Frauen investieren seltener in Wertpapiere als Männer. Zugleich werden Frauen bei Geldanlagen im Schnitt schlechter beraten. In den letzten Jahren warben deshalb immer mehr Anbieter*innen mit Finanzberatung, die sich explizit an Frauen richtet. Doch immer wieder lauern unter dem Deckmantel des Feminismus Kostenfallen: Die Beratung ist überteuert oder es gibt sie nur auf Provisionsbasis. Und manchmal werden unpassende Produkte empfohlen.
- Frauen lassen durchschnittlich 7,5 Prozent Rendite im Jahr liegen, weil sie seltener an der Börse investieren als Männer. Das hängt auch damit zusammen, dass sie im Schnitt schlechter beraten werden als Männer. Wenn Berater*innen ein Ehepaar beraten, halten sie Studien zufolge sogar häufiger Blickkontakt zum Mann.
- In diesem Missstand haben einige Anbieter*innen eine Marktlücke erkannt und werben mit Finanzberatung für Frauen. Doch in mehreren Fällen ist der vermeintliche Feminismus nur ein Marketing-Gag. Selbst Anbieter*innen wie MLP oder DVAG werben mit Frauenberatung.
- In sozialen Netzwerken werben Finanz-Blogger*innen mit Mentorings für Frauen, die Kosten bleiben dabei oft intransparent oder bewegen sich im mittleren Tausenderbereich.
Viele Frauen kennen diese Situation aus dem Drogeriemarkt: Sie wollen ein Körperpflegeprodukt oder Einmalrasierer kaufen – oft gibt es diese Produkte in quietschig-pinker Verpackung. Doch ein kurzer Blick aufs Preisschild zeigt, dass dieses Produkt deutlich teurer ist als sein farb- und geschlechtsneutrales Pendant. Pink Tax nennt sich dieses Phänomen – ein Aufpreis für sogenannte Damenprodukte.
Auch in der Finanzberatung werben einige Anbieter*innen mit Angeboten, die sich bewusst an Frauen richten. Doch nicht immer sind diese Beratungsangebote so feministisch wie sie scheinen. Oft handelt es sich nur um überteuerte Coachings, gewöhnliche Provisionsberatung oder um Versuche, Kundinnen zu Investments in fragwürdige, hochspekulative Finanzprodukte zu überreden.
Frauen werden im Schnitt schlechter beraten
Dabei ist ein Bedarf für Finanzberatung, die sich gezielt an Frauen richtet, durchaus vorhanden. So sind rund 80 Prozent der Finanzberater*innen männlich, wie Alexandra Niessen-Ruenzi sagt. Sie leitet den Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim und forscht unter anderem zu geschlechtsspezifischen Unterschieden an den Kapitalmärkten. Studien hätten zudem ergeben, dass Frauen im Schnitt schlechter beraten werden, sagt Niessen-Ruenzi. 2021 ergab zum Beispiel eine Auswertung von Protokollen aus rund 27.000 Beratungsgesprächen, dass Frauen eher Empfehlungen zum Kauf teurer, bankeigener Investmentfonds erhalten als Männer.
Nur 13,3 Prozent der Frauen seien in Aktien investiert, so Niessen-Ruenzi. Bei den Männern sind es demnach immerhin 23,4 Prozent. Auf diese Weise würden Frauen im Schnitt 7,5 Prozent Rendite im Jahr liegen lassen. Eine Rolle dabei spielt jedoch auch, dass Frauen im Schnitt risikoaverser sind – auch bei der Geldanlage, wie eine Umfrage der Beratungsgesellschaft EY ergab.
Dass sich Finanzberater*innen darüber Gedanken machen, wie sie Frauen besser ansprechen können, ist daher grundsätzlich lobenswert. Doch für potenzielle Kundinnen ist es schwer zu erkennen, ob Feminismus ernst gemeint oder nur ein Marketing-Label ist. Denn mittlerweile werben selbst Finanzvertriebe wie die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) und MLP mit Finanzen für Frauen.
