Krypto Finanzsektor

Kriminalität im und über den Krypto-Finanzsektor

Milliardenschäden, spektakuläre Pleiten und anonyme Geldtransfers: Der Krypto-Finanzsektor geht mit Gefahren einher. Staatliche Behörden sind dem aber nicht hilflos ausgesetzt.

11.04.2023

  • Betrug im Krypto-Finanzsektor verursacht Anlageschäden in Milliardenhöhe. Der Krypto-Finanzsektor wird außerdem für Geldwäsche und kriminelle Geschäfte in der restlichen Wirtschaft genutzt.
  • Anfang 2020 griffen striktere Regeln für den Handel mit Krypto-Werten. Auf EU-Ebene wurden inzwischen ebenfalls weitere Reformen auf den Weg
    gebracht.
  • Dennoch sollten nach Ansicht von Fachleuten staatliche Behörden hier
    noch nachbessern und ihre Expertise weiter ausbauen.

Die Nachrichten zu Krypto-Börsen und sogenannten Krypto-Währungen könnten in den letzten Monaten nicht düsterer sein. Spätestens seit der Pleite der Krypto-Börse FTX schwebt eine dunkle Wolke über dem Sektor. Innerhalb weniger Jahre erzielte FTX eine Marktbewertung von über 30 Milliarden US-Dollar und verwahrte Milliarden an US-Dollar für seine Kund*innen. Im November 2022 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden.

Unklar ist bis jetzt, ob FTX, eine der größten Handelsplattformen für Krypto-Währungen, ein Betrugssystem war oder lediglich schlecht geführt wurde. So oder so reiht sich FTX in eine Reihe an Namen, die für Milliarden- beziehungsweise Millionenverluste für Anleger*innen stehen: OneCoin, Bitconnect, BitConnect Network und so weiter.

Es sind natürlich bei weitem nicht alle Transaktionen über Krypto-Börsen krimineller Natur. Der Großteil der Anleger*innen möchte einfach in Krypto-Währungen investieren, um ihr Portfolio zu diversifizieren oder aus dem Glauben, durch einen starken Wertzuwachs schnell Geld zu verdienen. Derzeit gibt es allerdings noch Gefahren für Anleger*innen einerseits und den Rechtsstaat andererseits. Anleger*innen können über Kursschwankungen hinaus ihre Investitionen verlieren, wie es zum Beispiel in dem Betrugsfall OneCoin geschah

Kriminalität im Krypto-Finanzsektor

OneCoin wurde als „Bitcoin Killer“ vermarktet: Die Krypto-Währung der Zukunft. Sie wurde 2014 von Ruja Ignatova gestartet. Sie versprach, OneCoin werde die größte Krypto-Währung werden. Weltweit haben rund zwei Millionen Menschen zwischen 2014 und 2016 etwa 4 Milliarden US-Dollar in OneCoin investiert, in Deutschland waren es rund 60.000 Personen mit rund 320 Millionen Euro.

Für OneCoin war jedoch kein tatsächliches Blockchain-Netzwerk vorhanden und die Coins konnten nicht an Krypto-Börsen gehandelt werden. In Wirklichkeit handelte es sich um eine zentralisierte Datenbank, die von Ignatova und ihrem Team manipuliert wurde, um die Anzahl der Coins zu erhöhen und die Illusion von steigendem Wert zu erzeugen – ein reines Schneeballsystem, das 2019 zusammenbrach. Die selbsternannte „Krypto-Queen“ Ignatova tauchte bereits Jahre zuvor unter und war so auch beim Prozessstart 2021 in Münster nicht anwesend.

Solche Betrugsmaschen sind leider keine Seltenheit im Krypto-Finanzsektor. Laut
der FTA, der US-amerikanischen Verbraucherschutzbehörde, verzeichnet der
Krypto-Finanzsektor im Jahr 2022 die mit Abstand größte Gesamtschadenssumme aus Betrügereien – auch im Vergleich zu Kreditkarten, Banküberweisungen und allen anderen Bezahlarten.

Weitere Beispiele für Kriminalität im Krypto-Bereich sind die Krypto-Börsen Mt. Gox, Bitfinex und QuadrigaCX.

