Real- und Finanzwirtschaft

Profit im Stadion: Fußball und Finanzialisierung

19.12.2023

  • Im Fußball tummeln sich immer häufiger Finanzinvestor*innen mit einem Fokus auf der Gewinnmaximierung. Die Vereine und Ligen sind kurzfristig an den zusätzlichen finanziellen Mitteln interessiert.
  • Doch langfristig zeigt der Einfluss des Finanzsektors im Fußball negative Auswirkungen.
  • In Deutschland war es für Finanzinvestor*innen lange schwierig, in den Fußball einzusteigen. Das könnte sich nun ändern.

Irre Transfersummen, Sponsoring soweit das Auge reicht und das Stadion voll Werbung: Die Kommerzialisierung im Fußball zeigt sich überall. Weniger sichtbar ist die dahinterliegende Finanzialisierung.

Im Fußball bedeutet „Finanzialisierung“ die immer stärker werdende Einflussnahme von Finanzinvestor*innen, den Fokus auf Profit und die Abkehr vom eigentlich Wesentlichem, dem Sport. Die finanziellen Interessen dominieren zunehmend gegenüber anderen Interessen. Das kann zu Problemen führen. Ein Beispiel ist die mangelnde Förderung oft unrentabler Bereiche wie dem Amateur- und Nachwuchssport.

Kommerzialisierung in Form der Vermarktung von Fußball als Produkt durch Sponsoring oder Merchandising ist vielen bekannt. Diese Art der Gewinnmaximierung wird von vielen deutschen Fußballfans bereits als wachsendes Problem gesehen. Kommerzialisierung ist ein Teil von Finanzialisierung. Sie veranschaulicht auch in Deutschland, was Auswirkungen von Finanzialisierung sind, aber die Auswirkungen können noch viel weitergehen als Wärmeflaschen mit Vereinslogo und Ähnliches.

Der europäische Spitzenfußball zieht eine neue Generation von Investor*innen an

Denn viele Clubs und Ligen außerhalb Deutschlands haben bereits ihre Tore für Investor*innen weit geöffnet. Dass es Investor*innen im Fußball gibt, ist an sich nichts Neues. Doch mittlerweile lässt sich eine neue Investmentstrategie beobachten.

Eine neue Generation von Investor*innen sieht nicht realisiertes Rendite-Potenzial in den europäischen Ligen und Vereinen. Insbesondere Private-Equity-Firmen sind darauf spezialisiert, mit privatem Kapital in Unternehmen einzusteigen und Gewinn für ihre Kapitalgeber*innen zu realisieren. In 2023 wird mehr als ein Drittel der Vereine in den „Big Five“-Ligen von Private Equity und anderen Finanzunternehmen mitfinanziert.

Private-Equity-Firmen verwalten heute weltweit ein Vermögen von mehr als 11,7 Billionen Dollar (2022) und sind in allen Wirtschaftssektoren tätig. Sie legen das Geld großer Anleger*innen wie zum Beispiel Rentenfonds an und stellen dafür Gebühren in Rechnung.

Für diese Unternehmen ist die Investition in einen Fußball-Club in erster Linie eine Transaktion. Das bedeutet: Ihr Ansatz ist von Anfang an gezwungenermaßen renditeorientiert – irgendwann wollen sie für die eingegangenen Risiken entschädigt werden. In den letzten Jahren waren diese Firmen unter den Hauptinteressent*innen für die Übernahmen einiger der prestigeträchtigsten Fußballvereine, insbesondere in der englischen Premier League.

Wo Private-Equity-Firmen schon beteiligt sind

Die Auswirkungen des Einflusses von Private-Equity-Gruppen zeigt sich insbesondere in England. Manchester United ist beispielsweise immer wieder in den Nachrichten, weil Fans gegen die Clubeigentümer*innen protestieren. Der Verein hatte sich nach einer Übernahme 2005 massiv verschuldet und die Eigentümer*innen führten in den Folgejahren große Summen an Geld aus dem Club heraus.

Aber auch in anderen europäischen Ländern gab es in den letzten Jahren immer mehr Beteiligungen durch Private-Equity-Firmen. 2,7 Milliarden Euro für die spanische La Liga und 1,5 Milliarden Euro für die französische Ligue 1 kamen von CVC Capital Partners – der gleichen Private-Equity-Firma, die auch in Deutschland gerade eine Beteiligung an den Medienrechten der Bundesliga gewinnen will.

Auch in Italien gab es bei verschiedenen Teams Beteiligungen durch Private-Equity-Firmen. Der Präsident der italienischen Serie A hat bereits davor gewarnt, kurzfristige Gewinne über langfristige Investitionen zu stellen. Sogar in kleineren Ligen steigen globale Investor*innen inzwischen in europäische Teams ein, um vom Fußballboom zu profitieren.

Im Jahr 2022 investierten diese Investor*innen 4,9 Milliarden Euro in die fünf größten europäischen Fußballligen, 2018 waren es noch 66,7 Millionen Euro. Diese Entwicklung ging mit einem starken Anstieg der Multi-Club-Eigentümerschaft einher. Diese Struktur ist insbesondere anfällig für Kritik, da es zu großen Interessenkonflikten bei der Eigentümerschaft mehrerer Vereine kommen kann.