Feminismus oder nur Finanzmaklerin?
Wer „Finanzberatung für Frauen“ in einer Suchmaschine eingibt, stößt direkt auf eine Vielzahl an Angeboten, die sich zunächst gut anhören. Doch oft verdienen die vermeintlich frauenfreundlichen Finanzberater*innen ihr Geld mit Provisionen. Das heißt: Vermitteln sie erfolgreich Produkte an ihre Kundschaft, erhalten sie Geld von den entsprechenden Produktanbieter*innen (zum Beispiel eine Bank oder eine Versicherungsgesellschaft).
Auch freie Finanzmakler*innen – die nicht nur für ein bestimmtes Unternehmen Produkte vermitteln – sind Verbraucherschützer*innen zufolge nicht frei von Interessenkonflikten, da sich Provisionen in ihrer Höhe unterscheiden. Sie sind bei der Beratung also möglicherweise nicht objektiv und handeln nicht immer im Sinne der Kund*innen.
Auch „Frau & Geld“, eine Firma, die von der bekannten Finanzexpertin Helma Sick gegründet wurde – die für ihre Arbeit sogar das Bundesverdienstkreuz erhielt – finanziert sich laut Angaben auf der eigenen Website „über Gebühren, die beim Kauf der einzelnen Produkte anfallen.“ Weiter heißt es: „Die Gebühr/Courtage/Provision erhalten wir je nach Art des Produkts einmalig und/oder auf mehrere Jahre verteilt, direkt von den Gesellschaften oder direkt von Ihnen als Honorar.“
Auf Nachfrage erklärt Renate Fritz, die „Frau & Geld” seit 2022 von Helma Sick übernommen hat, was damit gemeint ist: Würde eine Kundin nach einer Einschätzung fragen, ob sie richtig versichert ist und ihr Geld passend angelegt hat, würde die Beratung nach Zeit abgerechnet werden. Versicherungen würden meistens auf Provisionsbasis vermittelt. Bei Geldanlagen gebe es zwei Möglichkeiten: Bei einem Einzelfonds würden Ausgabeaufschläge mindestens halbiert, bei standardisierten Vermögensverwaltungen würde ein Vermögensverwahrentgelt erhoben, das vierteljährlich für den Dreimonatsdurchschnitt ermittelt werde.
Außerdem betont Fritz: Die Beraterinnen würden ein Festgehalt erhalten, das keine variablen abschlussbezogenen Anteile enthalte, um Fehlanreize zu vermeiden. Sie würden ausschließlich Produkte vermitteln, die zur Kundin passen.
Das Beispiel zeigt: Es gibt auch Anbieter*innen, die mehrere Vergütungsmodelle kombinieren und das auch offen kommunizieren. Viele Verbraucherschützer*innen fordern aber ein vollständiges Provisionsverbot – das jedoch weiter auf sich warten lässt. Ende April verkündete die zuständige EU-Kommissarin Mairead McGuiness, ein solches Verbot zunächst nicht einführen zu wollen.
Tausende Euro für „Mentorings”
Eine der wohl bekanntesten Finanzexpertinnen ist Natascha Wegelin, die sich unter dem Namen „Madame Moneypenny“ auf YouTube, in einem Podcast auf Spotify, per Instagram und auf ihrem eigenen Blog mit Geldanlagen auseinandersetzt. Wenn eine Zeitung über das Thema „Finanzen für Frauen“ berichtet, wird sie gerne zitiert.
Ihre Finanztipps sind durchaus vernünftig: Sie rät dazu, diversifiziert und in ETFs anzulegen und empfiehlt, genug Geld für den Notfall zurückzulegen. Doch sie wirbt auf ihren Kanälen auch für ihr Mentoring-Programm. Acht Wochen lang sollen ihre Kundinnen lernen, wie sie „finanziell selbstbestimmt“ werden und ihre „Finanzen selbst in die Hand nehmen.“ Das Programm bestehe aus Online-Videos, Arbeitsmaterialien, Live-Calls mit ihr und ihren Trainer*innen sowie einer geschlossenen Facebook-Gruppe. Einzelgespräche sind allerdings nicht Teil des Mentorings.
