Big-Techs im Finanzwesen
Welche Gefahr von Big-Tech Unternehmen im Finanzsektor ausgeht
- Big-Techs bieten auch in der EU immer mehr Finanzdienstleistungen an (zum Beispiel Apple Pay, Google Pay).
- Das Angebot von Finanzdienstleistungen schafft Risiken für Verbraucher*innen, die Finanzstabilität und die Demokratie.
- Es ist noch nicht zu spät, umfangreiche Regeln für Big-Techs mit Finanzsparte in der EU zu erlassen.
Big-Techs wie Apple, Google, Amazon und Co. sind in verschiedenen Bereichen des Lebens längst allgegenwärtig. Bereits heute besitzen sie eine enorme Marktmacht und sind für ihren problematischen Umgang mit ihren (Nutzer-)Daten bekannt. Nun dringen genau diese Unternehmen auch in die Finanzbranche vor und bieten verschiedene Finanzdienstleistungen an. Dazu gehören neben Zahlungsdiensten auch Kreditvergabe und Ratenkredite (Buy-Now-Pay-Later).
Eine gefährliche Kombination
Für die Big-Techs ist die Einführung von Finanzangeboten sehr attraktiv. Ein Blick nach China und in die USA zeigt: Big-Techs im Finanzsektor haben großes Erfolgspotenzial. Sie können sehr schnell dominante Finanzakteure werden – mit fatalen Folgen für Verbraucher*innen, die Finanzstabilität und die Demokratie.
Ihr Geschäftsmodell basiert auf einer Kombination aus Big Data, breit gestreuten Aktivitäten und Netzwerkeffekten. Diese wirkt für sie wie ein Wachstumsmotor: Mit Hilfe fortschrittlicher Datenanalyse können Big-Techs hoch optimierte Produkte für ihre Kundschaft entwickeln. Diese können sie dann an den bereits bestehenden Kundenstamm herantragen. Das generiert neue Daten für weitere Optimierung und zieht wiederum zusätzliche Kund*innen an. Das Big-Tech-Unternehmen kann weiter wachsen.
Vom Tech-Gigant zum Finanzgigant
Welche Ausmaße dieses rasante Wachstum annehmen kann, insbesondere im Bereich Finanzdienstleistungen, zeigt das Beispiel Alipay in China.
Alipay wurde 2004 als eigener Zahlungsdienst der chinesischen Online-Handelsplattform Alibaba gegründet. Der aus der Not entstandene Zahlungsdienst wurde, nachdem er aus der Muttergesellschaft ausgelagert wurde, binnen weniger Jahre zum größten Finanztechnologie-Unternehmen der Welt.
Das ungehemmte Wachstum kam 2020 erst kurz vor dem geplanten Börsengang durch die chinesischen Aufsichtsbehörden zum abrupten Ende. Dennoch wickelt Alipay heutzutage mehr als die Hälfte aller mobilen Zahlungen in China ab. Gleichzeitig versucht Alipay nun, seine Dienste in Europa zu etablieren – unter anderem als Sponsor der Fußball-Europameisterschaft 2024.
Risiken für Verbraucher*innen, Markt und Demokratie
Das wachsende Angebot von Finanzdienstleistungen durch Big-Techs schafft Risiken für Verbraucher*innen, die Finanzstabilität und die Demokratie:
Detaillierte Nutzer- sowie Finanzdaten lassen neuartige Risikobewertungen bei der Vergabe etwa von (Raten-)Krediten und anderen Finanzprodukten zu. Das kann Preisdiskriminierung oder gar Exklusion bestimmter Nutzergruppen von diesen Diensten oder Produkten begünstigen. Für die Finanzstabilität ist zudem die schiere Geschwindigkeit problematisch, mit der die Finanzsparte der Big-Techs anwächst. Aber auch die Größe, die die Finanzsparte der Big-Techs annehmen kann, kann die Finanzstabilität bedrohen – wie etwa die Geschichte Alipays zeigt.
Big-Techs mit großer Finanzsparte könnten neben dem bekannten Phänomen „zu groß zum Scheitern” (engl. „too big to fail”) auch „zu vernetzt zum Scheitern“ (engl. „too interconnected to fail”) werden. Denn durch die Kooperation mit traditionellen Banken können Big-Techs gerade in der Anfangsphase die teure und aufwändige Finanzregulierung umgehen. Durch diese Art der Zusammenarbeit entsteht jedoch eine zunehmende Vernetzung und Komplexität des Finanzdienstleistungssektors.
