Geldwäsche

Ideales Spielfeld für die Organisierte Kriminalität

Warum Geldwäsche in Deutschland ein massives Problem ist

08.02.2022

  • Jährlich werden Schätzungen zufolge 100 Milliarden Euro in Deutschland gewaschen.
  • Deutschland ist ein attraktives Ziel für Geldwäsche, da es ein stabiler Markt ist, die Aufsichtsstrukturen teilweise schwach und dezentral sind und viel Bargeld im Umlauf ist.
  • Aufgrund der nicht gut funktionierenden Aufsichtsstrukturen liegt bei der Geldwäschebekämpfung vorrangig ein Implementierungsproblem und weniger ein Regulierungsproblem vor.

Enthüllungen wie die Panama Papers und Pandora Papers, der Danske Bank-Skandal, der Russischen und Aserbaidschanischen Waschsalons oder die FinCEN-Files zeigen verschiedenste Wege, die Kriminelle nutzen, um die Herkunft der Gelder zu verschleiern. Doch der Eindruck, dass es nur ein Problem in anderen Ländern sei, täuscht gewaltig.

Deutschland hat ein selbst verschuldetes Geldwäscheproblem. Seit Jahren wird von verschiedenen Seiten gewarnt, dass der Markt hierzulande illegale Gelder anzieht. Eine Auswertung der Anlegerschutzorganisation European Funds Recovery Initiative zeigte, Deutschland sei „einwandfrei der bevorzugte Platz [in Europa], illegales Geld in den Finanzkreislauf einzuspeisen“ (Quelle: Handelsblatt). Anfang 2021 erklärte der italienische Staatsanwalt Nicola Gratteri in Italien vor Gericht: „In Deutschland kann jemand mit Geldkoffern aufkreuzen – und niemanden interessiert es, ob der das Geld mit Kokain, menschlichen Organen oder Sklaven verdient hat“ (Quelle: Süddeutsche Zeitung).

Geldwäsche ist zwar überall ein Problem, oder wie David Lewis, Chef der internationalen Financial Action Task Force, es sagte: „Alle machen es schlecht, aber manche machen es weniger schlecht als andere“. Bei einem scheinen sich viele aber sicher: Deutschland macht es eindeutig schlechter als andere vergleichbare Industrienationen.

Geldwäsche und wieso sie uns alle etwas angeht

Schätzungen zufolge werden jedes Jahr 100 Milliarden Euro in Deutschland gewaschen. Davon fließen jährlich zwischen 20 und 30 Milliarden Euro in den Nicht-Finanzsektor, also zum Beispiel materielle Vermögensgegenstände wie Autos, Schmuck und allen voran: Immobilien. Geldwäsche muss also gleichzeitig im Finanzsektor und im Nicht-Finanzsektor bekämpft werden.

Die Dimension ist aus zwei Gründen ein Problem für uns alle. Erstens wird Geldwäsche nicht bekämpft, begünstigt man die sogenannte Vortat. Denn Geld, dass gewaschen werden soll, rührt immer aus einer illegalen Aktivität und stellt meistens den Profit der Organisierten Kriminalität dar. Bekämpft man die Geldwäsche nicht, bekämpft man auch nicht die Mafia, die Clan-Kriminalität, Machteinflüsse von Oligarch*nnen, Korruption oder autoritäre Eliten, die ihre Länder ausplündern.

Zweitens schaffen die jährlich eingeschleusten 100 Milliarden Euro einen unfairen Wettbewerb. Denn mit dem Geld werden wirtschaftliche Strukturen aufgebaut, die den fairen Wettbewerb verzerren. Ein Unternehmen, das sich illegaler Profite bedient, hat einen Wettbewerbsvorteil gegenüber denen, die sich an geltendes Recht halten. Genauso ziehen Normalverbraucher*innen den Kürzeren, wenn sie eine Immobilie kaufen möchten und mit kriminellen Organisationen konkurrieren, die bereit sind, mehr zu zahlen, einfach damit aus den illegalen Geldern sicheres Betongeld wird.

Woran die Bekämpfung der Geldwäsche bisher scheitert

Die Defizite bei der Geldwäschebekämpfung in Deutschland sind laut Fachleuten vielfältig. Es gibt eklatante Missstände bei sogenannten Verpflichteten, zum Beispiel Banken und Notar*innen. Also denjenigen, die an der Schnittstelle zu Kund*innen und Klient*innen arbeiten, die möglicherweise Geld waschen wollen. Vielmehr noch geben jedoch die Aufsichts- und Straf­verfolgungs­behörden Anlass zur Sorge. In Deutschland liegt deswegen vor allem ein Implementierungsproblem und weniger ein Regulierungsproblem vor.

