Zwei Jahre nach der Credit-Suisse-Krise – als wäre nichts gewesen

Prof. Doris Neuberger

19.03.2025

Am 19. März 2023 ordnete die Schweizer Regierung eine Notfusion der beiden größten schweizerischen Banken Credit Suisse und UBS an, um eine internationale Finanzkrise durch einen drohenden Ausfall der Credit Suisse abzuwenden. Zwei Jahre danach tun europäische Banken so, als wäre nichts gewesen. Der Kurs geht weiter in Richtung Konsolidierung und Too-big-to-fail (TBTF). 

  • Eine Untersuchungskommission in der Schweiz hat zahlreiche Schwachstellen in der schweizerischen Regulierung, Aufsicht und Krisenfrüherkennung von systemrelevanten Banken aufgedeckt und
    Gegenmaßnahmen gefordert.
  • Statt ihre Stabilität zu erhöhen, schütten europäische Großbanken derweil ihre Rekordgewinne lieber in Form von Dividenden, Aktienrückkäufen und Boni aus.
  • Ohne Reformen der europäischen Wettbewerbs- und Regulierungspolitik werden Regierungen und Bürger*innen noch mehr von Megabanken in Geiselhaft genommen.

Der Fall Credit Suisse

Die Credit Suisse hatte das Marktvertrauen verloren, Liquidität floss ab. Am 19.März 2023 stellte die Schweizer Finanzmarktaufsicht (FINMA) den „Point of Non-Viability“ fest: Die Bank war nicht mehr in der Lage, sich am Markt zu finanzieren. Anstelle einer Abwicklung ordnete die schweizerische Regierung defacto die Fusion mit der UBS an, um die Finanzstabilität zu sichern.

Die schweizerische Regierung verhinderte somit zum wiederholten Mal eine Abwicklung einer systemrelevanten Bank – trotz existierender Stabilisierungs-, Notfall- und Abwicklungspläne. Die Eidgenossen stellten der Credit Suisse umgerechnet knapp 274 Milliarden Euro zur Verfügung, um eine internationale Finanzkrise infolge einer Insolvenz abzuwenden.

Untersuchungskommission fordert härtere Regeln

Eine Parlamentarische Untersuchungskommission in der Schweiz hat Ende 2024 erhebliche Schwachstellen in der Regulierung und Aufsicht von Banken sowie bei der Krisenfrüherkennung identifiziert. Die FINMA hatte dem Abschlussbericht zufolge großzügige Erleichterungen bei den Eigenkapitalvorschriften gewährt: Ein buchhalterischer Trick namens „regulatorischer Filter“ hielt die Eigenkapitalquote künstlich hoch und erweckte den Anschein ausreichender Kapitalisierung. Die Aufsicht hatte obendrein diese Erleichterungen ohne nachvollziehbaren Grund gewährt.

Dem Bericht zufolge hatte sich die Aufsicht nicht genügend gegen die Banken durchgesetzt und es versäumt, Tätigkeitsverbote auszusprechen. Die Krise der Credit Suisse war demnach auf eine fragwürdige Risikokultur, mangelhaftes Risikomanagement und interne Fehlanreize zurückzuführen. So hatte das Topmanagement zwischen 2013 und 2022 – trotz einstelliger Milliardenverlusten des Instituts – Boni in zweistelliger Milliardenhöhe kassiert.

Laut Abschlussbericht sollten systemrelevante Banken besser reguliert und überwacht werden. Dazu empfiehlt die Untersuchungskommission dem Gesetzgeber:

  • die internationalen Abhängigkeiten der systemrelevanten Banken, ihre bedeutende Größe sowie Eigenkapital zur Sicherung der Solidität angemessen zu berücksichtigen;
  • Erleichterungen von Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften zu beschränken;
  • den Informationsaustausch zwischen Aufsichtsbehörden zu verbessern und die Durchsetzungskraft der Aufsicht zu stärken;
  • falsche Anreize bei Vergütungen und Ausschüttungen zu beseitigen;
  • variable Vergütungen nur bei Geschäftserfolg zuzulassen;
  • und die Anforderungen an Führungsorgane zu verschärfen, damit Entscheider*innen ihre volkswirtschaftliche Verantwortung wahrnehmen.