Doch wie hoch die Kosten für dieses Coaching-Angebot sind, macht „Madame Moneypenny“ nicht transparent. Auf der Website ist lediglich von einer „Investition im mittleren 4-stelligen Bereich“ die Rede. Eine Sprecherin nennt erst auf Nachfrage eine Summe: 5.499 Euro. „Wir zeichnen den Preis nicht auf der Website aus, da es uns wichtig ist, die Summe im Kontext der Leistung und des individuellen Mehrwerts im direkten Gespräch zu kommunizieren”, erklärt sie.
Die Autorin dieses Textes hat im vergangenen Jahr mehrere Honorarberater*innen gefragt, welche Summen sie für eine umfassende Beratung eines Geldanlage-Neulings berechnen würden. Ein Berater gab an, für 20 bis 30 Stunden Einzelberatung rund 5.000 Euro zu berechnen, nötig seien aber höchstens zehn. Ein anderer Berater sprach von 2.500 Euro für 12 Stunden Einzelberatung – diese würden genügen, damit sich absolute Einsteiger*innen umfassend beraten fühlen.
„Madame Moneypenny“ möchte mit ihrem Mentoring allerdings gar keine klassische Beratung anbieten, wie auch die Sprecherin der Finanzexpertin betont. „Unsere mehr als 3.000 Kundinnen kommen nicht nur zu uns, um in Sachen Finanzen beraten zu werden, sondern vor allem, weil sie nachhaltig Finanz- und Investitionswissen selbst erlangen möchten und sich persönlich weiterentwickeln wollen”, schreibt sie. Das gehe über die Leistungen einer Honorarberatung hinaus.
Optionshandel für den Feminismus
Wenn das Label „Frauen und Finanzen“ als Werbegag genutzt wird, ist das mindestens fragwürdig. Doch es geht noch eine Stufe weiter: Es gibt auch Influencer*innen, die unter dem Vorwand, Frauen zu finanzieller Freiheit zu verhelfen, hochspekulative Finanzprodukte bewerben – etwa Copytrading. Hier kopieren Anleger*innen automatisch die Positionen anderer Einzelpersonen. In vielen Fällen handelt es sich dabei um CFD-Trading, also um Differenzkontrakte, eine Art von Finanzderivat. Damit können Anleger*innen auf künftige Kursverläufe spekulieren, beispielsweise von Aktien, also auf fallende oder steigende Kurse wetten. Viele Fachleute warnen vor CFDs, da die große Mehrheit der Anleger*innen unterm Strich damit Geld verlieren.
Gerade solche Beispiele zeigen: Nicht jede Person, die mit dem Label „Finanzen für Frauen“ wirbt, macht das aus feministischen Motiven. Deshalb sollten Kundinnen bei Frauenfinanzberatung genau hinsehen: Handelt es sich um Finanzmakler*innen oder Honorarberatung? Wie transparent sind die Preise, gibt es günstigere Angebote? Denn das Geld, das Frauen in überteuerte oder fehlerhafte Beratung investieren, wirft definitiv keine Rendite mehr ab.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Gastbeitrag im Finanzwende-Blog. Die jeweiligen Autor*innen geben nicht zwangsläufig Finanzwende Positionen wieder.
Judith Henke ist Finanzjournalistin beim Handelsblatt. Davor arbeitete sie bis April 2023 im Investigativ-Ressort der WELT, wo sie sich mit Anlagebetrug, Geldwäsche und Immobilien befasste. Sie verantwortete die Artikelreihe „Die Netz-Checkerin“, wo sie fragwürdige Angebote unter die Lupe nahm, die in den sozialen Medien beworben werden. Sie hat Volkswirtschaft an der Universität zu Köln studiert und die Kölner Journalistenschule abgeschlossen.