Die FinCEN-Files und der Danske Bank-Skandal haben deutlich gezeigt, dass es besorgniserregende Schwachstellen im Finanzsektor gibt. So haben offenbar die Kontrollstrukturen der Deutschen Bank versagt, die illegalen Gelder aus der Danske Bank zu identifizieren. Aber: Ohne gut aufgestellte Aufsichts- und Straf­verfolgungs­behörden mit genügend und gut ausgebildetem Personal können keine Regularien korrekt überwacht und umgesetzt werden. Während also die Deutsche Bank an ihren internen Anti-Geldwäschestrukturen arbeiten muss, liegt das größere Problem in der staatlichen Aufsichtsstruktur, die diese Mängel eigentlich aufdecken muss und Fehlverhalten deutlich sanktionieren sollte.

Financial Intelligent Unit (FIU)

Hier steht vor allem die Financial Intelligence Unit (FIU) immer wieder im Fokus. Sie soll Verdachtsmeldungen von Verpflichteten auf Stichhaltigkeit prüfen und relevante Meldungen an die Straf­verfolgungs­behörden der Länder weiterleiten. Die Kritik an der Behörde lässt allerdings nicht nach. Staatsanwaltschaften, Polizeibehörden, Justizminister*innen der Länder: Sie alle kritisieren die Behörde vehement. Kein Wunder, denn seit Jahren gibt es Berichte über zehntausende Meldungen, die unbearbeitet blieben. Aufgrund von bestimmten Fällen wird sogar gegen die FIU ermittelt. Der Vorwurf: Strafvereitelung im Amt.

EU-Kommission verklagt Deutschland

Doch es hakt nicht nur dort. Der Bundesrechnungshof kritisiert, dass bei der derzeitigen Kontrollquote der Verpflichteten im Nicht-Finanzsektor diese nur alle 200 Jahre mit einer Vor-Ort-Prüfung rechnen müssen. Insgesamt komme die Aufsicht „nicht den gesetzlichen Anforderungen“ nach. Die EU sieht dies offenbar ähnlich. Anfang 2021 wurde ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland von der EU-Kommission eingeleitet. Deutschland käme bisher nicht den Verpflichtungen zur Bekämpfung der Geldwäsche nach.

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)

Im Finanzsektor gibt es zwar eine zentrale Aufsicht, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), allerdings ist auch sie in den letzten Jahren bei dem Thema nicht glänzend aufgetreten. So gibt es über 300 Finanzinstitute, die keiner geldwäscherechtlichen Aufsicht unterliegen. Dass die BaFin das Thema Geldwäsche lange eher zaghaft anging, zeigte auch, dass sie zwischen 2015 und 2020 in knapp 40 Fällen zu Geldwäsche insgesamt lediglich 50 Millionen Euro Bußgeld verhängte. Nachdem die Aufsicht als Folge des Wirecard-Skandals einen neuen Chef erhielt, erklärte sie im November 2021, dass es ein mittelfristiges Ziel sei, die Aufsicht in dem Bereich Geldwäsche zu „intensivieren“.

Was man unternehmen könnte

Für den Nicht-Finanzsektor könnte eine zentrale Aufsicht in Betracht gezogen werden, die in die sich derzeit bildende europäische Geldwäscheaufsichtsstruktur eingefügt wird. Eine solche Aufsicht könnte dann regelmäßigere Vor-Ort-Prüfungen koordinieren.

Aufgrund der Anfälligkeit des Immobiliensektors würde ein Immobilienregister hier weiterhelfen. Falls Eigentümer*innen einer Immobilie daran nicht identifiziert werden können, könnte dann die Immobilie in die Bürgerhand überführt werden. Und wie in allen Bereichen der Finanzkriminalität spielen auch hier Hinweisgeber*innen eine wichtige Rolle. Ihr Schutz sollte bestmöglich ausgeweitet werden.

Um die FIU wirklich zur effektiven Anti-Geldwäschebehörde Deutschlands zu machen, benötigt es eine genaue Analyse der Probleme, wo diese nicht schon bekannt sind, und anschließend Reformen. Die Vereinbarung im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP, Verbindungsbeamt*innen aus den LKAs in der FIU einzusetzen, damit die FIU schneller an alle relevanten Informationen kommt, könnte zu Verbesserungen führen. Genauso, dass Verpflichtete Rückmeldungen zu ihren Verdachtsmeldungen erhalten sollen, um diese qualitativ zu verbessern. Die BaFin hat derweil verkündet, die Geldwäscheaufsicht zu „intensivieren“.

Damit Deutschland sein Geldwäscheproblem in den Griff bekommt, ist es entscheidend, dass an verschiedenen Schwachstellen in der Aufsichtsstruktur parallel Verbesserungen herbeigeführt werden.

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