UBS tritt breitbeinig auf

Die UBS profitierte derweil massiv von den staatlichen Garantien. Sie übernahm die Credit Suisse zu vorteilhaften Konditionen und baute ihre Stellung als Megabank weiter aus. Konkret: Ihr Bilanzvolumen ist rund doppelt so groß wie das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz, die im Krisenfall wieder einspringen müsste.  Die implizite Staatsgarantie bringt ihr einen gewaltigen jährlichen Refinanzierungskostenvorteil ein. Seit Bekanntgabe der Übernahme hat sie ihren Börsenwert fast verdoppelt. Im letzten Quartal 2024 betrug ihr Vorsteuergewinn 1,8 Milliarden US-Dollar, fast 200 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Die schweizerische Regierung möchte die Anforderungen ans Eigenkapital systemrelevanter Banken erhöhen. Das Kapitalpolster der UBS soll um umgerechnet etwa 16 bis 26 Mrd. Euro aufgestockt werden. Die Bank provoziert jedoch die Schweizer Regierung durch Ankündigung einer deutlichen Dividendenerhöhung und von Aktienrückkäufen. Letztere würde das Geldhaus vom Ausmaß der regulatorischen Eigenkapitalerhöhungen abhängig machen.

Die hohen Gewinne werden ihren Führungskräften hohe Boni bescheren, besonders im stark gewachsenen Investmentbanking. Ironie der Geschichte: Übernommene Credit Suisse-Mitarbeiter*innen, welche die Krise mit angerichtet hatten, sollen mehr Boni erhalten als Alt-UBS-Mitarbeiter*innen, die sich noch immer um die Integration der Credit Suisse bemühen.

Europäische Banken mit Rekordgewinnen

Die Konzentration des europäischen Bankenmarktes nimmt weiter zu. 2024 war das Volumen der Fusionen und Übernahmen von Banken in Europa zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt größer als in den USA. Eine weitere Konsolidierungswelle steht bevor. Die italienische UniCredit will durch Übernahme der Commerzbank und der Banco BPM zur europäischen Megabank aufsteigen. Die zunehmende Konzentration erhöht die Gewinne solcher Banken aus ihrer marktbeherrschenden Stellung und der impliziten Staatsgarantie. Denn wer im Krisenfall mit staatlichen Rettungen rechnen darf, kommt günstiger an fremdes Geld für riskante Wetten – das Risiko tragen schließlich die Steuerzahler*innen.

In den letzten beiden Jahren haben die europäischen Banken Rekordgewinne erzielt. Die Großbanken erreichten Eigenkapitalrenditen von über 10 Prozent und gehen davon aus, dass dies so weitergeht. Die Deutsche Bank erzielte 2024 einen Nettogewinn von 3,5 Mrd. Euro und die Commerzbank mit rund 2,7 Mrd. Euro den höchsten Gewinn in ihrer Geschichte. Die Stabilität der europäischen Banken ist jedoch durch gestiegene makrofinanzielle, geopolitische und handelspolitische Unsicherheit gefährdet. Ihre schwachen Marktbewertungen erschweren eine Kapitalerhöhung im Falle eines plötzlichen Bedarfs.

Europäische Eigenkapitalregulierung besonders lax

Die Anforderungen ans Eigenkapital systemrelevanter Banken sind in der Europäischen Union wie auch in der Schweiz zu gering. Sowohl UBS als auch Deutsche Bank lagen Ende 2024 mit 4,7 beziehungsweise 4,6 Prozent nur knapp über den Vorschriften für die ungewichtete Eigenkapitalquote (leverage ratio). Das ist bei Weitem nicht ausreichend. Experten fordern ungewichtete Eigenkapitalquoten von mindestens 10 oder 15 Prozent.

