Sehr geehrte Damen und Herren,
die Finanzmärkte leisten einer Untersuchung von Finanzwende Recherche zufolge einen erheblichen Beitrag zu Entstehung und Verschärfung der Wohnungskrise in Deutschland. Die Studie „Rendite mit der Miete” zeigt, dass vor allem in den Städten Deutschlands die Interessen von Mieter*innen oft an zweiter Stelle stehen, hinter denen von Aktionär*innen. Die Folgen dieses Geschäftsmodells sind fatal: schneller steigende Preise, ein zunehmend instabiler Wohnungsmarkt und ein viel zu langsamer Neubau. „Viele Probleme, die wir gerade auf dem Mietmarkt in Deutschland sehen, wären ohne den Einfluss der Finanzmärkte kleiner oder gar nicht vorhanden”, sagt Jorim Gerrard, Autor der Studie.
Im Fokus der Studie stehen sogenannte finanzialisierte Wohnungsunternehmen. Das sind zum Beispiel Private-Equity-Fonds, vor allem aber börsennotierte Wohnungsunternehmen wie Vonovia oder LEG Immobilien. Sie sorgen gemeinsam für eine wachsende Finanzialisierung des Wohnungsmarkts: Zwischen 2009 und 2020 ist das Gesamtvolumen der Kapitalanlagen in Wohnimmobilien in Europa um fast 700 Prozent auf über 60 Milliarden Euro gestiegen.
„Überall dort, wo diese Akteure besonders aktiv sind, steigen die Immobilienpreise nachweislich schneller”, sagt Gerrard. Gleichzeitig habe das Geschäftsgebaren finanzialisierter Unternehmen erheblich zur Destabilisierung der Märkte beigetragen. Den Angaben zufolge zahlten die untersuchten Unternehmen im Jahr 2021 durchschnittlich 41 Prozent der Miete als Dividende an Aktionär*innen aus – deutlich mehr als in den Vorjahren. Mit der Zinswende sei den Unternehmen ihr Geschäftsmodell jedoch auf die Füße gefallen. Die Konsequenzen seien hohe Verluste, weitere Mieterhöhungen und ein zunehmender Verkauf von Immobilien statt des dringend benötigten Neubaus.
Der Bau von Wohnimmobilien ist allerdings ohnehin ein Bereich, in dem die Interessen finanzialisierter Unternehmen mit denen der Allgemeinheit kollidieren, wie die Studie zeigt. „Der Neubau bezahlbarer Wohnungen ist kein wesentlicher Teil des Geschäftsmodells solcher Unternehmen”, sagt Gerrard. In der Wohnungskrise sei es daher unsinnig, auf Vonovia, LEG und Co. zu hoffen. „Diese Unternehmen sind Teil des Problems, nicht Teil der Lösung – und das werden sie mit dem auf Finanzanleger ausgerichteten Geschäftsmodell auch nie sein.”
Die Finanzialisierung des Wohnungsmarkts hat weitere negative Folgen – allesamt ausgelöst durch den Fokus auf kurzfristige Profite. Kundenorientierung und Krisenfestigkeit spielen dagegen eine untergeordnete Rolle. Statt notwendiger Instandhaltung werden Wohnungen daher oft teuer modernisiert, um die Miete erhöhen zu können. Und statt Mieter*innen im Alltag so gut wie möglich zu unterstützen, werden Handwerks- und Modernisierungsmaßnahmen intern ausgelagert („Insourcing”), um Gewinne zu maximieren.
Der Gesetzgeber hat allerdings Möglichkeiten, solche Auswüchse einzudämmen. Die Studie listet gleich mehrere davon auf – unter anderem durch strengere Regulierung und durch Instrumente wie die Wohngemeinnützigkeit oder ein kommunales Vorkaufsrecht. „30 Jahre Deregulierung lassen sich nicht auf Knopfdruck zurückdrehen”, sagt Gerrard. „Extraktive Geschäftsmodelle lassen sich jedoch ausbremsen, zum Schutz der Allgemeinheit – wenn es politisch gewollt ist.”
Weitere Informationen und die vollständige Studie finden Sie hier: https://www.finanzwende-recherche.de/unsere-themen/rendite-mit-der-miete-finanzmaerkte-und-die-wohnungskrise-in-deutschland/
Finanzwende Recherche ist eine gemeinnützige Tochtergesellschaft der Bürgerbewegung Finanzwende. Die Organisation hat sich das Ziel gesetzt, für Aufklärung und kritische Debatten in der Finanzwelt zu sorgen. Dazu erstellt die Denkfabrik Konzepte, Analysen und Studien zu unterschiedlichen Themen und bereitet diese für Öffentlichkeit und Politik auf.
Bei Fragen und Interviewwünschen können Sie gerne auf uns zukommen.
Mit freundlichen Grüßen
Tobias Hanraths
Finanzwende Recherche
Motzstraße 32, 10777 Berlin
Mob.: 0160 / 9298 1855