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Nachhaltige Finanzmärkte

Nachhaltige Finanzmärkte

14.08.2025

In Zeiten der Klimakrise ist die Beziehung zwischen Finanzwirtschaft und Nachhaltigkeit ein heiß diskutiertes Thema. Dazu gehören nachhaltige Geldanlagen und die Frage, welcher Bank wir unser Geld anvertrauen, genauso wie die Bedrohung des Finanzsystems als Ganzes durch den Klimawandel.

Denn Geld und Investitionen sind entscheidende Stellschrauben für eine nachhaltige Zukunft. Die Finanzierungsentscheidungen von Banken und Investor*innen bestimmen die Investitionen von heute und damit unser Wirtschaftssystem von morgen.

Umso wichtiger ist es daher, dass Finanzmärkte nachhaltig ausgerichtet sind. Diese nachhaltige Ausrichtung wird oft unter dem Begriff Sustainable Finance zusammengefasst.

Was ist Sustainable Finance? 

Sustainable Finance (deutsch: nachhaltiges Finanzwesen) beschreibt die nachhaltige Ausrichtung des Finanzsystems von der Geldanlage bis zur Bankenaufsicht. Oft stehen dabei drei zentrale Bereiche – Umwelt („Environment“), Soziales („Social“) und Unternehmensführung („Governance“) – im Vordergrund. Das Ziel ist, dass Finanzmärkte ESG-Risiken berücksichtigen und einen positiven Beitrag für Menschen und Umwelt leisten.

Fragile Finanzmärkte in Zeiten der Klimakrise

Laut Weltklimarat IPCC bedeutet schon eine Erderwärmung von 1,5 °C dramatische Folgen für das Leben auf der Erde. Mit jedem Zehntelgrad mehr werden diese sich verschärfen. Sollten die Ambitionen nicht über das aktuell Geplante hinausgehen, steuern wir ungefähr auf einen Anstieg auf 3,2 °C bis Ende des Jahrhunderts zu.

In einem solchen Szenario wären viele küstennahe Regionen überflutet und zahlreiche Landstriche gänzlich unbewohnbar. Zentralbanker*innen sehen die Klimakrise deshalb als eine der größten Bedrohungen für Finanzstabilität und Volkswirtschaften insgesamt.

Nachhaltigkeitsrisiken sind nicht ausreichend transparent und an den Finanzmärkten noch nicht richtig eingepreist. Dieser Fehlanreiz führt dazu, dass viel Geld in Unternehmen und Projekten steckt, die an Wert verlieren dürften – entweder durch die notwendige Transformation der Wirtschaft oder durch direkte Folgen der Klimakrise wie zunehmende Extremwetterereignissen oder den Meeresspiegelanstieg.

Drängt die Politik zum Beispiel auf einen schnelleren Ausstieg aus fossilen Technologien als aktuell erwartet wird, können bestehende Vermögenswerte wie fossile Kraftwerke auf einen Schlag stark an Wert verlieren. Diese werden dann zu sogenannten „Stranded Assets“ (deutsch: gestrandete Vermögenswerte), die Finanzakteur*innen in Schwierigkeiten bringen können. Untersuchungen zeigen: Die größten Banken der Welt sind einem fossilen Kreditrisiko von über 1 Billion US-Dollar ausgesetzt, dessen Risiko nicht ausreichend durch Eigenkapital abgedeckt ist.

Darüber hinaus warnen Versicherer regelmäßig, dass im fortschreitenden Klimawandel immer größere Teile der Welt und Weltwirtschaft nicht versicherbar sein werden. Schon heute melden sie kontinuierlich steigende Unwetterschäden und Stimmen aus der Finanzwelt warnen, dass die nächste Finanzkrise von Klimawandelfolgen getrieben sein könnte.

Nachhaltigkeit wird nicht mitbedacht

Eine Ursache für diese Risiken im Finanzsektor ist die Risikobetrachtung der Finanzakteur*innen. Sie ist schlicht nicht auf Klimarisiken ausgerichtet, denn sie arbeiten größtenteils mit historischen Daten und betrachten mit Blick auf die Zukunft häufig in Zeiträumen von drei bis fünf Jahren. Dadurch werden mittel- und langfristige Auswirkungen der Klimakrise nicht realistisch abgebildet. Das gefährdet die Finanzstabilität.

