Regulieren und Entflechten – Handlungsbedarf bei BlackRock und Co.
- Die Vermögensverwalter BlackRock, Vanguard und State Street haben enorme Macht, da sie unter anderem Haupteigentümer fast aller börsennotierten Unternehmen sind und einen riesigen Datenpool kontrollieren.
- Systemrelevante Schattenbanken wurden in der jüngsten Krise mithilfe massiver Zentralbankinterventionen gestützt.
- Trotzdem sind sie noch immer nicht konsequent reguliert. Finanzwende fordert in einem Papier deshalb konkrete Maßnahmen wie eine Zerschlagung von BlackRock.
Mit einem gemanagten Vermögen von mittlerweile über 9 Billionen US-Dollar ist BlackRock der größte Vermögensverwalter der Welt. Kerngeschäft des Unternehmens sind börsengehandelte Fonds (Exchange Traded Funds, ETFs). Zusammen mit Vanguard und State Street beherrscht BlackRock drei Viertel des ETF-Weltmarktes. Der Fokus der drei größten Vermögensverwalter, der sogenannten Big Three, liegt auf passivem Investment – also dem Nachzeichnen eines Indizes oder Anlagekorbes. Aber auch das Volumen ihrer aktiven Fonds – also der Fonds, für die je nach Markteinschätzung gezielt Vermögenswerte ge- und verkauft werden – ist beachtlich: Mit einem aktiv verwalteten Vermögen von knapp zwei Billionen US-Dollar nimmt BlackRock Platz 5 unter den aktiven Verwaltern ein. Außerdem bietet BlackRock Beratung, Risikomanagement und Risikoanalyse an. Schattenbanken ganz allgemein sind von enormer Bedeutung: Im Jahr 2019 hielten sie 49,5 Prozent des globalen Finanzvermögens, während reguläre Banken nur 38,5 Prozent ausmachten.
1) Enorme Machtkonzentration
Problematisch an der Rolle von BlackRock und Co. ist erstens die enorme Machtkonzentration und der wettbewerbsfeindliche Einfluss, den die Big Three auf börsennotierte Unternehmen haben können. Bei fast allen Aktienunternehmen ist einer der drei Vermögensverwalter größter Eigentümer. Die Big Three können damit über Abstimmungen in Jahresversammlungen und informellen Austausch mit der Unternehmensleitung Unternehmensentscheidungen der ganzen Welt maßgeblich mitbestimmen. Die gleichzeitige Eigentümerschaft an konkurrierenden Unternehmen gefährdet zudem den Wettbewerb.
2) Klare Systemrelevanz
Zweitens werden systemrelevante Schattenbanken wie BlackRock noch immer nicht konsequent reguliert, obwohl sie in der jüngsten Krise mit massiven Zentralbankinterventionen gestützt wurden. Ohne das beherzte Eingreifen der Zentralbanken hätte im März 2020 das ganze Finanzsystem ins Schwanken geraten und Firmen den Zugang zu nötigen Krediten verlieren können. Wenn sich Schattenbanken auch in Zukunft darauf verlassen, dass ihnen Zentralbanken im Zweifelsfall unter die Arme greifen, könnte dies dazu führen, dass sie systematisch zu hohe Risiken eingehen – ein Problem, das wir von regulären Banken allzu gut kennen. Mit dem Datenanalysesystem Aladdin hat BlackRock zudem weitere systemische Risiken in den Finanzmarkt gebracht. Das System wird von zahlreichen Firmen und Zentralbanken genutzt und überwacht Gelder von über 10 % der globalen Vermögenswerte. Wenn ein großer Anteil der weltweiten Investor*innen ihre Entscheidungen auf Grundlage des exakt selben Systems trifft, kann dies riskantes Herdenverhalten begünstigen. Ein sowieso bestehendes Risiko für die Finanzstabilität – destabilisierendes Herdenverhalten – wird durch die Dominanz des Datenanalysesystems Aladdin deutlich verschärft.
3) Massive Interessenkonflikte
Drittens ergeben sich aus der Überlappung der unterschiedlichen Geschäftsfelder von Vermögensverwaltern – passives Investment, aktives Investment und Beratung – massive Interessenkonflikte: BlackRock hält in seinen passiven Fonds riesige Anteile an Unternehmen, bekommt damit Zugang zu Insiderinformationen und beeinflusst Unternehmensentscheidungen. In seinen aktiven Fonds wettet BlackRock auch auf den Verfall eben der Aktien, deren Firmenpolitik es selbst mitbestimmt. Gleichzeitig berät der Konzern wiederum Wettbewerber, die durchaus an Insiderinformationen interessiert sein sollten. Außerdem kann BlackRock Daten, die sich durch die Nutzung des Aladdin-Systems ergeben, missbräuchlich im Eigeninteresse nutzen – auf Kosten von Wettbewerbern und Kleinanleger*innen.