Die ohnehin einflussreichen Tech-Giganten können über das Angebot von Finanzdiensten außerdem ihre finanziellen Ressourcen vergrößern und noch effektiver Einfluss in politischen Prozessen etwa durch offene und verdeckte Lobbyarbeit ausüben. Auch im Hinblick auf die politische Souveränität in der EU stellt sich die Frage, inwieweit und mit welchen Regeln ausländische Tech-Firmen nun auch den Finanzdienstleistungsbereich in der EU für sich erschließen sollten.
Der richtige Zeitpunkt zum Handeln
Bei der Ausbreitung der Big-Techs in die Finanzwelt gibt es vor allem ein wesentliches Problem: die unzureichende Regulierung. Gegenüber traditionellen Finanzinstituten haben Big-Techs einen klaren Regulierungsvorteil. Denn einerseits profitieren sie von der Zusammenführung der Daten aus ihrem Kerngeschäft. Andererseits werden aber genau diese Interaktionen aus Kern- und Finanzgeschäft regulatorisch nicht ausreichend erfasst.
Auch wenn der Eintritt von Big-Techs in den Finanzsektor weltweit unterschiedlich fortgeschritten ist, gibt es einen gemeinsamen Trend: Der Machtausbau von Big-Techs schreitet weiter voran.
Die noch relativ geringe Präsenz der Big-Techs im europäischen Finanzwesen sollte als Chance gesehen werden, ihren Eintritt frühzeitig und aktiv zu begleiten und mitzugestalten. Denkbar ist etwa eine Trennung der Finanzsparte vom Kerngeschäft der Big-Techs und die Gruppierung aller Finanzdienste unter einer beaufsichtigen Finanzholding-Gesellschaft. Ziele eines jeden Regulierungsansatzes sollten – neben einem hohen Verbraucherschutz – die Eingrenzung systemischer Finanzrisiken sowie der Schutz vor einem weiteren unkontrollierten Machtzuwachs der Big-Techs sein.
Die vorliegende Studie „Mehr Geld, mehr Macht: Big-Techs im Finanzwesen” analysiert, wie Big-Techs ihr Erfolgs- und Wachstumspotenzial durch die Einführung von Finanzdiensten vergrößern. Davon ausgehend werden Risiken identifiziert und Handlungsempfehlungen abgeleitet, die langfristig zum Schutz der Verbraucher*innen, eines fairen Wettbewerbs und der Demokratie beitragen sollen.
Die Studie ist auch in einer englischen Version verfügbar.
Mehr zu uns
Der Krypto-Finanzsektor - Schöne neue Welt?
Der Krypto-Finanzsektor hat Potenzial, die Finanzwelt zu verbessern. Stand heute ist der Krypto-Finanzsektor allerdings stark zentralisiert und weitestgehend spekulationsgetrieben. Lesen Sie hier das Grundlagenpapier von Finanzwende Recherche zum Krypto-Finanzsektor.
Digitalbanken und Online-Broker
Sie heißen Klarna, Paypal oder Trade Republic – neue, digitale Finanzunternehmen begegnen einem derzeit überall: Aber was hat es mit den neuen Finanzunternehmen auf sich? Wie unterscheiden sie sich von traditionellen Banken? Was macht sie so erfolgreich? Und sind sie für Verbraucher*innen eher Fluch oder Segen?
Kriminalität im und über den Krypto-Finanzsektor
Milliardenschäden, spektakuläre Pleiten und anonyme Geldtransfers: Der Krypto-Finanzsektor geht mit Gefahren einher. Staatliche Behörden sind dem aber nicht hilflos ausgesetzt.
Verbraucherschutz
Am Finanzmarkt gibt es zwischen Verbraucher*innen und Anbieter*innen strukturelle Ungleichheiten, vielfach zum Nachteil von Verbraucher*innen. Finanzieller Verbraucherschutz arbeitet dafür, das schiefe Spielfeld geradezurücken. Finanzwende Recherche veröffentlicht Studien, macht Vorschläge für fairere Regelungen und klärt Verbraucher*innen auf.