
Bodenloser Profit
Wenn Agrarland zur Finanzanlage wird
- Investoren wie Unternehmensgruppen oder Stiftungen von wohlhabenden Privatpersonen kaufen Agrarland als sichere und renditeträchtige Wertanlage – auf Kosten der Landwirt*innen. Seit 2007 sind die Kaufpreise in Deutschland im Schnitt um 191 Prozent gestiegen. Das setzt die Landwirt*innen unter starken finanziellen Druck.
- Trotz Regelungen zum Schutz von Landwirt*innen nutzen Investoren sogenannte Share Deals, um Ackerland steuerfrei zu erwerben und dabei sowohl die Genehmigungspflicht, als auch das Vorkaufsrecht für Landwirt*innen zu umgehen.
- Die Studie zeigt exemplarisch fünf Beispiele vom Einstieg fachfremder Investoren in die Landwirtschaft auf und diskutiert mögliche Handlungsmöglichkeiten, um die Entwicklung einzudämmen.
Seit der Finanzkrise 2007/2008 steigen vermehrt Investoren in die Landwirtschaft ein und kaufen Agrarland als lukrative Vermögensanlage auf. Immer weitere Wertsteigerungen, üppige Subventionen und hohe Pachteinnahmen machen Agrarland für Investoren attraktiv. Dieser Trend verstärkt seitdem die ohnehin angespannte Situation der Landwirt*innen, da durch die höhere Nachfrage die Preise für Agrarflächen in die Höhe schießen. Die Folge sind für viele Landwirt*innen unbezahlbare Kauf- und Pachtpreise, die sie daran hindern, ihren Betrieb zu erweitern und damit ihr Einkommen zu sichern.
Preisanstieg durch höhere Nachfrage
Zwischen 2007 und 2020 stiegen die Preise für Agrarflächen in Deutschland um 191 Prozent, der DAX hingegen gerade mal um 108 Prozent.

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Schutzmechanismen werden ausgehebelt
Es gibt gesetzliche Regelungen, die sicherstellen sollen, dass das Agrarland in den Händen der Landwirt*innen liegt. Jedoch wissen viele Investoren diese gekonnt zu umgehen. Das Mittel der Wahl sind dabei in den meisten Fällen Share Deals. Anstatt das Agrarland direkt zu erwerben, kaufen sie Anteile an Unternehmen, die Agrarland besitzen. Dadurch umgehen sie nicht nur die Genehmigungspflicht für Flächenkäufe und das Vorkaufsrecht für Landwirt*innen, sondern müssen auch keine Grunderwerbssteuer zahlen. Diese Praktiken erschweren den Zugang von Landwirt*innen zu Agrarland und verstärken die Gefahr von hohen Flächenkonzentrationen insbesondere in Ostdeutschland.
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Fünf namhafte fachfremde Investoren
Schaut man sich die Investoren an, die sich in die Landwirtschaft einkaufen, wird eines schnell klar: Mit der Branche Landwirtschaft hatten sie zuvor nur wenig zu tun. Zu den fachfremden Investoren gehören Unternehmen wie das Versicherungsunternehmen Münchener Rück oder Quarterback Immobilien, das zum Wohnungskonzern Vonovia gehört. Neben fachfremden Unternehmen investieren auch vermögende Privatpersonen mit Hilfe von vermögensverwaltenden Stiftungen in Agrarland, wie die Aldi-Nord-Erben oder die Möbelhaus-Familie Steinhoff. Nicht zuletzt zählen auch klassische Beteiligungsgesellschaften, wie die Igeno Infrastructure Partners, zu den Käuferinnen von Agrarland.
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Handlungsmöglichkeiten
Die Studienergebnisse zeigen ganz deutlich: Es gibt zwar Regularien, die Landwirt*innen schützen sollen, jedoch gibt es Schlupflöcher, um diese zu umgehen:
- Maßnahmen wie Agrarstrukturgesetze ermöglichen eine umfassende Genehmigungspflicht für alle Arten von Flächenverkäufen und die Stärkung des Vorkaufsrechts für Landwirt*innen.
- Zudem könnten systematische steuerliche Benachteiligungen beim Vorkaufsrecht, wie die doppelt anfallende Grunderwerbsteuer, abgebaut werden.
- Potentiell schädliche Flächenkonzentrationen in der Hand von Investoren könnten durch Obergrenzen eingedämmt werden.
- Flächenverkäufe, die deutlich über dem üblichen Verkehrswert vergleichbarer Grundstücke liegen, könnten in Genehmigungsverfahren abgelehnt werden.
- Die auf Länderebene vorgeschlagene Anzeigepflicht für Share Deals könnte auf Bundesebene erweitert werden. Denkbar wäre die Einschränkung von Share Deals bis hin zum Verbot.
- Abschließend könnte eine Reform der europäischen Agrar-Subventionspolitik die flächenbasierte Subventionierung deckeln, sodass die Auszahlung an Agrarbetriebe in Hand fachfremder Investoren begrenzt wird.
Video: Wenn Agrarland zur Finanzanlage wird
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