Bankenaufsicht und Nachhaltigkeitsrisiken: Jetzt die Weichen stellen

Joachim Wardenga, Magdalena Senn

16.11.2023

Nicht nur die verheerenden Überschwemmungen und Waldbrände in diesem Sommer zeigen immer deutlicher: Die Klimakrise ist da. Und sie gefährdet nicht nur Ernten, Wohnhäuser und Firmen, sondern untergräbt auch die Stabilität des Finanzsystems. Eine Bank, die in einem stark betroffenen Gebiet viele Kund*innen hat, kann plötzlich auf ihren Forderungen sitzen bleiben und in Schieflage geraten. Und die aktuell sichtbaren Auswirkungen der Klimakrise sind erst der Anfang. 

  • Die Anforderungen der Bankenaufsicht für den Umgang mit Klima- und Nachhaltigkeitsrisiken stehen inzwischen für alle Banken fest und müssen ab 2024 angewendet werden.
  • In diesem Herbst macht die BaFin die Prüfungsplanung für das kommende Jahr und hat nun die Möglichkeit, Klimarisiken ab 2024 zu einem Schwerpunkt ihrer Bankprüfungen zu machen und zu prüfen, ob die Banken sich an die Anforderungen halten.
  • Das wäre wichtig, denn bisher bewegen sich deutsche Banken im Umgang mit Klima- und Umweltrisiken teilweise noch auf einem bescheidenen Niveau, fortgeschrittene Ansätze gibt es noch nicht.

Finanzaufsichten international und in Deutschland haben das Problem erkannt und erste Maßnahmen ergriffen. Mit verschiedenen Methoden analysieren die Aufsichtsbehörden, wie einzelne Institute mit den Risiken umgehen und wie stabil einzelne Banken und das System insgesamt in negativen Szenarien sind. Die Europäische Zentralbank (EZB), die für die Überwachung der größeren Banken in Europa zuständig ist, hat dazu eine sogenannte thematische Überprüfung der Banken durchgeführt und sich ihre Praktiken angeschaut. Ein Ergebnis der Überprüfung: Banken unterschätzen die Risiken aus dem Klimawandel. 96 Prozent der untersuchten Institute haben noch blinde Flecken beim Erfassen von Klima- und Umweltrisiken.

Dieser Untersuchung haben sich die deutschen Bankaufseher BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) und Bundesbank angeschlossen und die Risiken für 17 kleine und mittlere Banken unter nationaler Aufsicht in den Blick genommen. Sie konstatieren, dass „kleine und mittelgroße deutsche Banken sich zum Teil noch auf einem relativ bescheidenen Niveau [bewegen]“ – keinem der untersuchten Institute wurden „fortgeschrittene Praktiken“ im Umgang mit Klima- und Umweltrisiken bescheinigt. In der wohldosierten Sprache der Aufsichten ist das ein miserables Zeugnis. Eine Befragung der Bundesbank von über 800 kleinen und mittleren Instituten zeigte ebenfalls, dass die Banken sich bisher vor allem Ziele gesetzt haben, diese aber bisher nur sehr begrenzt in Geschäfts- und Risikostrategie umgesetzt haben.

Der Fahrplan der Aufsicht

Dass Banken Risiken durch Klimakrise und Artensterben ernstnehmen und in ihre Risiko- und Steuerungsprozesse integrieren sollen, ist aber nicht erst seit kurzem bekannt. Den Aufschlag in Deutschland hat die BaFin mit dem Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken bereits 2019 gemacht. Sie definiert Nachhaltigkeitsrisiken darin als ESG-Risiken — also solche, die sich auf die Bereiche Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance) beziehen. Formal ist das Merkblatt aber nicht verbindlich für die Banken. In einer Konsultation des Merkblatts forderte die Bankenlobby damals von der BaFin daher lieber klare Anforderungen für den Umgang mit ESG-Risiken in die rechtsverbindlichen „Anforderungen an das Risikomanagement“ (MaRisk) zu schreiben, statt ein separates Merkblatt herauszugeben.

