Das Neugeschäft der Bausparkassen boomt. Während die Anbieter ihre Verträge früher gerne mal als „Rendite-Knaller“ anpriesen, sollen ihre Produkte heute gegen steigende Darlehenszinsen absichern. Doch ein Rückblick zeigt: Die Werbeversprechen der Branche sind mit Vorsicht zu genießen.
- Bausparkassen wirken grundsolide, ihr Geschäftsgebaren war es in der Vergangenheit allerdings nicht immer.
- Mit kreativen Geschäftspraktiken lösten sich viele Bausparkassen in den letzten Jahren von für sie unprofitablen Altverträgen oft zu Lasten ihrer Kundinnen.
- Bausparkassen sind Unternehmen. Sie vertreten also nicht das Kundeninteresse, sondern streben danach, Gewinn zu maximieren.
Nachdem Baukredite in den letzten Jahren günstig zu bekommen waren, sind die Zinsen jüngst abrupt gestiegen. Seit Jahresbeginn haben sie sich von einem Prozent auf aktuell über 2,7 Prozent mehr als verdoppelt.
Bausparkassen nutzen die Furcht vor noch höheren Zinsen in solchen Phasen schon immer für den Verkauf. So heißt es in der Werbung der Landesbausparkassen etwa: „Schon ein Zinsanstieg um zwei Prozentpunkte kann zehntausende Euro Unterschied bei einer Finanzierung ausmachen. Mit der LBS und einem Bausparvertrag können Sie sich die günstigen Zinsen langfristig sichern“ (Quelle: LBS). Zugleich feiern die Bausparkassen ein „seit Jahrzehnten nie dagewesenes Wachstum des Neugeschäfts“.
Die jüngsten Zinsentwicklungen geben also Anlass, das Augenmerk mal auf die bisherigen Geschäftspraktiken der Anbieter zu richten und aus Perspektive der Bausparenden einen Ausblick in die Zukunft zu wagen. Wichtig ist: Wenn sich die Zinsen ändern, werden für die Anbieter einige Verträge unprofitabel, während sich andere weiter lohnen. Zugespitzt formuliert lässt sich sagen: Deutliche Zinsänderungen teilen die Kundinnen aus Sicht der Bausparkassen in zwei Gruppen, die „Freundsparer“ und die „Feindsparer“.
Wie das Bauspargeschäft funktioniert
Die Bausparkassen erklären ihr Geschäft gerne anhand des Beispiels von zehn Bauwilligen, die für ihre Bauprojekte jeweils eine bestimmte Summe benötigen. Wenn jeder ein Zehntel der Summe pro Jahr anspare, dann sei bereits nach einem Jahr genügend Geld da, um einem der zehn Bauwilligen das Eigenheim finanzieren zu können. Dadurch entstehe ein Kreislauf, weil der erste Kreditnehmer der Bauspargemeinschaft mit der Tilgung seines Kredits wieder Geld zur Verfügung stelle, das nach einem weiteren Jahr der nächsten Bauwilligen einen Kredit ermöglichen soll.
Der Letzte in der Gemeinschaft müsse aber keine zehn Jahre warten, denn schließlich kämen ständig neue Bausparende hinzu. Die Beschreibung dieses Geschäftsmodells erinnert nicht zufällig an ein Schneeballsystem, worauf Sachverständige bereits hingewiesen haben.
Das immer wieder nacherzählte Beispiel vermittelt den Eindruck, beim Bausparen handele es sich um ein vom Kapitalmarkt unabhängiges und quasi in sich geschlossenes System. Weit gefehlt: Die Konditionen der Bauspartarife sind nicht wirklich unabhängig von den Kapitalmarktzinsen. Im Vertrieb konkurrieren Bausparverträge mit anderen Finanzprodukten. Deshalb hängen sowohl die Guthaben- als auch die Darlehenszinssätze eines jeden Tarifs von dem Marktzinssatz ab, der bei Auflage des Tarifs galt.
Ob das spätere Bauspardarlehen wirklich als „zinsgünstig“ gelten kann, können also weder die Bausparkassen wirklich versprechen noch die Bausparenden bei Vertragsabschluss wissen. Denn dies hängt davon ab, wie sich die Darlehenskonditionen herkömmlicher Kredite entwickeln werden.
