CoCo-Bonds: Haftung auf den Kopf gestellt

Prof. Doris Neuberger

05.03.2024

Das zentrale Versprechen nach der Finanzkrise 2007/2008: Nie wieder sollten marode Banken vom Staat gerettet werden (sogenanntes Bail-out). Um das zu erreichen, sollte es auch mehr private Haftung (sogenanntes Bail-in) von Anleger*innen für Verluste in der Zukunft geben. Für Banken wurden dazu sogenannte CoCo-Bonds in die Bankenregulierung eingeführt. Damit sollen auch Fremdkapitalgeber*innen haftbar gemacht werden, bevor es bei einer Bankenschieflage zur Insolvenz kommt. Der Fall der Credit Suisse hat verdeutlicht, dass das nicht funktioniert.

  • Die Anerkennung von CoCo-Bonds als regulatorisches Eigenkapital war ein Fehler, denn dadurch wurde die Haftung der Aktionär*innen, also der Eigentümer*innen der Bank, für Verluste geschwächt statt gestärkt.
  • Der Fall Credit Suisse verdeutlicht, dass CoCo-Bonds genutzt werden können, um die Rendite der Eigentümer*innen auf Kosten der Anleihegläubiger*innen und des Staates zu erhöhen.
  • Statt Kapital von minderwertiger Qualität braucht es mehr „echtes“ Eigenkapital, damit Banken stabil aufgestellt sind.

Was sind Coco-Bonds?

CoCo-Bonds (kurz: CoCos, formal: Additional-Tier-1-Anleihen, AT1) sind Anleihen (genauer: bedingte Pflichtwandelanleihen), die von Banken ausgegeben werden. Im Falle einer Schieflage der Bank, einem sogenannten „trigger event“, werden sie in hartes Kernkapital (formal: Common Equity Tier 1, CET1) umgewandelt oder abgeschrieben. Durch diese Konvertierbarkeit werden sie auch als „contingent convertible“ oder „CoCo-Bonds“ bezeichnet. Sie sollen zusätzliches Kapital bereitstellen, um die Anforderungen von Regulierungsbehörden zu erfüllen.

Damit sollen auch Anreize zu einer besseren Risikosteuerung und -überwachung gesetzt werden. Die Anleihehalter*innen werden mit ihrem Fremdkapital in die Haftung der Bank eingebunden, indem sie bei Konvertierung zu haftenden Aktionär*innen werden. Sie können alles verlieren, erhalten aber, wenn es gut geht, eine hohe Rendite. Aufgrund ihrer Komplexität sind CoCos nicht für Privatanleger*innen geeignet.

Wie unterscheiden sich CoCo-Bonds vom harten Kernkapital?

Hartes Kernkapital, CET1-Kapital, ist Eigenkapital, das den Instituten uneingeschränkt und unmittelbar zur Deckung von Risiken oder Verlusten zur Verfügung stehen muss. In der EU müssen Banken eine harte Kernkapital-Quote von mindestens 4,5 Prozent erfüllen. Auch zusätzlich regulatorisch auferlegte Kapitalpuffer müssen aus hartem Kernkapital bestehen.

Andere regulatorische Kennzahlen wie die Kernkapitalquote (Leverage Ratio) oder auch die Gesamtkapitalquote (risikogewichtetes Eigenkapital) können zusätzlich durch CoCo-Bonds, also qualitativ minderwertiges Kapital, erfüllt werden. Wie unterschiedlich diese Zahlen sind, kann man an folgendem Beispiel sehen: Die Deutsche Bank besaß für das Jahr 2022 eine risikogewichtete Kernkapitalquote in Höhe von 13,4 Prozent, eine ungewichtete Kernkapitalquote von 4,6 Prozent und eine ungewichtete harte Kernkapitalquote von lediglich 3,6 Prozent.

Bei Auslöseereignissen werden die CoCos der Bank in hartes Kernkapital umgewandelt oder abgeschrieben. Im Gegensatz zu traditionellen Wandelanleihen erfolgt die Umwandlung automatisch und unmittelbar unter vertraglich festgelegten Bedingungen. Auslöseereignisse sind beispielsweise gegeben, wenn die harte Kernkapitalquote unter einen bestimmten Schwellenwert fällt oder wenn Aufsichts- oder Abwicklungsbehörden dies anordnen – meist, sobald eine Bank ohne diese Maßnahme nicht mehr existenzfähig wäre.

Warum verwenden Banken CoCo-Bonds?