Gleichzeitig werden große Mengen an Kapital benötigt, um die Transformation der Wirtschaft schnellstmöglich auf den Weg zu bringen. Das fehlerhafte Risikoverständnis und unzureichender Klima- und Umweltschutz führen allerdings dazu, dass Investitionen in fossile Energieträger wie Kohle und Öl weiterhin profitabel sind. Währenddessen bleiben wichtige, langfristige Investitionen, zum Beispiel in klimafreundliche und -resiliente Infrastruktur, auf der Strecke.

Greenwashing bei „nachhaltigen“ Geldanlagen

Viele Menschen möchten Nachhaltigkeit in ihren Investitionsentscheidungen berücksichtigen. Als nachhaltig titulierte Fonds und Geldanlagen boomen am Finanzmarkt. Oft sind diese allerdings weniger nachhaltig als Anleger*innen glauben gemacht wird. Eine Studie von Finanzwende Recherche hat 2023 gezeigt, dass „nachhaltige Fonds“ in Zeiten von Ukrainekrieg und Energiekrise ihre Investitionen in fossile Energien sogar gesteigert haben. Das läuft dem Nachhaltigkeitsverständnis der meisten Anleger*innen zuwider.

Im Mai 2025 sind einheitliche Leitlinien der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) in Kraft getreten, die klare Kriterien für den Ausschluss fossiler Investitionen beinhalten, je nachdem welche nachhaltigkeits- oder umweltbezogenen Begriffe (zum Beispiel „klima“ oder „grün“) in den Fondsnamen auftauchen. In der Folge haben Fondsanbieter allerdings in vielen Fällen ihre Untersuchungen zeigen, um fossile Investitionen fortzusetzen zu können. Dennoch sind diese Leitlinien ein positiver Schritt hin zu glaubwürdigeren grünen Geldanlagen.

In der Zwischenzeit bleibt es für Anleger*innen oft noch immer schwer zu bewerten, wie nachhaltig eine Geldanlage wirklich ist. Diese Intransparenz ist ein Einfallstor für Greenwashing: Anbieter*innen bieten weiterhin Produkte an, die nicht so „grün“ sind, wie sie auf den ersten Blick scheinen. 

„Grüne“ Zertifikate

Ein Beispiel dafür sind „Grüne Zertifikate“. Diese sind vielfach eine Mogelpackung, wie Finanzwende Recherche 2023 zeigte. Bei Erwerb eines Zertifikats leihen Anleger*innen der betreffenden Bank Geld, für welches sie Zinsen erhalten und was nach einem gewissen Zeitraum rückgezahlt wird. Die Rückzahlung ist dabei an die Entwicklung eines „Basiswerts“ am Finanzmarkt gekoppelt, also zum Beispiel an eine Aktie, einen Index oder einen Rohstoff. Entwickelt dieser Wert sich wie erwartet, erhalten Anleger*innen Zinsen, aber falls er sich schlecht entwickelt, drohen Verluste bis zum Totalausfall.

„Grüne“ Zertifikate unterscheiden sich dadurch von gewöhnlichen, dass die Bank selbst und der Basiswert als nachhaltig eingestuft sein müssen. Aber was nachhaltig ist, haben die Banken selbst festgelegt. So genügt ein mittelmäßiges „A“-Rating der Ratingagentur MSCI (was alle großen Banken bereits erfüllen) und dass die Bank den UN Global Compact, eine freiwillige UN-Initiative für nachhaltige Unternehmensführung unterzeichnet hat. Mit diesen weichen Kriterien können die Banken fast alle ihrer Zertifikate als grün verkaufen.

Das Geld, das Anleger*innen der Bank mit einem solchen Zertifikat leihen, kann diese dann verwenden, wie sie möchte, und ist dabei nicht an nachhaltige Zwecke gebunden. Eine nachhaltige Anlage der Mittel ist somit nicht gewährleistet. Grüne Zertifikate sind weder für Verbraucher*innen, noch für das Ziel einer nachhaltigen Wirkung auf dem Finanzmarkt eine gute Wahl.