Schlechte Erfahrungen mit Finanzinvestor*innen

Manchester United ist einer der bekanntesten Fußballvereine der Welt und eigentlich ein Synonym für sportlichen Erfolg, Leidenschaft und Tradition. Doch seit Finanzinvestor*innen mitmischen, hat sich laut verschiedenen Fan-Gruppen Vieles verändert. Die neuen Eigentümer*innen sehen den Verein in erster Linie als Investition und versuchen möglichst viel Profit auszuschütten, statt das Geld zu reinvestieren. Insgesamt kostete die Übernahme den Club bis jetzt knapp 1,1 Milliarden Euro und parallel bleibt der sportliche Erfolg zunehmend aus.

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Es gibt zahlreiche weitere Beispiele, die nicht nur auf Vereinsebene stattfinden. So wurden die Bemühungen um die neue Super League, einer verkleinerten Liga nur für europäische Top-Klubs, von verschiedenen Finanzunternehmen vorangetrieben. Die US-Investmentbank JPMorgan wollte mehr als drei Milliarden Euro in die neue Superliga investieren. Dieses Projekt stieß auf große Fan-Proteste, die Werte und Strukturen des europäischen Fußball in Gefahr sahen. Das Projekt scheiterte fürs Erste, ist aber noch nicht ganz begraben.

Die Interessen der Finanzinvestor*innen passen langfristig meist nicht zu denen der Fans und Sportler*innen. Einerseits ermöglichen sie Vereinen zwar, sich kurzfristig schneller und erfolgreicher zu entwickeln. Andererseits kann ihre finanzielle Einflussnahme jedoch auch dazu führen, dass der sportliche Erfolg zugunsten kurzfristiger Gewinne vernachlässigt wird. Die Vereine können sogar in finanzielle Schwierigkeiten geraten.

Insgesamt führt die Finanzialisierung oft zu einer Verschiebung der Macht innerhalb der Vereine, zu Schuldenaufnahmen zulasten des Vereins und Preissteigerungen auf Kosten der Fans. Eine andere Gefahr sind verschobene Prioritäten: zum Beispiel bei den Anstoßzeiten von Spielen oder aber auch bei den Kosteneinsparungen zum Nachteil der langfristigen Vereinsinfrastruktur.

In Deutschland war es lange schwierig für Finanzinvestor*innen

Die zunehmende Finanzialisierung ist nicht nur am Beispiel Manchester United oder bei der möglichen Super League zu beobachten. Es gibt sie auch im deutschen Fußball. Die deutschen Vereine haben sich lange gegen den Finanzialisierungstrend gewehrt. Mit der 50+1-Regel, die den Mitgliedern eines Fußballvereins immer eine Mehrheit der Stimmanteile und somit Mitbestimmung garantiert, ist die Möglichkeit der Einflussnahme von Finanzinvestor*innen in der Bundesliga stark begrenzt.

In Deutschland ist Fußball traditionell ein Vereinssport, der auf Gemeinschaft und Solidarität fußt. Selbst wenn Profifußballabteilungen in Kapitalgesellschaften ausgegliedert sind, steht dahinter ein eingetragener Verein, der in erster Linie dem Wohl des Sports und der Region verschrieben ist. Fans und Mitglieder sind dadurch nicht nur Konsument*innen, sondern können die Geschicke ihres Vereins mitbestimmen.

Doch in den letzten Jahren haben immer mehr Investor*innen erkannt, dass auch der deutsche Fußball ein lukratives Geschäft sein kann. So ist zwischen 1999 und 2018 die Anzahl der Bundesligisten, die Kapitalanteile an Investor*innen veräußert haben, von null auf zwölf gestiegen. Dies entspricht zwei Drittel der deutschen Clubs.

Einzelne Akteur*innen fordern immer wieder die Abschaffung der 50+1-Regel, um mehr Investor*innen in die Bundesliga zu locken und ihnen größeren Einfluss zu verschaffen. Doch selbst mit der 50+1-Regel versuchen verschiedene Investor*innen, Einfluss auf die sportlichen Entscheidungen der Vereine zu nehmen und ihre eigenen Interessen durchzusetzen.

Die 50+1-Regel verhindert zwar, dass enorme Werte aus den Vereinen gezogenen werden, wie bei Manchester United. Dass die Vereine nicht von Investor*innen übernommen werden können, bedeutet jedoch nicht, dass es keine anderen Wege für Finanzinvestor*innen im deutschen Fußball gibt.

Finanzinvestor*innen finden einen Weg

Seit längerem plant die Deutsche Fußball Liga (DFL) den Einstieg internationaler Investor*innen. Dafür sollen nicht Vereinsanteile, sondern Teile der gemeinsamen Medienrechte der 1. und 2. Bundesliga verkauft werden. Ein entsprechender Deal scheiterte zuletzt im Juni 2023, da sich viele Fangruppen und auch Mitgliedsvereine der DFL ursprünglich gegen den Vorstoß wehrten. Doch letztendlich wurde ein Bieterprozess gestartet, in dem sich vier internationale Private-Equity Firmen bewerben. Einem Teilverkauf an internationale Private-Equity-Gruppen steht damit nicht mehr viel im Weg.

„Einmal ins Rattenrennen eingestiegen, sind Exzesse programmiert.“

Viel diskutiert wurde die mögliche Einflussnahme und der daraus folgende Kommerzialisierungsdruck. „Mitspracherechte sind für die Finanzinvestoren das A und O“, sagte der Deutschlandchef einer Private-Equity-Firma, die an dem DFL-Deal interessiert war.

Die Zukunft wird zeigen, wie viel Raum Finanzinvestor*innen in Deutschland erhalten. Aber es scheint, dass sie auch hierzulande trotz Widerständen aus den Fanlagern immer öfter einen Weg finden.

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