Das Arbeiten mit dieser Art von minderwertigem Kapital birgt Risiken in Hinblick auf die Stabilität der Banken. Dennoch ist es für die Banken aus mehreren Gründen profitabel, ihr Kapital mit CoCo-Bonds zusätzlich aufzufüllen:

  1. Sie können für ihre regulatorischen Auflagen Kosten einsparen, die durch die Bereitstellung von Kapital entstehen. CoCo-Bonds zu halten ist aufgrund ihrer geringeren Qualität billiger als hartes Kernkapital.
  2. Sie dienen als Steuersparmodell, da die Zinscoupons der CoCo-Bonds steuerlich geltend gemacht werden können.
  3. Die Bank darf die Zinszahlung an die Anleihehalter*innen unter gewissen Umständen aussetzen. Es gewinnen die Aktionär*innen, also die Eigentümer*innen der Bank, auf Kosten der Gläubiger*innen und Steuerzahler*innen. Das hat der Fall von Credit Suisse gezeigt.

CoCo-Bonds bereiten immer wieder Probleme

Als die Schweizer Großbank Credit Suisse im März 2023 ins Wanken geriet, wies die Schweizer Finanzmarktaufsicht FINMA an, die CoCo-Bonds der Bank abzuschreiben. Diese sahen vertraglich vor, dass CoCos im Falle eines Auslöseereignisses, insbesondere bei Gewährung von Staatshilfen, vollständig abgeschrieben werden. Diese erhielt die Bank, da ihr Liquiditätshilfedarlehen gewährt wurden, die durch eine Ausfallgarantie des Bundes abgesichert sind. Es wurden Anleihen im (Nominal-)Wert von 16 Milliarden Franken auf null abgeschrieben, also für die Anleihen-Halter*innen entwertet.

Das Abschreiben der Bonds hat starke Kontroversen ausgelöst, da im Gegensatz zu den Haltenden der CoCo-Bonds, die ihr Geld verloren haben, die Aktionär*innen der Credit Suisse entlohnt wurden. Der Grundsatz, dass Eigentümer*innen vor Fremdkapitalgeber*innen und dem Staat haften, wurde damit außer Kraft gesetzt, denn sie erhielten im Rahmen der Rettungsaktion des Staates UBS-Aktien im Wert von 3 Milliarden Franken.

Die Folge sind langwierige gerichtliche Verfahren und ein Einbruch auf dem globalen Markt für CoCo-Bonds. Allerdings erholte sich der Markt nach einiger Zeit wieder merklich, Banken konnten danach wieder neue Anleihen auf den Markt bringen.

Echtes Kapital statt hybride Instrumente

Die Anerkennung der Regulierungsbehörden von CoCo-Bonds als Kapital war ein Fehler. Anstelle von CoCo-Bonds wäre hartes Kernkapital notwendig, um Eigentümer*innen der Bank im Falle eines Bankenbebens haftbar zu machen und die Bank gegen Risiken abzusichern.

Die hochgradige Komplexität dieser Instrumente erschwert es Anleger*innen sehr, diese Instrumente zu bewerten und ermöglicht es Bankeigentümer*innen, die Haftung auf die Anleihekäufer*innen abzuwälzen. Daraus entstehen Fehlanreize, höhere Risiken einzugehen. Dies erinnert an die „Alchemie der Verbriefung“, bei der durch hybride Instrumente Kreditrisiken von Eigentümer*innen auf Anleihekäufer*innen verlagert werden konnten.

Die Zulassung hybrider Anleihen durch die Regulierungsbehörden als Kapital erinnert zudem an die Erlaubnis, dass Banken interne Modelle zur Bestimmung ihrer Risikogewichtung und somit für einen großen Teil ihres Eigenkapitals verwenden. Banken haben somit wichtige Teile ihrer eigenen Regulierung in der Hand.

Von den Banken selbst konstruierte komplexe Produkte wie CoCo-Bonds sollten aus dem Instrumentenkasten der Bankenregulierung verbannt werden. Es braucht stattdessen mehr „echtes“ Eigenkapital in Form von hartem Eigenkapital, damit Banken stabil aufgestellt sind.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Gastbeitrag im Finanzwende-Blog. Die jeweiligen Autor*innen geben nicht zwangsläufig Finanzwende Positionen wieder.

Prof. Doris Neuberger
Prof. Doris Neuberger
Prof. Doris Neuberger ist Gründungsmitglied und lehrt am Institut für Volkswirtschaftslehre an der Universität Rostock. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Industrieökonomik der Bank, finanzieller Verbraucherschutz und die gesellschaftliche Rolle von Banken.

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