Neue ESMA-Leitlinien: Verhindern die neuen Regeln jetzt das Greenwashing bei Fonds?

Joachim Wardenga

21.11.2024
Ziel der neuen ESMA-Regeln ist es, irreführende Nachhaltigkeitsangaben in den Namen von Fonds zu verhindern und damit das Risiko von „Greenwashing“ zu vermeiden. Für die Verbraucher*innen, die ihr Geld nachhaltig in Wertpapieren anlegen möchten, sind das gute Nachrichten. Momentan fällt es vielen gar nicht oder erst später auf, dass ihr Geld bei vermeintlich nachhaltigen Fonds nicht nur in tatsächlich nachhaltige Unternehmen investiert, sondern unter Umständen auch in Aktien von Ölkonzernen angelegt wurde.

  • Aktuell werden viele Fonds als nachhaltig oder grün angeboten, deren tatsächliche Nachhaltigkeit mehr als zweifelhaft ist. Investitionen in Ölkonzerne und dergleichen sind keine Seltenheit.
  • Die europäische Aufsicht für Wertpapiere (ESMA) hat neue Regeln für Fondsnamen mit Nachhaltigkeitsbezug verabschiedet.
  • Für Fonds mit Bezug zu Umwelt und Nachhaltigkeit im Namen gelten unter anderem klare Ausschlüsse für fossile Energien, also Kohle, Erdöl und Erdgas.

Die Neuerungen im Überblick

Für Fonds, die Begriffe aus den Bereichen Umwelt oder Nachhaltigkeit im Namen haben, gelten zukünftig Ausschlüsse für Investitionen in fossile Energien (siehe „Leitlinien zu Fondsnamen, die ESG- oder nachhaltigkeitsbezogenen Begriffe verwenden“). Dazu gehören konkret Begriffe wie ESG, nachhaltig, Klima oder sozial. ESG steht für ökologisch (Environmental), sozial (Social) und gute Unternehmensführung (Governance).

Alle von den neuen Regeln erfassten Fonds müssen mindestens 80 Prozent der Investitionen im Einklang mit ihren erklärten Nachhaltigkeitsmerkmalen oder -zielen tätigen. Wenn ein Fonds beispielsweise damit wirbt, nur in die nachhaltigsten Unternehmen jeder Branche zu investieren, muss das für mindestens 80 Prozent seiner gesamten Investitionen zutreffen. Zudem gilt für alle Fonds im Anwendungsbereich der Richtlinie ein Ausschluss von Herstellern international geächteter Waffen wie zum Beispiel Streumunition, Tabakunternehmen und Unternehmen mit Menschenrechtsverstößen.

Für welche Fondsnamen im Detail welche Regelungen greifen, ist in der nachfolgenden Tabelle dargestellt. Unterschieden wird zwischen umweltbezogenen Begriffen (I), nachhaltigkeitsbezogenen Begriffen (II) und solchen mit Bezug zu Transition, Sozialem oder Governance (III). Führt ein Fonds mehrere der Begriffe im Namen, gelten sämtliche relevante Anforderungen zusammen.

Welche Regelung für welchen Fondsnamen gilt

 

I: Umweltbe­zogene Begriffe: ESG, Grün, Klima, Umwelt, Wirkung / Impact

II: Begriff nachhaltig oder daran angelehnt

III: Begriffe Transition, sozial oder gute Unternehmens­führung (Governance)

Mind. 80 Prozent der Anlagen erfüllen Nachhaltigkeits-merkmale oder -ziele
Ausschluss fossiler Energien* X
Ausschluss von kontroversen Waffen, Tabak und Verstößen gegen UN Global Compact / OECD-Leitlinien
Weitere Anforderungen Bei Zusatz „Wirkung“ / „Impact“: Positive und messbare soziale oder umweltbezogene Wirkung / Bei „Transition“: Klarer und messbarer Pfad zu sozialer oder umwelt-Transformation

* Unternehmen mit mehr als 1 Prozent Umsatz mit Kohle, 10 Prozent mit Erdöl, 50 Prozent mit Erdgas oder Stromproduzenten mit mehr als 50 Prozent des Stroms mit mehr als 100g/CO2 Kilowattstunde Strom.