 

1 | Mt. Gox

Im Jahr 2014 wurde die in japanische Krypto-Börse Mt. Gox gehackt und insgesamt 650.000   Bitcoins gestohlen, was zum Zeitpunkt des Hacks etwa 400 Millionen US-Dollar entsprach. Die einst weltweit größte Börse musste daraufhin Insolvenz anmelden und die betroffenen Kund*innen verloren ihr gesamtes Geld. Es stellte sich heraus, dass Mt. Gox jahrelang Sicherheitsprobleme hatte und
möglicherweise auch interne Betrügereien stattgefunden hatten.
 

2 | Bitfinex

Im Jahr 2016 wurde die Krypto-Börse Bitfinex gehackt und runde 120.000 Bitcoins gestohlen, was zum Zeitpunkt des Hacks etwa 71 Millionen US-Dollar entsprach. Anfang 2022 wurde ein Ehepaar in New York verhaftet, dass hinter dem Hack stehen soll. Ein kleiner Teil der gestohlenen Bitcoins wurde von Behörden identifiziert und inzwischen an Bitfinex zurückgegeben.

3 | QuadrigaCX

 
Im Jahr 2018 starb der Gründer der kanadischen Krypto-Börse QuadrigaCX,
Gerald Cotten, und hinterließ keine Informationen über die Passwörter oder
Schlüssel, die benötigt wurden, um auf fünf Krypto-Wallets und die darauf liegenden Krypto-Währungen der Börse zuzugreifen. Im April 2019 musste die Börse daraufhin Insolvenz anmelden.

Als Folge schuldete sie ihren Nutzer*innen 215 Millionen US-Dollar, von denen nur 46 Millionen US-Dollar zurückgezahlt werden konnten. Später ergab eine Untersuchung, dass Cotten womöglich ein Schneeballsystem aufgebaut hatte und Kundenkonten nutzte, um Gelder zu entnehmen. Die Börse stand offenbar schon kurz vor der Insolvenz, bevor Cotten starb.
 

Kriminalität über den Krypto-Finanzsektor

Bei solchen Betrugsmaschen handelt es sich um interne Krypto-Kriminalität. Es geht um krypto-spezifische Kriminalität wie Cyberattacken oder Ransomware. Davon zu unterscheiden ist die externe Krypto-Kriminalität, also die Nutzung des Krypto-Finanzsektors zur Finanzierung von Kriminalität außerhalb des Sektors, etwa für Geldwäsche oder Drogenhandel. Ein Beispiel ist Silk Road.
 
Silk Road war einer der bekanntesten illegalen Marktplätze im Darknet, auf dem Drogen, Waffen und gestohlene Daten angeboten wurden. Der Betreiber, Ross Ulbricht, wurde 2013 festgenommen und später zu lebenslanger Haft verurteilt. Ulbricht benutzte Bitcoin, um seine illegalen Aktivitäten zu finanzieren und zu verschleiern.
 
Ein ehemaliger LKA-Ermittler erklärte Finanzwende, dass es kaum noch ein Verfahren zu Drogenhandel oder der Organisierten Kriminalität gebe, bei denen der Krypto-Finanzsektor keine Rolle spiele. Diese externe Krypto-Kriminalität bringt neue Herausforderungen für Strafverfolgungsbehörden.
Bereits 2021 erklärte der Chef der italienischen Anti-Mafia-Polizei Dia zum Krypto-Finanzsektor, dass „alle kriminellen Organisationen, auch solche vom Typ Mafia, ein Interesse daran [haben], diese Instrumente für ihre Geschäfte zu nutzen“. Die italienische Mafiaorganisation Ndrangheta nutze zum Beispiel den Krypto-Finanzsektor für Geschäfte mit Kartellen aus Lateinamerika für den internationalen Kokain-Handel.

Regulierung und rechtlicher Rahmen

Interne und externe Krypto-Kriminalität müssen gleichzeitig vom Staat zurückgedrängt werden. Für beide Versionen ist es nach Ansicht von Fachleuten wichtig, dass der Krypto-Finanzsektor unter die gleiche Aufsicht gestellt wird wie der restliche Finanzsektor. Zusätzlich sollten staatliche Akteur*innen wie die Strafverfolgungsbehörden der Länder ihre Expertise in dem Bereich ausbauen.
 
Um die Krypto-Finanzwelt für Anleger*innen sicherer zu machen und den Behörden bessere Mittel zur Aufsicht zu geben, gibt es zwei relevante rechtliche Neuerungen. Einerseits die Regulierung über das Geldwäschegesetz und andererseits die Harmonisierung auf EU-Ebene inklusive des Anlegerschutzes über die EU-Verordnung Markets in Crypto Assets (MiCA).

