Bankgebühren

Kalkulierte Kreativität

Bankgebühren

22.02.2022

  • Seit einem höchstrichterlichen Urteil benötigen Banken und Sparkassen die ausdrückliche Zustimmung ihrer Kundschaft für Gebührenänderungen.
  • In der Folge müssen viele Kreditinstitute den Verbraucher*innen nun auch rückwirkend Gebühren erstatten.
  • Manche Banken und Sparkassen finden allerdings kreative Wege bei der Umsetzung der neuen Rechtslage – häufig zum Nachteil der Kund*innen.

Im Leben ist nichts umsonst, das gilt auch wieder für Bankkonten. Vorbei die Zeiten mit Gratisangeboten, die Zeiten, als bei einer Konto-Neueröffnung noch regelmäßig 50 Euro Prämie winkten. Heute sprudeln klassische Einnahmequellen von Banken und Sparkassen nicht mehr so wie früher. Schuld sind unter anderem niedrige oder negative Zinsen. Daher suchen die Institute nach neuen Einnahmequellen. Bankgebühren haben Konjunktur.

Neue Rechtslage bei Bankgebühren

Verändert hat sich allerdings auch die Rechtslage: Der Bundesgerichtshof (BGH) kippte im April 2021 spektakulär die bis dahin gängige Praxis der sogenannten Zustimmungsfiktion (Aktenzeichen: XI ZR 26/20). Bis dato konnten Banken ihre Geschäftsbedingungen vermeintlich einfach ändern, wenn sie darüber rechtzeitig informierten. Wenn Kund*innen nicht ausdrücklich widersprachen, galt deren Schweigen als Zustimmung. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) klagte dagegen. Der BGH beendete die Praxis.

Nun benötigen Banken eine ausdrückliche Zustimmung der Kund*innen, wenn sie Entgelte einführen oder erhöhen wollen. Zusätzlich sind die Geldhäuser verpflichtet, unrechtmäßig eingezogene Gebühren zurückzuzahlen – zumindest dann, wenn die Kund*innen ihr Geld zurückfordern. Nach Angaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) betrifft das Urteil hierzulande fast jede Beziehung zwischen Banken und ihrer Kundschaft. Sprich: Es kostet die Banken einen Haufen Geld. Nach Ansicht der Aufseher*innen sind es bis zu drei Milliarden Euro.

Ein Punkt ist allerdings auch nach dem Urteil noch offen: Die Frage, wie lange Kund*innen mögliche Ansprüche rückwirkend geltend machen können. Welche Verjährungsfristen gelten, ist gerichtlich noch nicht abschließend geklärt.

Doch der Umgang der Banken mit der neuen Rechtslage treibt zum Teil schon jetzt bunte Blüten. Manche Institute setzen auf kreative Lösungen: Einzelne holen die Zustimmung ihrer Kund*innen schon mal vorsorglich ein, bei anderen wird die Erstattung zu viel gezahlter Gebühren bestraft oder verweigert. Offenbar gibt es reichlich Auslegungsarten für die höchstrichterliche Handlungsanweisung. Aber der Reihe nach.

 „Kulanzlösung“: Zustimmung per Blankoscheck

Kulanz klingt immer gut, das wissen auch Banken. Die Fondsdepot Bank etwa bietet vorgeblich eine Kulanzlösung für ein Geldkonto an, für das die bestehende Kundschaft ab Februar 2022 ein Verwahrentgelt zahlen sollen. Die Gebühr beträgt 0,5 Prozent – und zwar für Guthaben über einem Freibetrag von 5.000 Euro. Aus Kulanz gilt laut Bank derzeit allerdings noch ein deutlich höherer Freibetrag von 100.000 Euro.

Das Dumme daran: Die aktuelle Gebührenschwelle von 100.000 Euro kann „jederzeit ohne weitere Informationen“ auf die eigentlich vereinbarten 5.000 Euro schrumpfen. So steht es in einem Schreiben der Fondsdepot Bank an die betroffenen Kund*innen. Im Klartext heißt das: Kontoinhaber*innen müssen fortan mit einer Erhöhung des Verwahrentgelts rechnen.

Die Fondsdepot Bank lässt sich mit ihrer vermeintlichen Kulanzlösung also eigentlich einen Blankoscheck für künftige Gebührenerhöhungen ausstellen, nämlich für den Fall, dass der Kulanzbetrag von 100.000 Euro abgesenkt wird. Auf Nachfrage erklärt die Fondsdepot Bank, eine Zustimmung ihrer Kund*innen „für die Beendigung oder das Ändern einer von uns gewährten Kulanz ist unseres Erachtens nicht erforderlich“. Mit diesem Trick umschifft sie die Regelung des Bundesgerichtshofs.

Für die Betroffenen hat das Folgen. Ein Rechenexempel zeigt, wie enorm die Gebühren beim Geldkonto steigen können: Auf ein Guthaben von 100.100 Euro zahlen Sparer*innen aktuell für 100 Euro ein Verwahrentgelt von 0,5 Prozent. Das macht 50 Cent. Sinkt der Freibetrag jedoch auf 5.000 Euro, werden plötzlich auf Basis von 95.100 Euro Gebühren fällig. Das macht rund 475 Euro pro Jahr. 

Die mögliche Kostenexplosion erlaubt die Vermutung, viele Verbraucher*innen könnten hier ein böses Erwachen erleben.