Den Finanzsektor nachhaltig umbauen

Sustainable-Finance-Regeln sollen als Leitplanken für den Finanzsektor dafür sorgen, dass Nachhaltigkeitsrisiken richtig eingepreist und berücksichtigt werden. So soll einerseits die Finanzstabilität gesichert, andererseits Kapital von schädlichen in grüne Investitionen umgelenkt werden. Es gibt zahlreiche Wege, diese Ziele voranzutreiben:

  • Im Rahmen der europäischen Nachhaltigkeitsregeln sollten Unternehmen zur einheitlichen und umfassenden Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen verpflichtet werden, damit deren Nachhaltigkeitsrisiken richtig bewertet werden können. Die auf europäischer Ebene bereits teilweise eingeführten Regeln könnten aktuell jedoch teilweise zurückgenommen werden.
  • Finanzmarktakteur*innen sollten vorausschauende Risikomodelle nutzen statt auf Modelle zu setzen, die Nachhaltigkeitsrisiken nicht ausreichend berücksichtigen. Dafür zu sorgen ist auch Aufgabe der Aufsicht.
  • Die Aufsicht sollte aufgrund der Klima- und Umweltrisiken höhere Eigenkapitalunterlegungen verlangen, sodass Banken auch in Zeiten steigender Temperaturen stabil aufgestellt sind. Investitionen mit hohem Klimarisiko könnten dadurch teurer und weniger attraktiv werden. Zusätzlich sollte die Aufsicht bestehende Regeln zu Greenwashing und Nachhaltigkeitsrisiken stärker als bisher durchsetzen.
  • Zentralbanken wie die EZB und Förderbanken wie die KfW sollten sich am Pariser Klimaabkommen ausrichten.

In Deutschland berieten Sustainable Finance Beiräte die beiden letzten Bundesregierungen zu einer nachhaltigen Finanzpolitik. Finanzwende war jeweils vertreten und hat sich für ambitionierte Regeln eingesetzt. Der Beirat der Ampel-Regierung hat mit aktiver Finanzwende-Mitarbeit ein Positionspapier erarbeitet, das für eine stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei öffentlichen Geldanlagen plädiert.

Nachhaltige Finanzmärkte schaffen keine Wunder

Ein grüner Umbau des Finanzsystems löst jedoch nicht alle Probleme. Auch in nachhaltigeren Finanzmärkten wird es den Anreiz geben, kurzfristig zu handeln. Dadurch gelangen wichtige, langfristige Investitionen ins Hintertreffen. Solange sich dreckige Investitionen also lohnen, werden sie auch getätigt. Außerdem werden nachhaltige Finanzmärkte ohne grundlegende Reformen weiter krisenanfällig sein und können wie bisher zu einer Umverteilung von unten nach oben führen.

Die Wirksamkeit der Nachhaltigkeitsbestrebungen hängt also auch davon ab, wie mit den grundlegenden Defiziten der Finanzmärkte umgegangen wird. Wenn die „klassischen“ Baustellen am Finanzmarkt nicht angegangen werden, sind die Grenzen von Sustainable Finance schnell erreicht. Eine Analyse, wie Sustainable Finance zu einem effektiven Hebel für die Transformation werden kann, liefert ein Bericht von Finanzwende Recherche.

Zusammen mit oekom e.V. gab Finanzwende Recherche eine Ausgabe der Zeitschrift politische ökologie heraus. Darin werden bestehende strukturelle Defizite der Finanzmärkte aufgezeigt, gleichzeitig wird ihre potenzielle Rolle in der ökologischen Transformation beleuchtet und die Reformen die dazu nötig sind. Dazu gehören zum Beispiel eine langfristigere Denkweise, die den Klimawandel einbezieht oder echte Investitionen anstatt von Aktienrückkäufen. Dazu braucht es klare Rahmenbedingungen und Steuerungselemente, wie hohe CO2-Preise oder eine Finanztransaktionssteuer.

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