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Studie: Der Armutsnachteil

Wie sich der finanzielle Alltag
von Millionen Menschen
verbessern ließe

08.12.2025

Über Geld spricht man in Deutschland nicht, über wenig Geld erst recht nicht. Finanzwende Recherche will das ändern. In der Studie „Der Armutsnachteil“ hat Finanzwende Recherche starke Hinweise darauf gefunden, dass Menschen mit wenig Geld am Finanzmarkt häufig strukturell benachteiligt sind.

Millionen Menschen haben geringe finanzielle Rücklagen und tun sich schwer, privat Vermögen aufzubauen. Mit Blick auf die großen sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen, zum Beispiel durch den demografischen Wandel, ist deshalb eine breite gesellschaftliche Diskussion zu Verteilungsfragen unerlässlich.

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die vermögensärmere Hälfte der Bevölkerung in ihrem finanziellen Alltag im Durchschnitt nicht nur sehr wenig Erspartes hat, sondern auch geringere Renditen als Wohlhabendere auf ihre Vermögenswerte erhält und oft mehr für Finanzprodukte bezahlt.

Mit folgenden Vorschlägen liefern wir einen konkreten Diskussionsbeitrag, wie sich der finanzielle Alltag von Menschen mit wenig Geld verbessern ließe.

1. Ein kostengünstiges Basiskonto, das aktiv angeboten wird

Verbraucherproblem

Alle Verbraucher*innen in der Europäischen Union haben seit Mitte 2016 einen Anspruch auf ein sogenanntes Basiskonto. Diese Guthabenkonten sind speziell für Menschen mit kleinem Budget gedacht. Doch die Umsetzung in Deutschland ist mangelhaft – sowohl was den Zugang als auch die Preise für das Konto angeht.

Finanzwende-Vorschlag

Wir schlagen vor, dass Banken allen Kund*innen, für die ein Girokonto nicht in Frage kommt, aktiv ein Basiskonto anbieten müssen. Die Kosten des Basiskontos sollen zudem jährlich bei 36 Euro gedeckelt werden.

Erläuterung

Eine aktuelle Untersuchung des Verbraucherzentrale Bundesverbands weist darauf hin, dass Banken den Zugang zum Basiskonto für Menschen mit wenig Geld teilweise erschweren und versperren. Damit alle Kund*innen ohne Chance auf ein normales Girokonto eine Alternative haben, sollen Banken diese von sich aus verpflichtend über das Basiskonto informieren.

Basiskonten sind hierzulande obendrein besonders teuer: In der Spitze kosten sie jährlich mehr als 250 Euro – und damit oft mehr als ein Girokonto. Ein Kostendeckel erscheint daher notwendig. Eine pragmatische Richtschnur dafür ist etwa der aktuelle Regelbedarf, der Empfänger*innen von Bürgergeld für Finanzdienstleistungen aller Art zugebilligt wird. Aufgerundet entspräche das einem Betrag von 36 Euro im Jahr. Das Entgelt für ein Basiskonto sollte nicht über dieser Summe liegen.

2. Ein bevorzugt verzinstes Sparkonto für finanzschwache Bürger

Verbraucherproblem

Millionen Menschen haben geringe Rücklagen, oft sind es nur um die 1.000 Euro. Menschen mit wenig Geld sind darauf angewiesen, dass sie ihr Sicherheitspolster verfügbar anlegen können und dafür solide Zinsen erhalten. Denn mit einem Notgroschen für Reparaturen kann man nicht ins Risiko gehen.

Finanzwende-Vorschlag

Wir schlagen ein solide verzinstes Sparkonto für Menschen mit geringen Einkommen vor. Für Millionen Deutsche mit geringen Einkommen wäre es eine Möglichkeit, ihren Notgroschen sicher zu verstauen. Der Zins soll für ein begrenztes Sparguthaben von zum Beispiel 10.000 Euro gelten. Der Zins könnte sich am Einlagezins der Europäischen Zentralbank orientieren und – wie in Frankreich – teilweise von den Banken gezahlt werden.

Erläuterung

In Frankreich gibt es vergleichbare Angebote für Finanzschwache: Banken stellen dort Kund*innen mit erwiesenermaßen geringem Steuereinkommen ein gebührenfreies Konto zur Verfügung – das Livret d’Épargne Populaire („Volkssparbuch“). Es gilt ein staatlich regulierter Zinssatz, für den teilweise die Banken aufkommen. Das Guthaben ist täglich verfügbar und es eignet sich daher als Sicherheitspolster.

3. Rechtsanspruch auf kostenlose Schuldnerberatung für alle

Verbraucherproblem

Schätzungsweise sechs Millionen Menschen in Deutschland sind überschuldet. Doch nicht einmal jede*r Zehnte erhält Hilfe in einer Schuldnerberatung. Es gibt derzeit keinen Rechtsanspruch auf kostenlose Beratung. Die Schuldnerberatung in anerkannten, öffentlichen Stellen ist in der Regel kostenlos. Oft sind diese öffentliche Schuldnerberatungen aber nicht ausreichend finanziert.