Zum anderen vernachlässigt das beliebte Beispiel, dass sich Verträge für die Bausparkasse aufgrund der Zinsentwicklung als nicht profitabel erweisen können. Bausparkassen haben in dieser Situation den Anreiz, sich für eine Geschäftspolitik zu entscheiden, die auf eine rasche Beendigung der Verträge drängt. Unangetastet bleiben in dieser Situation allenfalls die für Bausparkassen profitablen Verträge.
Die sich daraus ergebende Unterteilung der Kundschaft in „Freundsparer“ und „Feindsparer“ mag eine Zuspitzung sein. Sie bringt aber den Interessenkonflikt auf den Punkt, in den jede Bausparkasse gerät, sobald die Zinsen deutlich drehen, egal ob nach oben oder nach unten.
Die „Freundsparer“ von 1984
In einer Phase deutlich steigender Zinsen muss die Bausparkasse für Guthaben nur sehr niedrige Zinsen bezahlen, da die Tarife das bei Abschluss geringe Zinsniveau abbilden. „Freundsparer sind die begehrtesten“, hieß es in einem Bericht der ZEIT aus dem Jahr 1984. Und weiter: „Sie sparen wegen der steuerlichen Vorteile und Prämien, nehmen aber das Kollektiv nicht in Anspruch; sie sorgen durch ihre Sparleistungen dafür, dass die Regelsparer ihre Verträge rascher zugeteilt bekommen“.
Damals waren die Sparenden, die kein Darlehen wollten, die Freundinnen der Bausparkassen. Ungeliebt dagegen waren die sogenannten Schnellsparenden. Das waren die Sparenden, die durch hohe Einzahlungen binnen kurzer Zeit die Voraussetzungen für den Erhalt eines Bauspardarlehens herbeigeführt haben. Ungeliebt waren sie, weil sie „das Kollektiv über Gebühr beanspruchen“, wie es damals hieß. Die Vereinigte Bausparkasse Bielefeld/Hannover sei, so berichtet die ZEIT, 1971 sogar an einem zu großen Bestand an Schnellsparerenden pleitegegangen.
Die „Feindsparer“ von 2018
Mit dem deutlichen Zinsrückgang nach der Finanzkrise seit 2008 hat sich die Situation für die Bausparkassen geändert und Sparende wurden zur ungeliebten Kundschaft. Ihnen mussten die Bausparkassen nun im Vergleich zum Marktzins hohe Sparzinsen und oft sogar die vereinbarten Bonuszinsen oder Treueprämien zahlen – und das in einem Umfeld, in dem sie selbst derart hohe Zinsen nicht verdienen konnten. Die Nachfrage nach Bauspardarlehen brach ein, weil herkömmliche Bankdarlehen viel zinsgünstiger waren. Der „Freundsparer“ von 1984 wurde zum „Feindsparer“ von 2018.
Nun wurde den Sparerenden von den Anbietern vorgeworfen, sie schadeten mit ihrem Verhalten nicht nur der Bausparkasse, sondern auch der gesamten Bauspargemeinschaft. Die Bausparkassen, die übrigens allesamt (bis auf ein paar Landesbausparkassen) als Aktiengesellschaft firmieren, rollten „zum Schutz des Bausparkollektivs“ eine zuvor nie da gewesene Kündigungswelle aus. Nach und nach kündigten sie Altverträge mit facettenreichen neuen Praktiken.
Viele dieser Praktiken stellten sich im Nachhinein als rechtswidrig heraus. Andere dagegen haben die Gerichte nicht beanstandet oder sie sind bis heute höchstrichterlich nicht geklärt. Jedenfalls steigen die Gewinne der Bausparkassen mittlerweile wieder und den Investoren werden steigende Erträge aufgrund der „neuen Tariflandschaft“ präsentiert.
Vom Regelsparbeitrag zum Pflichtsparbeitrag
In der Vergangenheit haben Bausparkassen es regelmäßig hingenommen, dass die Sparenden weniger als die vereinbarte Regelsparrate einzahlten. Einige wie die Alte Leipziger Bauspar AG haben in ihre Bausparurkunden sogar explizit den Hinweis aufgenommen, dass es sich bei dem tariflichen Regelsparbeitrag um eine „Sparempfehlung“ handele, „von der die Sparenden jederzeit abweichen könnten“.[1]
Seit einigen Jahren hat sich die Geschäftspolitik aber geändert: Auf der Suche nach Möglichkeiten, sich von unprofitablen Altverträgen zu trennen, berufen sich die Bausparkassen heutzutage regelmäßig auf eine Klausel in den Bausparbedingungen. Danach dürfen sie die Sparenden auffordern, rückständige Regelsparraten innerhalb von nur zwei Monaten nachzuzahlen. Wird binnen der gesetzten Frist nicht nachgezahlt, wird die Kündigung wirksam.