Europäische Banken sind gegenüber internationalen Wettbewerbern bei der Eigenkapitalregulierung nicht benachteiligt – auch wenn sie das oft behaupten. Im Gegenteil:  Systemrelevante Banken unterliegen in den USA höheren Eigenkapitalanforderungen. Die vergleichbar große US-Bank Goldman Sachs ist mit 5,5 Prozent ungewichteter Eigenkapitalquote besser kapitalisiert als die Deutsche Bank oder UBS.

Europäische Banken mit hohen Ausschüttungen und Boni

Anstatt ihr Eigenkapital zu stärken, möchten die größten europäischen Banken das zweite Jahr in Folge Rekordsummen von fast 123 Mrd. Euro an ihre Aktionär*innen ausschütten – ca. 74 Mrd. Euro an Dividenden und 49 Mrd. Euro an Aktienrückkäufen. Die Deutsche Bank kündigte 2,1 Mrd. Euro Kapitalausschüttungen an, das entspricht 60 Prozent ihres Nettogewinns. Die Commerzbank will satte 100 Prozent ihres Nettoergebnisses – nach Zahlungen für AT1-Anleihen – ausschütten, auch um eine Übernahme durch die Unicredit abzuwehren.

Zum Vergleich: Bankaufsichten haben schon Ausschüttungsquoten von über 30 Prozent als Warnsignal gesehen. Hohe Dividenden erhöhen die Risikobereitschaft der Banken auf Kosten der Einleger*innen und Steuerzahler*innen. Aktienrückkäufe schwächen die Kapitalbasis, vermeiden Steuern auf Dividenden und erhöhen Bonuszahlungen, die an den Börsenkurs gekoppelt sind.  Während Personal abgebaut wird, sollen die Boni im Investmentbanking 2025 erhöht werden: bei der Deutschen Bank um 10, bei BNP Paribas um 5 und bei Barclays um bis zu 20 Prozent.

Megabanken einhegen

Zur Eindämmung von Marktmacht und dem TBTF-Risiko sind eine striktere Fusionskontrolle und Bankenaufsicht sowie ein Instrument zur Entflechtung übermächtiger Konzerne nötig. Megabanken sollten in kleinere Einheiten aufgespalten werden. Regierungen sollten die Abwicklungsfähigkeit von systemrelevanten Banken herstellen – und nutzen. Ein Trennbankensystem würde die interne Ausbreitung von Brandherden verhindern. Der Gesetzgeber sollte die Eigenkapitalanforderungen an systemrelevante Banken auf mindestens 10 Prozent ungewichtetes Eigenkapital erhöhen – dabei muss es um echtes Eigenkapital ohne hybride Anleihen gehen. Außerdem sollte er die Dividendenzahlungen der Großbanken effektiv begrenzen, eine an die Stabilität geknüpfte Bonusbremse einrichten und Aktienrückkäufe verbieten. Wenn es schon eine Staatsgarantie gibt, sollten Aktionär*innen und Führungskräfte auch dafür bezahlen.

Klar ist: Es braucht verbesserte und strikt angewandte Lobbyregeln in der EU und Deutschland um den Einfluss der Banken auf die Regulierung zu begrenzen. Schließlich war einer der Gründe für die beinahe Pleite der Credit Suisse, dass die Aufsicht bei den Eigenkapitalregeln unerklärlicher Weise Ausnahmen erlaubt hatte. Wer staatliche Bankenrettung verhindern will, darf solche Fehler nicht wiederholen.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Gastbeitrag im Finanzwende-Blog. Die jeweiligen Autor*innen geben nicht zwangsläufig Finanzwende Positionen wieder.

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Prof. Doris Neuberger

 

Prof. Doris Neuberger ist Gründungsmitglied bei Bürgerbewegung Finanzwende e. V. und lehrt am Institut für Volkswirtschaftslehre an der Universität Rostock. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Industrieökonomik der Bank, finanzieller Verbraucherschutz und die gesellschaftliche Rolle von Banken.

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