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- In den vergangenen Wochen sind Tech-Unternehmen an den Börsen unter die Räder gekommen, für Öl- und Gasfirmen ging es dagegen meist aufwärts.
- Dadurch stieg bei den Vermögensverwaltern, die oft hohe Anteile an Unternehmen verwalten, die Bedeutung fossiler Geldanlagen.
- Der Gewinn von Blackrock und Co. hängt nun noch mehr vom Erfolg von Öl- und Gasfirmen ab, insofern besteht ein Anreiz, weniger auf Nachhaltigkeit zu pochen.
Die vergangenen Wochen waren turbulente Zeiten für die weltweiten Aktienmärkte. Russlands Krieg in der Ukraine hat neben dem Elend für das ukrainische Volk eine weltweite Energie- und Nahrungsmittelkrise verursacht. Der Krieg und die Corona-Krise haben die globalen Lieferketten unterbrochen und die Produktion von High-Tech-Gütern erheblich beeinträchtigt.
Um die steigende Inflation zu senken, haben Zentralbanken ihre Leitzinssätze wieder angehoben. Es ist jedoch unklar, inwiefern diese Änderungen die der Inflation zugrunde liegenden Angebotsschocks abmildern sollen. Dies erregte in der ganzen Welt allgemeine Besorgnis über die Aussichten des Wirtschaftswachstums und führte zu einer Verkaufswelle an den Aktienmärkten, die diese erheblich beeinträchtigt hat.
Tech-Werte mit hohen Verlusten
Die Auswirkungen des jüngsten Crashs betreffen die Wirtschaft jedoch nicht gleich stark, sondern sind ungleichmäßig auf verschiedene Sektoren und Personengruppen verteilt. Während der Dow Jones Industrial Average seit Jahresbeginn circa zehn Prozent seines Marktwerts verlor, büßte der Technologiewerte-Index Nasdaq Composite Index im gleichen Zeitraum rund 24 Prozent seines Werts ein. Wie in der aktuellen Debatte um den weitgehend wirkungslosen “Tankrabatt” deutlich wird, konnten Öl- und Gasunternehmen ihre Einnahmen und Gewinne deutlich steigern. Dadurch erhöhte sich auch deren Wert an den Aktienmärkten.
Ein Beispiel hierfür ist ExxonMobil, dessen Aktien in den letzten sechs Monaten um über 35 Prozent gestiegen sind. Ein weiteres Beispiel ist der Ölgigant Saudi Aramco, der, wie die Financial Times berichtete, nach Marktkapitalisierung jüngst zum wertvollsten Unternehmen der Welt wurde und damit zum ersten Mal seit 2020 Apple ablöste.
Diese Verschiebung der Anlagevermögen von Technologiewerten hin zu fossilen Brennstoffen ist eine schlechte Nachricht für das Klima.
Warum? Der Versuch, die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas zu verringern, führte bereits zu einer verstärkten Erkundung fossiler Brennstoffe und Investitionen in fossile Infrastruktur, wodurch die Gefahr eines sogenannten “Carbon Lock-Ins” steigt.
Die Entwicklung ist allerdings noch beunruhigender, wenn man sich die Unternehmenspolitik im Finanzsektor genauer ansieht. Wie der Politökonom Benjamin Braun kürzlich argumentierte, leben wir in einem Zeitalter des “Asset-Manager-Capitalism”, zu Deutsch Vermögensverwalter-Kapitalismus. Ein erheblicher Teil der weltweiten Aktien (im Wert von mehreren Billionen Dollar) werden von lediglich drei großen Vermögensverwaltern – nämlich BlackRock, Vanguard und State Street – gehalten. Die Vermögensverwalter werden daher zu neuen “universellen Eigentümern” und haben durch ihr Stimmgewicht auf Aktionärsversammlungen einen signifikanten Einfluss auf die Steuerung nahezu aller börsennotierten Unternehmen der Welt.
Öl- und Gasfirmen erhöhen Umsätze der Vermögensverwalter
Dies führt zu einer direkten Verbindung zwischen der Art und Weise, wie Vermögensverwalter ihr Geld verdienen und der Klimastrategie einer Vielzahl von Unternehmen. Haupteinnahmequelle von Vermögensverwaltern sind Verwaltungsgebühren, die als fester Prozentsatz des verwalteten Vermögens erhoben werden. Vermögensverwalter haben daher zwei Möglichkeiten, ihre Einnahmen zu steigern: Die erste besteht darin, neue Kunden zu gewinnen, wobei sie in diesem Fall in direkter Konkurrenz mit anderen Vermögensverwaltern stehen. Ein zweiter Ansatz ist, indirekt von den steigenden Aktienkursen zu profitieren: Da durch steigende Aktienkurse der Wert des verwalteten Vermögens steigt, erhöhen sich dadurch auch die prozentual berechneten Gebühren und damit das Einkommen der Vermögensverwalter.
