto-Finanzsektor bislang noch nicht so eng mit dem traditionellen Finanzsektor verflochten ist. Sollte sich das aber ändern, könnte der Sektor perspektivisch zum Problem für die Finanzstabilität werden. Regulatorische Standards und ein entsprechender Verbraucherschutz erscheinen für alle Bereiche des Krypto-Finanzsektors daher notwendig.

Energiehungrige Krypto-Transaktionen

Das Energieproblem führender Krypto-Werte ist Stand heute gravierend – und theoretisch lösbar. Es scheitert jedoch an mangelndem Willen zur Veränderung seitens der Politik und Teilen des Krypto-Finanzsektors. Deshalb steht die Forderung im Raum, das energieintensive Proof-of-Work-Verfahren durch ein generelles Vertriebsverbot für alle Proof-of-Work-basierten Krypto-Werte möglichst zu unterbinden. Allein aus dem Krypto-Wert Bitcoin resultiert ein jährlicher Energieverbrauch vergleichbar mit dem der Niederlande im Jahr 2019.

Energieverbrauch vergleichbar mit dem der Niederlande 2019

Die Blockchain-Technologie: Vorteile beim internationalen Zahlungsverkehr

Internationale Überweisungen sind extrem teuer und langsam. Krypto-Werte können über Grenzen hinweg innerhalb kürzester Zeit transferiert werden. Deshalb kommen sie zum Teil auch schon in humanitären Notsituationen zur Anwendung. Die Anwendung der Blockchain-Technologie, etwa im Rahmen von digitalem Zentralbankgeld, birgt Potenziale für einen schnelleren und günstigeren internationalen Zahlungsverkehr. Die heutigen Krypto-Werte sind für die Abwicklung des internationalen Zahlungsverkehrs allerdings nur bedingt geeignet.

Lückenhaftes Versprechen vom dezentralisierten Finanzsektor (DeFi)

Der Decentralised-Finance-Bereich (DeFi) kommt der Idee eines dezentralen Finanzsystems ohne Intermediäre innerhalb des Krypto-Finanzsektors am nächsten. Anleger*innen können Krypto-Werte direkt und ohne zwischengeschaltete Akteur*innen kaufen und verkaufen. Dennoch leidet der DeFi-Bereich unter erheblichen strukturellen Schwächen, die den eigenen Zielen der Dezentralität und finanziellen Inklusion im Weg stehen. Dazu gehören teilweise hohe Einstiegshürden, Anfälligkeit für Marktmanipulation und erhebliche Zentralisierungstendenzen. Trotzdem können DeFi-Elemente, wie etwa Smart Contracts, in Zukunft sehr nützlich sein. Bis diese Elemente sinnvoll im großen Stil in das traditionelle Finanzsystem integriert sind, sind noch juristische und technische Hürden zu überwinden.

Bis heute wenige Versprechen eingelöst

Unser Papier zeigt: Teile des Krypto-Finanzsektors haben Potenzial, unser traditionelles Finanzsystem zu verbessern. Es könnte effizienter und inklusiver werden – vorausgesetzt, Regierungen und Parlamente schaffen es, das juristische Neuland schnell und angemessen zu regulieren. Der jetzige Zustand darf nicht dazu führen, dass sich ein „Krypto-Schattenfinanzsystem“ als parallele, weitestgehend unregulierte Branche festigt.

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