Die Fondsdepot Bank führt zwar an, sie informiere über gewährte Kulanzregelungen transparent auf ihrer Website. Ergänzend werde rechtzeitig auch auf anderem Wege informiert, etwa über Quartalsauszüge. In ihren Schreiben behält sich die Bank jedoch ausdrücklich vor, den Freibetrag ohne weitere Information zu senken.

Zentrale Folge des BGH-Urteils bleibt, dass Kund*innen laut Gericht jeder Gebührenerhöhung ausdrücklich zustimmen müssen. Die Strategie der Fondsdepot Bank – diese Zustimmung über einen Maximal-Freibetrag auf bloßer Kulanzbasis zu umgehen – kommt eher wie eine Mogelpackung daher.

Auch andere Banken umkurven die Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Ein beliebter juristischer Dreh ist Berichten zufolge das sogenannte konkludente Handeln. Demnach würden Kund*innen einem Preismodell auch zustimmen, wenn sie ein Konto aktiv nutzen, etwa für Überweisungen. So sieht es offenbar etwa die Hypo-Vereinsbank.

Rückzahlungspflicht – so weit, so klar?

Für Verbraucher*innen, die zu Unrecht gezahlte Gebühren zurückhaben wollen, läuft es derzeit ebenfalls nicht gerade rund. Zwar sind die Banken auch rückwirkend zur Gebührenerstattung verpflichtet, wenn die Kund*innen ihre Ansprüche geltend machen. Doch die Geldhäuser lassen sich einiges einfallen, um nicht zu zahlen.

Strategie 1: Forderung nicht anerkennen

Eine Strategie von Banken ist es, den Anspruch ihrer Kund*innen rundweg abzustreiten. Zur Begründung verwies etwa die Stadtsparkasse Wunstorf auf eine andere BGH-Entscheidung, nach der erhobene Preise gültig seien, wenn sie mehr als drei Jahre unbeanstandet gezahlt wurden. Dieses Urteil betrifft jedoch Energielieferverträge. Nach Ansicht der Verbraucherzentrale Niedersachsen ist es hier nicht ohne Weiteres übertragbar.

Einige Anbieter*innen argumentieren auch, das Urteil betreffe sie gar nicht. Es gelte bloß für die Bank, über die im Verfahren geurteilt wurde. Formal ist das richtig. In der Sache sehen Fachleute das jedoch anders, weil es um eine Musterklausel ging, die genau so von vielen Instituten genutzt wurde. Auch die Verjährung der Kundenforderung wird mitunter angeführt. So argumentierten etwa die Sparkasse KölnBonn und die Berliner Sparkasse. Der vzbv klagt derzeit dagegen.

Strategie 2: Gegenangebot machen

Andere Kreditinstitute versuchen Forderungen ihrer Kund*innen mit Gegenangeboten auszubremsen. Statt einer Erstattung zu viel gezahlter Gebühren wird eine Pauschale angeboten. Wie viel Geld den Verbraucher*innen dabei entgeht, dürfte für die meisten unklar bleiben.

Klarheit bei den Kosten, aber auch eine deutlich aggressivere Gangart, findet sich beim Gegenangebot der Sparda-Bank Baden-Württemberg. Dort kann die Kundschaft zu viel gezahlte Gebühren zwar zurückbekommen, ihre monatliche Kontoführungsgebühr steigt dann aber auf 7,50 Euro. Wer hingegen auf eine Rückzahlung verzichtet, zahlt bis 2024 weiter nur fünf Euro im Monat. Verbraucherschützer Niels Nauhauser nennt das Sparda-Angebot daher eine „Strafgebühr für widerspenstiges Kunden-Verhalten“.

Strategie 3: Kündigung androhen

Damit nicht genug. Mitunter wird auch mit Kündigung gedroht, wenn Verbraucher*innen den neuen Vertragsbedingungen nicht zustimmen. Das Landgericht Stuttgart urteilte, dass eine Kündigungsandrohung sogar rechtens ist, wenn eine Person die Kontoführungsgebühren aus der Vergangenheit zurückfordert. Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig, die klagende Verbraucherzentrale will Revision einlegen. Klar ist: Banken und Sparkassen wollen eine Geschäftsbeziehung auf rechtlich sicherem Fundament – und benötigen dafür nun eine klare Zustimmung der Kund*innen. Dennoch sollten Verbraucher*innen berechtigte Rückzahlungsforderungen stellen können, ohne gleich einen Rauswurf fürchten zu müssen.

Was Betroffene tun können

Bei der Finanzaufsicht BaFin haben die Kapriolen der Geldhäuser zu einer Beschwerdeflut geführt. Die sonst so zurückhaltende Behörde sah sich genötigt, einen fairen Umgang mit Verbraucher*innen anzumahnen. Es sei aber kein Ausdruck eines fairen Umgangs, wenn Kund*innen „zur Erlangung der Zustimmung“ ihr Zugang zum Online-Banking oder Konto gesperrt werde. Zu Unrecht erhobene Gebühren seien zügig zu erstatten.

Was also tun? Bei Problemen mit der Erstattung können sich Verbraucher*innen kostenlos an die Finanzaufsicht BaFin oder die zuständige Ombudsperson wenden. Auch die Verbraucherzentralen helfen. Letztere bieten einen interaktiven Musterbrief für Rückforderungen und beraten individuell bei Problemen mit der Rückzahlung.

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