Die Folge: Beratungsangebote für Schuldner*innen kosten häufig Geld, das die Betroffenen situationsbedingt nicht aufbringen können. Von der kostenlosen Beratung sind – je nach Kommune – oft Rentner*innen oder Kleinselbstständige ausgenommen.

Finanzwende-Vorschlag

Wir schlagen ein Recht auf kostenlose Schuldnerberatung für alle, die sie brauchen, vor. Damit in der Praxis auch jede*r von diesem Rechtsanspruch profitieren können, halten wir außerdem eine Erhöhung der personellen und finanziellen Ressourcen für anerkannte Schuldnerberatungsstellen für nötig. 

Erläuterung

Rund 25 Prozent der Erwachsenen haben maximal 2.000 Euro Bruttovermögen. Viele von ihnen zahlen außerdem oft teure Konsumkredite ab. Wer in dieser Situation krank oder arbeitslos wird, für den steigt die Gefahr, in Überschuldung zu geraten. Die Bundesregierung hat sich zwar vorgenommen, den Zugang zur Schuldnerberatung zu stärken, zum Beispiel durch Berichte zur Verfügbarkeit von Beratungsangeboten. Ein Rechtsanspruch auf kostenfreie Schuldnerberatung für alle ist aber nicht vorgesehen.

4. Den Staat als Gläubiger stärker in die Pflicht zu nehmen

Verbraucherproblem

Wer in Deutschland einen Antrag auf Privatinsolvenz stellen will, muss erst versuchen, sich außergerichtlich mit seinen Gläubigern zu einigen. Öffentlich-rechtliche Gläubiger lehnen eine außergerichtliche Einigung allerdings sehr oft pauschal ab – ohne zu prüfen, ob eine Verhandlungslösung auch für sie wirtschaftlicher wäre.

Finanzwende-Vorschlag

Wir schlagen vor, dass öffentlich-rechtliche Gläubiger standardmäßig Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchführen. Dafür sollte der rechtliche Rahmen für alle öffentlich-rechtlichen Gläubiger angepasst werden. Vorbild kann die Vorgabe für Finanzämter sein, nach der eine außergerichtliche Einigung nicht allein an ihnen scheitern soll. Mit mehr Ermessensspielraum könnten öffentlich-rechtliche Gläubiger dann prüfen, ob Schuldenstundungen oder -erlasse ökonomisch sinnvoll sind.

Erläuterung

Außergerichtliche Einigungen für Schuldner*innen scheitern bisher sehr oft daran, dass ein öffentlich-rechtlicher Gläubiger eine solche Einigung ablehnt. Das Problem drängt, weil die öffentliche Hand zu den wichtigsten Gläubigergruppen gehört. Laut dem iff-Überschuldungsreport 2024 stammen über 17 Prozent aller Forderungen bei Menschen, die Rat bei einer Schuldnerberatung suchen, von Gläubigern der öffentlichen Hand. Nur der Anteil von Forderungen aus Ratenkrediten lag noch höher.

5. Staatlich organsierter Schutz bei Berufsunfähigkeit

Verbraucherproblem

Jede*r Vierte wird in seiner*ihrer Arbeitsbiographie mindestens einmal berufsunfähig. Für diesen Fall kann man zum Beispiel mit einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung vorsorgen. Menschen in körperlich anspruchsvollen Berufen zahlen risikobedingt höhere Prämien bei der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung.

Das liegt daran, dass private Versicherer in ihrer Kalkulation die unterschiedlichen beruflichen Risiken berücksichtigen und dafür Berufsgruppen bilden. Die Prämienunterschiede bei der Berufsunfähigkeitsversicherung liegen zwischen den „teuersten“ und den „günstigsten“ Berufsgruppen zwischen 400 und 800 Prozent. Gerade für körperlich arbeitende Menschen ist privater Berufsunfähigkeitsschutz sehr häufig nicht bezahlbar – oder gar nicht zu bekommen.

Finanzwende-Vorschlag

Wir wollen, dass ein ausreichender Basisschutz bei Berufsunfähigkeit staatlich organisiert wird.  

Erläuterung

Die deutsche Rentenversicherung sieht die unzureichende Absicherung bei Invalidität als größte Herausforderung bei der Risikoabsicherung. Im Jahr 2016 fand sich diese Invaliditätsabsicherung nur bei knapp einem Drittel der Riester-Anwartschaften der 40-59-jährigen.

Ein staatlich organisierter und verpflichtender Schutz gegen Berufsunfähigkeit könnte dafür sorgen, dass ein einziges großes Kollektiv mit einer Durchschnittskalkulation für vertretbare Preise für alle sorgt.

Das Projekt wird gefördert von:

Logo: Hans Böckler Stiftung- Mitbestimmung, Forschung, Stipendien
Studie: Der Armutsnachteil

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Rund 35 Millionen Erwachsene gehören zur unteren Vermögenshälfte in Deutschland. Sie können im Schnitt auf 6.000 Euro Bruttovermögen zurückgreifen. Die neue Studie von Finanzwende Recherche zeigt: Vermögensarme Menschen tun sich aufgrund geringer Anlagesummen und niedriger Renditen schwerer als Wohlhabende, eine finanzielle Absicherung aufzubauen. Das hat vielfach strukturelle Gründe.

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