Ein Beispiel: Der „DWS Concept ESG Blue Economy Fonds“ müsste sich nach diesen Regeln umbenennen oder Aktien verkaufen, da seine aktuellen Investments nicht die Anforderungen erfüllen.

Dank der neuen Leitlinien können Anleger*innen erwarten, dass Fonds künftig zu großen Teilen das halten, was der Name verspricht. Die Leitlinien treten am 21. November 2024 für neue Fonds in Kraft. Für Fonds, die vorher aufgelegt wurden, gibt es eine Übergangsfrist bis zum 21. Mai 2025. Die BaFin als deutsche Aufsichtsbehörde hat in diesem Zusammenhang bereits erklärt, dass die Leitlinien ihre bisherige Verwaltungspraxis vollständig ablösen werden.

Auswirkungen auf neue und bestehende Fonds

Für neu aufgelegte Fonds sind diese Anforderungen leicht umzusetzen. Anders sieht es für bestehende Fonds aus, die entsprechende Namensbezeichnungen haben. Von knapp 68.000 Investmentfonds mit Sitz in der EU betrifft das ESMA zufolge fast 6.500 Fonds, die ESG-bezogene Begriffe im Namen führen.

Einer Morningstar-Analyse zufolge besteht bei rund 1.600 Fonds Handlungsbedarf, um die neuen Regeln einzuhalten. Sie müssen sich von einzelnen Titeln trennen oder ihren Namen ändern. Sollten alle Fonds ihren Namen behalten, müssten sie laut der Analyse Aktien im Wert von 40 Milliarden US-Dollar verkaufen. Zu den am stärksten hiervon betroffenen Unternehmen gehören nach der Analyse unter anderem Total, Shell und Chevron.

Umbenennung oder Verkauf klimaschädlicher Aktien?

Man darf gespannt sein, in welche Richtung sich die bestehende ESG-Fondslandschaft entwickelt: Werden die nachhaltigen Anlagemethoden angepasst und die Portfolios gründlich aussortiert? Oder gibt es eine Umbenennung der Fonds in großem Stil? Und wie systematisch prüft die Aufsicht, ob die neuen Regeln eingehalten werden?

Auch Anleger*innen, die bereits jetzt Geld in nachhaltigen Fonds angelegt haben, sollten sich ab November die Nachrichten ihrer Fondsgesellschaft genau anschauen. Eine Namensänderung kann ein Indiz dafür sein, dass der Fonds es mit der Nachhaltigkeit nicht so genau nimmt.

Es braucht ein kohärentes, EU-weites Regelwerk

Ein Kritikpunkt an der neuen Leitlinie ist, dass sie die Regeln für Fondsnamen nicht automatisch EU-weit harmonisiert, da eine direkte Umsetzung durch die nationalen Aufsichtsbehörden nicht zwingend erfolgen muss. Nationale Aufsichtsbehörden müssen allerdings ihr abweichendes Vorgehen in diesem Fall gegenüber der ESMA begründen.

Deshalb ist die anstehende Überarbeitung der Offenlegungsverordnung mit den Artikeln 8 und 9 für grüne Fonds weiterhin richtig und wichtig. Das Resultat sollte ein einheitliches und leicht verständliches Regelwerk für nachhaltige Fonds sein, das „Greenwashing“ effektiv verhindert.

In jedem Fall stellt die Leitlinie einen wichtigen Schritt für die Transparenz der Anleger*innen da. Auch wenn zukünftig der Name des Fonds nicht alles sagt und weiterhin in die Fonds-Unterlagen geschaut werden sollte, ist ein fälschliches Suggerieren von Nachhaltigkeit über den Namen damit schwieriger geworden. Das Greenwashing bei Fonds könnte so ein gutes Stück zurückgedrängt werden.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Gastbeitrag im Finanzwende-Blog. Die jeweiligen Autor*innen geben nicht zwangsläufig Finanzwende Positionen wieder.

Joachim Wardenga
Joachim Wardenga
Joachim Wardenga hat mehr als 25 Jahre in unterschiedlichen Positionen als Berater für Banken (Risikomanagement, Aufsichtsrecht und Reporting) gearbeitet. Er ist ehrenamtlich für Finanzwende Recherche tätig.

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