Earth Overshoot Day: junge Klimabewegung fordert nachhaltige Finanzmärkte

Luisa Hübschen, Lukas Hengel

05.05.2021

Immer mehr Gruppen innerhalb der jungen Klimabewegung verschaffen sich Gehör und fordern: Der Finanzmarkt darf sich seiner Verantwortung in der Klimakrise nicht entziehen.

  • Die vorherrschenden Wirtschaftsstrukturen treiben den Raubbau an der Natur maßgeblich voran.
  • Um unsere Wirtschaftsweise nachhaltig zu verändern, braucht es einen systemischen Ansatz. Der Finanzmarkt spielt hierbei eine entscheidende Rolle.
  • Es gilt Strukturen nachhaltig zu verändern und vor allem unsere Art zu Wirtschaften neu zu definieren.

Heute ist German Earth Overshoot Day. Das bedeutet, dass die deutsche Bevölkerung und Wirtschaft bereits ab dem heutigen Tag die ihr zustehende Menge an den globalen natürlichen und nachwachsenden Ressourcen inklusive des CO2-Kontingentes erschöpft hat. Somit leben wir ab heute, dem 05. Mai, sowohl auf Kosten zukünftiger Generationen, als auch auf Kosten anderer Regionen der Erde, die schon heute unter den Folgen der Übernutzung leiden. Setzen wir diese Lebensweise fort, sind die weltweiten Ressourcen zeitnah erschöpft und ganze Ökosysteme stehen vor dem Kollaps.

Unsere Wirtschaftsstrukturen treiben den Raubbau an der Natur maßgeblich voran. Wir benötigen daher einen systemischen Ansatz, der es ermöglicht, unsere Wirtschaftsweise nachhaltig zu verändern. Der Finanzmarkt spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Er rückt daher auch verstärkt in den Fokus von Jugendbewegungen wie FridaysForFuture. Es gilt Strukturen nachhaltig zu verändern und vor allem unsere Art zu Wirtschaften neu zu definieren. Dafür braucht es auch junge Menschen, die den Status Quo hinterfragen und getrieben von ihren eigenen Visionen an neuen Ideen mitarbeiten.

Der Finanzmarkt als Treiber eines wirtschaftlichen Umbaus

2015 hat sich die internationale Staatengemeinschaft auf das Pariser Klimaabkommen geeinigt, um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5°C zu begrenzen. Eine enorme Kraftanstrengung ist gefordert: Zur Minderung von Emissionen müssen wir in den nächsten Jahren unsere Wirtschaft umbauen, Produktionsweisen überdenken und neue Geschäftsfelder erschließen. Daraus ergibt sich ein großer Investitionsbedarf, der nicht nur von öffentlicher Hand getragen werden kann. Art 2.1 des Abkommens gibt daher vor „die globalen Finanzflüsse mit dem 1,5°C-Ziel in Einklang zu bringen“ um die nachhaltige Umstrukturierung von Unternehmen zu unterstützen.

Generationengerechtigkeit entscheidet sich auch am Finanzmarkt

Da Unternehmen auf externe finanzielle Mittel angewiesen sind, kommt dem Finanzsektor bei der Erreichung der Klimaziele eine entscheidende Rolle, sowie Verantwortung zu. Finanzierungen von heute entscheiden darüber, ob fossile Strukturen gefestigt oder so verändert werden, dass uns eine klima- und ressourcengerechte Zukunft erwartet. In was für einer Welt wir als zukünftige Generationen leben werden, hängt also von den Investitionsentscheidungen ab, die heute getroffen werden. Finanzakteur*innen haben die Möglichkeit, politischen Entscheidungen vorwegzugreifen, indem sie beispielsweise durch die Anwendung von nachhaltigen Kriterien auf ihre Finanzierung einen frühzeitigen Kohleausstieg herbeiführen.

Fehlende systematische Berücksichtigung von Nachhaltigkeit

Das Handeln vieler Finanzakteure steht im Widerspruch zu ihrer Verantwortung. Obwohl das Thema Nachhaltigkeit seit zwei Jahren wöchentlich eine breite Öffentlichkeit erreicht, findet es noch wenig Berücksichtigung bei Finanzmarktentscheidungen. Kurzfristige Profite durch klimaschädliche und menschenrechtsverletzende Investitionen sind die Norm. Klima- und Nachhaltigkeitsaspekte finden allenfalls in der Nische Berücksichtigung und sind fern von einer systematischen Verankerung. Aufgrund fehlender verbindlicher Definitionen nutzen viele Akteure daher auch das Wort „Nachhaltigkeit“ als Wettbewerbsfaktor und betreiben damit gezielt Greenwashing.