Die jüngsten Kursentwicklungen an den Aktienmärkten führten dazu, dass Vermögensverwalter deutlich höhere Erträge bei Öl- und Gas-Unternehmen erzielten als bei Technologieunternehmen. Der Grund dafür ist, dass die gegenwärtige Verkaufswelle von Technologieaktien nicht nur deren Börsenwerte sinken ließ, sondern entsprechend auch ihren prozentualen Anteil im Portfolio der Vermögensverwalter. Öl- und Gas-Unternehmen hingegen gewannen an Wert und machen nun einen größeren Anteil im Portfolio der Vermögensverwalter aus. Insgesamt sind daher die Umsätze der Vermögensverwalter aktuell wesentlich stärker von Öl- und Gasunternehmen abhängig als noch vor einem Jahr. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass jede Ambition, die Förderung oder Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren, aufgrund deren Wirkung auf die Aktienkurse negative Auswirkungen auf die Einnahmen der Vermögensverwalter hätte.
Gewinne vor Nachhaltigkeit
Vermögensverwalter reagieren bereits auf diese Entwicklungen, indem sie ihr Stimmgewicht auf Aktionärsversammlungen noch weniger als bisher für eine nachhaltige Transformation einsetzen. Der weltweit größte Vermögensverwalter Blackrock kündigte bereits vor wenigen Wochen an, er stünde Aktionärsbeschlüssen kritisch gegenüber, die auf eine schnelle Dekarbonisierung abzielten. Dies steht im starken Kontrast zu der Aussage von Blackrock-CEO Larry Fink, der noch im Januar dieses Jahres bekundete, dass Klimarisiken Anlagerisiken seien.
Obwohl Blackrock den erhöhten Investitionsbedarf für fossile Energien infolge des Krieges in der Ukraine als Grund für diesen Schritt angibt, zeichneten die Geldströme bisher ein anderes Bild. Lange Zeit war es aus Sicht der Vermögensverwalter ertragreich, unter bestimmten Umständen für eine Dekarbonisierung zu stimmen, da damit lukrative Aufträge von einer rapide wachsenden Gruppe nachhaltiger Investoren gewonnen werden konnten. Dies hat sich in den letzten Monaten jedoch grundsätzlich verändert, da nun die Aktienkurse von Öl- und Gasunternehmen eine der wenigen Quellen stabiler Vermögenswerte sind. Deren Dekarbonisierung würde daher sowohl Blackrocks Versprechen, das Vermögen seiner Kunden profitabel zu verwalten, als auch die eigene Einnahmebasis erheblich beeinträchtigen.
Der Fall Blackrock zeigt, wie wichtig es ist, die Wertschöpfungsmodelle der Finanzmarktakteure im Detail zu untersuchen und deren Implikationen für die nachhaltige Transformation zu verstehen. Das Besondere dieser “Vermögenswertpolitik” von BlackRock und Co. ist, dass sie weder von einem Streben nach hohen Dividendenausschüttungen noch von der Aussicht auf Spekulationsgewinne beim Verkauf angetrieben wird. Stattdessen profitieren Vermögensverwalter über ihre fixen Gebühren vor allem von dauerhaft hohen Aktienkursen.
Da Vermögensverwalter Universaleigentümer sind, ist ihre wichtigste Einflussquelle das Stimmrecht, da sie aufgrund ihres gigantischen Vermögens nur sehr eingeschränkt Aktien verkaufen können. Aus diesem Grund sind sie grundsätzlich daran interessiert, auch rechtliche Eigentümer der Aktien ihrer Kunden zu werden und sie nicht nur zu verwalten. Da Umsätze von Vermögensverwaltern von der Aufrechterhaltung der Aktienwerte abhängig sind, steht ihr Eigeninteresse teilweise im direkten Widerspruch zu Kundenwünschen nach einer schnellen Dekarbonisierung der Wirtschaft.
Klimapolitik nicht den Finanzmärkten überlassen
Zuletzt offenbart der Fall auch die erheblichen Probleme des Versuchs, Klimapolitik den Finanzmärkten zu überlassen. Wie die Vermögenswertpolitik von Blackrock zeigt, werden selbst geringe Ambitionen, die Wirtschaft nachhaltiger zu gestalten, über Bord geworfen, sobald sie die Profite der Finanzintermediäre bedrohen könnten.
Es ist zwar prinzipiell richtig, das Finanzsystem umweltfreundlicher zu gestalten, aber wie die derzeitige Krise verdeutlicht, kann es nicht als Hauptakteur für eine grüne Transformation dienen. Die Probleme einer solchen oberflächlichen Begrünung des Finanzsystems hat Finanzwende Recherche vor Kurzem ausführlich beschrieben. Ein deutlich effektiverer Weg wäre eine stärkere Finanzmarktregulierung in Verbindung mit öffentlichen Investitionen und einer indikativen Planung. Um eine tödliche Klimakrise mit einer Erderwärmung über 1,5 °C zu vermeiden, müssen wir die Klimapolitik klar in die Hände der Regierungen geben, anstatt sie Investoren und Vermögensverwaltern zu überlassen.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Gastbeitrag im Finanzwende-Blog. Die jeweiligen Autor*innen geben nicht zwangsläufig Finanzwende Positionen wieder.
Philipp Golka
Dr. Philipp Golka ist Postdoktorand der Wirtschaftssoziologie an der Universität Leiden in den Niederlanden und interessiert sich seit gut zehn Jahren für Finanzmärkte und Nachhaltigkeit. Er promovierte zum Thema Impact Investing und beschäftigt sich seitdem mit dem Zusammenspiel zwischen Pensionsfonds und Vermögensverwaltern, insbesondere in Bezug auf Nachhaltigkeit.