Geldwäschegesetz

Mit dem vierten Anti-Geldwäsche-Paket verabschiedete die EU unter anderem Maßnahmen gegen Geldwäsche über den Krypto-Finanzsektor. Seit 2020 fallen Krypto-Verwahrstellen und weitere Finanzdienstleister*innen im Krypto-Finanzsektor unter das Geldwäschegesetz und das Kreditwesengesetz. Das bedeutet, dass zum Beispiel Krypto-Börsen bestimmte Sorgfaltspflichten gegenüber ihrer Kundschaft haben. Sie müssen also die Identität der Kund*innen prüfen und auch, woher finanzielle Mittel für Transaktionen kommen. Falls etwas Verdächtiges vorliegt, haben die Krypto-Börsen die Pflicht, dies der Financial Intelligence Unit zu melden.
 
Sogenannte Know-Your-Customer Regeln gelten bereits seit Jahren für alle sogenannten Verpflichteten: Banken, Versicherungsunternehmen, Autohändler*innen, Immobilienmakler*innen, Notar*innen, Juwelier*innen und so weiter. Sie alle haben mit vielen unterschiedlichen Kund*innen und hohen
Bargeldsummen beziehungsweise Transaktionsvolumina zu tun. Zusätzlich müssen Firmen im Krypto-Finanzsektor für ihre Geschäfte eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erhalten. Dadurch hat die Aufsicht die Möglichkeit, vorab zu klären, ob sich Dienstleistende an die Regeln
halten werden und es gibt der BaFin die Möglichkeit, die Geschäftslizenz zu
entziehen. 

Markets in Crypto Assets Verordnung

Im Sommer 2022 einigten sich die EU Institutionen auf eine neue europäische Verordnung über Krypto-Werte. Ziel der Verordnung ist es, Anleger*innen zu schützen, Finanzstabilität zu sichern und den Rechtsrahmen EU-weit zu harmonisieren. Theoretisch werden zum Beispiel nach Umsetzung der Verordnung Anbieter*innen von Krypto-Dienstleistungen haftbar, wenn Krypto-
Werte von Anleger*innen verloren gehen. Wurde eine Krypto-Börse in der Vergangenheit zum Beispiel Opfer eines Hackerangriffs und Krypto-Werte entwendet, mussten Kund*innen auf die Kulanz der Börsen hoffen, ob ihnen ihre Werte erstattet wurden.
 
In Zukunft soll es also mehr Schutz geben. Allerdings ist davon auszugehen, dass auch MiCA europäische Anleger*innen nicht vor einer FTX-ähnlichen Situation schützen würde. Denn die EU-Verordnung schützt nur, wenn die Krypto-Börse auch in der EU registriert ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass viele Krypto-
Finanzdienstleister*innen weltweit verteilt sind. Allerdings geht es soweit, dass Binance – die wohl größte Krypto-Börse weltweit mit einem geschätzten Wert von 300 Milliarden US-Dollar – angibt, keinen Firmensitz zu haben. Und Binance ist damit nicht alleine im Krypto-Finanzsektor. Anleger*innen von FTX wären
also nicht über MiCA abgesichert gewesen, da FTX nicht in der EU registriert ist.

Kreative Krypto-Kriminelle

Der Krypto-Finanzsektor ist zwar kein rechtsfreier Raum, aber es gibt noch viele Gefahren für Anleger*innen Opfer von Betrugsmaschen zu werden und Möglichkeiten für die Organisierte Kriminalität. Aus Strafverfolgungsbehörden wird berichtet, dass inzwischen mehr Expertise zu dem Thema aufgebaut wird. Doch auch die Gegenseite schläft nicht und ist den Behörden oft noch mindestens einen Schritt voraus. Klar ist: Je professioneller die kriminellen Netzwerke sind, desto weniger Erfolg erzielen die Behörden. Damit das nicht so bleibt, muss weiter in die Behörden investiert werden.
 
Im Sommer 2022 hat Bundesfinanzminister Christian Lindner Pläne für ein neues Bundesfinanzkriminalamt angekündigt. Teil seiner Pläne ist, „die besten Finanzermittler“ auszubilden. In den nächsten Jahren wird sich zeigen, inwieweit die Strafverfolgungsbehörden es mit kriminellen Netzwerken im Krypto- Finanzsektor beziehungsweise mit solchen, die ihn benutzen, aufnehmen können.
 

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