Dies hat die BaFin inzwischen getan. Im Juli 2023 erschienen die neuen MaRisk, in denen die BaFin nun verbindlich festgelegt hat, wie ESG-Risiken von den Banken ins Risikomanagement integriert werden sollen. Was die Banken zu tun haben, steht dort nun also schwarz auf weiß. Anzuwenden sind die neuen Anforderungen ab 2024. Und wieder mal stehen Banken auf der Bremse, diesmal der Verband öffentlicher Banken. Die BaFin möge bei der Prüfung von ESG-Anforderungen ab 2024 doch bitte „mit Augenmaß vorgehen“.

Neben der neuen MaRisk hat die BaFin auch noch erklärt, Banken stärker risikoorientiert prüfen zu wollen. Das heißt, da genauer hinzusehen, wo sie mehr Probleme erwartet. Mit Blick auf ESG-Risiken kann sie das allerdings nur, wenn sie weiß, bei welcher Bank ESG-Risiken vorliegen und ob das Institut die Risiken richtig bewertet. Und das erfährt sie erst, indem sie diese Risiken durch einen Prüfungsschwerpunkt auf ESG-Risiken erfasst.

Ob es sinnvoll ist, bei den ESG-Risiken verschiedene Ansätze im Risikomanagement zuzulassen, wie es Rupert Schaefer von der BaFin in einem Interview andeutete, kann erst die Zukunft zeigen, wenn die Banken in diesem Bereich methodische Fortschritte gemacht haben.

Jetzt einen Schwerpunkt der Bankprüfung auf den Umgang mit ESG-Risiken legen

Für die Banken ist es höchste Zeit, die neuen Anforderungen umzusetzen. Jetzt liegt der Ball bei der Aufsicht, sich einen Überblick über die Risiken in Deutschland zu verschaffen. Das kann sie nur, indem sie ESG-Risiken zu einem Schwerpunkt ihrer Prüfungen macht. Erst dann weiß sie konkret, wie groß die Klimarisiken in den einzelnen Instituten sind und ob sie mit entsprechenden Maßnahmen zu unterlegen sind.

Die Weichen dafür kann die BaFin bereits in der Prüfungsplanung für 2024 stellen. Die EZB hat Klima- und Umweltrisiken bereits für den Zeitraum 2023 bis 2025 als einen Schwerpunkt definiert. Wir stimmen mit der Bundesbank überein, die nach ihrer Umfrage unter den mittleren und kleinen Instituten folgerte: „ESG-Risiken [sollen] regelmäßig in Aufsichtsgesprächen aufgegriffen und entsprechende Schwerpunkte in bankgeschäftlichen Prüfungen gesetzt werden“. An diesen Ankündigungen muss sich die BaFin messen lassen.

Sollten bei den Bankprüfungen größere Nachhaltigkeitsrisiken ans Licht kommen, ist es Aufgabe der Aufsicht, einen entsprechenden Umgang der betroffenen Banken damit zu veranlassen und sie gegebenenfalls mit angemessenen Eigenkapitalaufschlägen zu belegen. Damit die Banken und letztlich unser Finanzsystem insgesamt gut auf die Auswirkungen der Klimakrise vorbereitet sind, deren jährliche Schäden (leider) immer größere Dimensionen erreichen werden.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Gastbeitrag im Finanzwende-Blog. Die jeweiligen Autor*innen geben nicht zwangsläufig Finanzwende Positionen wieder.

Joachim Wardenga

Joachim Wardenga

Joachim Wardenga hat mehr als 25 Jahre in unterschiedlichen Positionen als Berater für Banken (Risikomanagement, Aufsichtsrecht und Reporting) gearbeitet. Er ist ehrenamtlich für Finanzwende Recherche tätig.

Magdalena Senn

Magdalena Senn

Magdalena Senn ist Referentin für nachhaltige Finanzmärkte bei Finanzwende Recherche. Zuvor begleitete sie im Europaparlament die Arbeit eines Abgeordneten im Wirtschafts- und Währungsausschuss.

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