Die mangelnde Integration von Nachhaltigkeit im Finanzsektor ist nicht nur fatal für die globale Klimagerechtigkeit, sondern birgt auch ökonomische Konsequenzen für den Finanzsektor selbst. Die Integration von klimabedingten Risiken in Finanzentscheidungen ist zentral, um zum Beispiel die Gefahr von „stranded assets“ durch strengere Klimapolitiken abzuwenden. Ähnlich verhält es sich mit physischen Risiken bedingt durch Temperaturveränderungen und vermehrte Naturkatastrophen, die zu riesigen Geschäftsverlusten führen können. Langfristig ist so auch die Finanzmarktstabilität gefährdet, erneut auf Kosten nachfolgender Generationen.

Eine neue Generation nimmt den Finanzsektor ins Visier

Die Menschen, die sich bei FridaysForFuture für ihre Zukunft engagieren, bringen oft ganz unterschiedliche Hintergründe und Wissen mit. Einst vor allem als Schüler*innenbewegung gestartet, haben wir natürlich nicht den Anspruch als Expert*innen für Finanzmärkte verstanden zu werden. Es reicht aber aus, das aktuelle Geschehen in den Blick zu nehmen um zu verstehen, dass sich der Finanzmarkt beim Thema Klimagerechtigkeit neu aufstellen muss. Wir müssen hinterfragen wie der Staat sein Geld ausgibt, wie unsere Banken ihr Geld anlegen und welche Projekte Investmentfonds finanzieren; Und zunehmend tun wir das auch. In Österreich darf die Klimabewegung auf eine erfolgreiche Kampagne gegen die Raiffeisenbank zurückschauen und auch in der Schweiz formiert sich die junge Bewegung aktuell gegen die Credit Suisse. Sogar international nimmt FridaysForFuture den Finanzmarkt ins Visier und attackiert öffentlichkeitswirksam die Verfehlungen der Standard Chartered Bank. Unsere Generation mischt sich ein und verlangt strukturelle Veränderungen.

Fazit

Auch wenn der Finanzmarkt oft undurchdringbar und extrem komplex erscheint, geraten die einhergehenden Chancen und Risiken immer mehr ins Visier unserer jungen Bewegung. Der Finanzmarkt sollte nicht Selbstzweck der Kapitalmehrung sein, sondern Projekte ermöglichen, die sich positiv auf Umwelt, Klima und Menschen auswirken. Und wer kann diesen Paradigmenwechsel besser bestreiten als junge Klimaaktivist*innen, die sich einmischen und nicht an der Seitenlinie warten, bis sie alt genug für die bestehenden Strukturen sind? Der Earth Overshoot Day zeigt: die Zeit drängt, Vorbilder gibt es zu Genüge und die deutsche FridaysForFuture-Bewegung steht endlich in den Startlöchern. Ihr könnt gespannt sein! #KeineKohlefürdieKohle

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Gastbeitrag im Finanzwende-Blog. Die jeweiligen Autor*innen geben nicht zwangsläufig Finanzwende Positionen wieder.

 

Luisa Hübschen

Luisa Hübschen ist Aktivistin bei FridaysForFuture und Koordinatorin der Finanzkampagnen.

Lukas Hengel

Lukas Hengel ist Aktivist bei FridaysForFuture und Koordinator der Finanzkampagnen.

Aktuelles im Blog

CoCo-Bonds: Haftung auf den Kopf gestellt

Die Anerkennung von CoCo-Bonds als regulatorisches Eigenkapital war ein Fehler, denn dadurch wurde die Haftung der Aktionär*innen, also der Eigentümer*innen der Bank, für Verluste geschwächt statt gestärkt. Statt Kapital von minderwertiger Qualität braucht es mehr „echtes“ Eigenkapital, damit Banken stabil aufgestellt sind.

Aktuelles im Blog

CoCo-Bonds: Haftung auf den Kopf gestellt

Die Anerkennung von CoCo-Bonds als regulatorisches Eigenkapital war ein Fehler, denn dadurch wurde die Haftung der Aktionär*innen, also der Eigentümer*innen der Bank, für Verluste geschwächt statt gestärkt. Statt Kapital von minderwertiger Qualität braucht es mehr „echtes“ Eigenkapital, damit Banken stabil aufgestellt sind.