Das Landgericht Aachen stellte dazu zutreffend fest, dass es der Bausparkasse nicht darum ginge, Geld vom Bausparenden zu erhalten, „sondern darum, den durch fehlende Regelbesparung und niedriges Zinsniveau unrentabel gewordenen Bausparvertrag zu kündigen.“ Den Sparenden wirft das Gericht gleichzeitig vor, sie hätten sich selbst jahrelang vertragszweckwidrig verhalten, indem sie die Regelsparbeiträge nicht gezahlt hätten. Das Gericht entschied im Sinne der Anbieter.
Klar ist: Einen Bausparvertrag auf Vorrat abzuschließen, um irgendwann einmal günstig bauen zu können – dieses Kalkül können die Bausparkassen wohl mit der Aufforderung zur Nachzahlung ganz legal hintertreiben.
Es gibt aber noch andere Wege für die Anbieter, eine Kündigung durchzusetzen: Bei einer Rate von fünf Promille der Bausparsumme beispielsweise kann spätestens 17 Jahre nach dem Vertragsabschluss ein Verfallsdatum wirksam werden. Dann ist der Vertrag bei einer Regelbesparung voll angespart. Damit ist der Vertragszweck erfüllt und die Bausparkasse darf ebenfalls kündigen. Ab der Zuteilungsreife haben die Bausparerenden – vertraglich vereinbart – zwar Anspruch auf ein Bauspardarlehen. Da sich dessen Höhe aber typischerweise aus der Differenz zwischen Bausparsumme und Bausparguthaben errechnet, spielt die Zeit unweigerlich der Bausparkasse in die Hände.
Verkaufsmasche staatliche Förderung
Bausparverträge wurden und werden bis heute regelmäßig auch mit dem Argument verschiedenster staatlicher Förderungen verkauft – ob nun Wohnungsbauprämie oder Wohn-Riester und früher auch noch Eigenheimrente und Baukindergeld. Insbesondere die Riester-Rente birgt in der Variante des Bausparvertrags und der Sofortfinanzierung aber erhebliche Fallstricke.
Auf diese Fallstricke weisen Vermittler im Rahmen des Verkaufsgesprächs jedoch regelmäßig nicht hin, wie Fälle aus unserer Verbraucherberatung zeigen. Denn Verbraucherinnen wird nicht gestattet, sich so einfach aus teuren und unflexiblen Sofortfinanzierungen zu lösen. Die Konstruktion sieht vor, zwingend ein Wohnförderkonto zu bilden, mit dem die Steuerlast im Rentenalter berechnet wird.
Der Gesetzgeber hat zwar eine Möglichkeit geschaffen, mit deren Hilfe sich Verbraucher von der Steuerlast des Wohnförderkontos lösen können. Dieser Weg scheitert aber an der Geschäftspolitik der Anbieter. Sie weigern sich, die für eine Minderung des Wohnförderkontos notwendigen Zuzahlungen anzunehmen.
Fazit und Ausblick
Wie dargelegt, zeigen insbesondere die Erfahrung der letzten 15 Jahre eindrücklich, dass Bausparende nicht davon ausgehen können, die Anbieter hätten stets das Wohlergehen der Verbraucherinnen im Sinn. Die Wahrheit ist, dass es sich auch bei Bausparkassen schlicht um profitmaximierende Unternehmen mit eigenen Interessen handelt, die denen ihrer Kunden entgegenstehen können. Die Institute haben mittlerweile einen umfangreichen Instrumentenkasten entwickelt, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen und den eigenen Vertragsbestand gewinnmaximierend zu optimieren. Aus Sicht der Anbieter haben die Interessen der Bausparenden hintenanzustehen.
Literaturverzeichnis
[1] Handelsblatt vom 17.08.2018: „Vom Freund zum Feind“, Seite 28
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Gastbeitrag im Finanzwende-Blog. Die jeweiligen Autor*innen geben nicht zwangsläufig Finanzwende Positionen wieder.
Niels Nauhauser
Niels Nauhauser (Twitter) arbeitet seit 2004 für die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und leitet dort die Abteilung Altersvorsorge, Banken, Kredite. Über sein Team von spezialisierten Verbraucherberaterinnen ist er nah dran am Marktgeschehen und deckt regelmäßig Missstände auf.
Foto: (c) Verbraucherzentrale Baden-Württemberg