Greenwashing

Grüne Zertifikate: Nachhaltigkeit oder Mogelpackung?

Eine Untersuchung grüner Zertifikate von Sparkassen und Genossenschaftsbanken

27.10.2023

  • Immer mehr Anleger*innen möchten nachhaltig investieren: Sparkassen und Genossenschaftsbanken reagieren darauf mit einem Großangebot vermeintlich nachhaltiger Zertifikate.
  • Finanzwende Recherche stellt in einer aktuellen Untersuchung fest: „Grün“ oder „nachhaltig“ ist an den meisten dieser Zertifikate außer dem Marketing nichts.
  • Statt die veränderten Anlagepräferenzen als Chance für eine nachhaltige Transformation zu nutzen, locken die untersuchten Banken ihre Kund*innen mit grünen Mogelpackungen.

In der Hoffnung, einen positiven Beitrag für Umwelt und Klima zu leisten, möchten mittlerweile immer mehr deutsche Privatanleger*innen nachhaltig investieren. Banken reagieren darauf mit einer Vielzahl von Angeboten. Bei Sparkassen und genossenschaftlichen Banken fällt eine Produktgruppe besonders ins Auge: grüne Zertifikate. Sie sollen einen Beitrag leisten, um die natürlichen Lebensgrundlagen und die universellen Menschenrechte zu schützen. Vermarktet werden sie als „ESG-Strategieprodukte mit Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialthemen“.

Aber können grüne Zertifikate diese Versprechen tatsächlich erfüllen? Was bedeutet es, wenn deutsche Banken ein Zertifikat als „nachhaltig“ bewerben? Und wie genau definiert sich die Nachhaltigkeit dieser oftmals komplex strukturierten Produkte?

Finanzwende Recherche hat als grün oder nachhaltig beworbene Zertifikate untersucht, um diese Fragen zu beantworten. Die Analyse zeigt: Die Ausgestaltung der untersuchten Zertifikate hält keiner umfassenden Nachhaltigkeitsdefinition stand.

Außer dem Marketing ist nichts grün

Spätestens seit der Finanzkrise, bei der Privatanleger*innen durch Zertifikate massive Verluste infolge der Lehman-Pleite erlitten, gelten Zertifikate zurecht als überteuert und kundenunfreundlich. Zertifikate weisen häufig spekulative Elemente auf, was sie für Verbraucher*innen riskanter macht als übliche Sparprodukte.

Diesen Produkten einen „grünen“ oder „nachhaltigen“ Anschein zu geben, ist besonders trügerisch: Denn trotz der grünen Etikettierung unterscheiden sich diese Zertifikate meist nicht grundlegend von konventionellen Bankanleihen. Während sich die Banken das grüne Etikett mit niedrigen Standards und laxen Anforderungen zurecht mogeln, schreibt die aktuelle Gestaltung der „grünen“ Zertifikate keine tatsächlich nachhaltige Verwendung der Mittel vor. Der Verwendung der durch „grüne“ Zertifikate eingeworbenen Gelder sind praktisch keine Grenzen gesetzt: Theoretisch können mit ihnen Kredite für die Erschließung neuer Ölfelder oder die Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen vergeben werden.

Eine nachhaltige Wirkung des Finanzprodukts erscheint angesichts dieser Ausgestaltung unmöglich.

Nachhaltig ist an diesen als grün beworbenen Zertifikaten außer dem Marketing nichts. Anstatt die veränderten Anlagepräferenzen als Chance für eine wirklich nachhaltige Transformation zu nutzen, verkaufen die Banken ihren Kund*innen mit „grünen“ Zertifikaten Mogelpackungen. Gerade Sparkassen, die per Gesetz dem Gemeinwohl verpflichtet sind, sollten eigentlich anders handeln und ihre Kund*innen nicht hinters Licht führen.

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