Interessenkonflikte sind besonders problematisch, wenn BlackRock Finanzregulierung und Aufsicht mitentwickelt und vertrauliche Einsichten in die Arbeit von Regulierungsbehörden und Zentralbanken erhält. Bei den Bankenrettungen in Griechenland, Irland und Zypern beriet BlackRock beispielsweise beteiligte Regierungen und prüfte in ihrem Auftrag Bankbilanzen – mit Zugang zu allen sensiblen Informationen. Später kaufte das Unternehmen Schuldtitel der geretteten Banken mit hohem Abschlag. Auch das ETF-Ankaufprogramm der Federal Reserve Bank bei Ausbruch der Coronakrise wurde von BlackRock aufgesetzt. 98% der aufgekauften Fonds waren von den Big Three verwaltete ETFs. Seit April 2020 erarbeitet BlackRock – ein Unternehmen, das sich öffentlich für grünes Investment ausspricht, gleichzeitig aber die größten Anteile aller bedeutenden Kohle- und Ölfirmen hält – eine Strategie zur Einbettung von Nachhaltigkeitsfaktoren in die Bankenaufsicht der EZB.
Forderungen
Es gibt also viel zu tun, um BlackRock und Co. einzuhegen. Als Finanzwende fordern wir:
a. Eine Begrenzung der Macht der Vermögensverwalter
- Marktdominierende Vermögensverwalter müssen in ihrer Größe und Konzentration beschränkt werden. Das Kartellamt muss hierfür die Vermögensverwalter-Branche – insbesondere das Oligopol BlackRock, Vanguard und State Street – konsequent beobachten und bereits jetzt praktikable Strategien für eine Zerschlagung ausarbeiten.
- Für den Anteil, den ein Vermögensverwalter an einem Unternehmen halten darf, muss eine Obergrenze gelten.
- Aktive und passive Fonds müssen in Hauptversammlungen nach vorher klar kommunizierten Regeln abstimmen. Die Regeln und Abstimmungsergebnisse müssen von einer öffentlichen Stelle dokumentiert und veröffentlicht werden.
- Treffen zwischen Vermögensverwaltern und Firmenmanagement, sowie deren Ziel und Inhalt, müssen dokumentiert und veröffentlicht werden.
b. Eine strengere Regulierung des Schattenbankensystems
- Alle Schattenbanken müssen unter die laufende Direktaufsicht der EZB gestellt werden.
- Die neuen EU-Regeln zu Schattenbanken müssen daraufhin überprüft werden, ob sie Turbulenzen wie im vergangenen Jahr verhindert und massive Zentralbankeingriffe vermieden hätten. Gegebenenfalls müssen die Vorgaben verschärft werden.
- Fonds, welche nicht die Grundidee eines Investmentfonds verfolgen, nämlich das Geld von Anleger*innen zu investieren, müssen verboten werden. Fonds dürfen weder Kredite aufnehmen noch vergeben und keine Rückkaufwerte garantieren. Aktuell bedeutet das insbesondere ein Verbot von Geldmarktfonds und Kreditfonds.
- Offene Fonds sollten die Kosten für Liquiditätshilfen tragen. Über regelmäßige Gebühren an Notenbanken sollten sie ein Sicherheitsnetz finanzieren, das im Notfall nach festgelegten Regeln Liquiditätshilfen auszahlt.
- Intransparente, aktiv gemanagte ETFs müssen vor einer Zulassung in Deutschland streng geprüft werden.
c. Die Beaufsichtigung Aladdins
- Aladdin muss von BlackRock abgespalten werden.
- Aladdin muss als systemrelevant anerkannt und entsprechend überwacht werden.
d. Die Verhinderung von Interessenkonflikten und Insiderhandel
- Große Vermögensverwalter, die sich in unterschiedlichen Geschäftsbereichen betätigen, welche Interessenkonflikte hervorrufen (insbesondere die Bereiche passive Vermögensverwaltung, aktive Vermögensverwaltung und Beratung), müssen aufgespalten werden.
- Vermögensverwalter dürfen nicht aktiv mit Aktien und Anleihen der Unternehmen handeln, welche sie selbst beraten.
- Daten von Kund*innen dürfen in keiner Form fürs Investment genutzt werden. Nutzungsdaten dürfen weder auf der aktiven noch passiven Seite genutzt werden noch über Künstliche Intelligenz weiterverarbeitet werden.
- Die Verwaltung passiver Fonds und die Definition des nachzuzeichnenden Indizes müssen stets in getrennten Händen liegen.
- Die europäischen Institutionen und die EZB müssen ihre Vergabe-Richtlinien bei Beratungsaufträgen sachgerecht nachbessern, um Interessenskonflikte zu verhindern. Interessenkonflikte müssen als Ausschlussgrund für die Beteiligung an Ausschreibungen gelten.
- Regierungsmitglieder und Inhaber*innen hoher Zentralbankpositionen müssen nach ihrer Position eine fünfjährige Karenzzeit einhalten, während der ein Ethik-Komitee mögliche Interessenkonflikte von zukünftigen Tätigkeiten prüft und diese im Zweifelsfall untersagen kann.
e. Die Einführung eines Bürgerfonds
- Als demokratische Alternative für Bürgerinnen, die unabhängig von BlackRock und Co. breit gestreut investieren wollen, sollte ein Bürgerfonds, ähnlich dem schwedischen Modell der Vorsorge, eingeführt werden.
Das ausführliche Papier zu BlackRock und Co. finden Sie hier.
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