Vermögensverwalter am Steuer: Überlassen wir Blackrock & Co. die Rettung des Planeten?

Brett Christophers

22.01.2025

Ohne uns dessen bewusst zu sein, erleben wir derzeit das vielleicht größte und wichtigste politische Experiment der Menschheitsgeschichte: Wir verlassen uns bei der Bewältigung der Klimakrise in erster Linie auf den Privatsektor. Doch dieses Experiment erweist sich zunehmend als Fehler, der uns die Zukunft unseres Planeten kosten könnte.

  • Wir verlassen uns bei der Bewältigung der Klimakrise in erster Linie auf den privaten Sektor. 
  • Dabei legen wir das Schicksal des Planeten in die Hände von Vermögensverwaltern wie Blackrock, die vor allem an einer Gewinnmaximierung interessiert sind.
  • Doch dieses Experiment erweist sich zunehmend als Fehler, der uns die Zukunft unseres Planeten kosten könnte.

Ein gutes Beispiel dafür ist der globale Aktienmarkt. Angesichts historisch hoher Börsenkurse könnte man meinen, dass die Weltwirtschaft durchweg brummt. Doch ein differenzierter Blick macht deutlich, dass einige Branchen florieren, während andere in der Krise stecken. Die Liste der Gewinner*innen und Verlierer*innen entbehrt nicht einer gewissen Ironie und ist zugleich bezeichnend und erschreckend. Der Sektor mit einer der schlechtesten Performances ist der, den die Welt wohl am meisten braucht: Der Sektor der sauberen, erneuerbaren Energie.

Erneuerbare Energien nicht rentabel genug

Der S&P Global Clean Energy Index bildet die Wertentwicklung der Aktien führender Unternehmen im Bereich erneuerbarer Energien, insbesondere der Solar- und Windenergie, ab. Die Entwicklung und der Betrieb von Solar- und Windparks und der Verkauf des von ihnen erzeugten Stroms wird als erneuerbare oder auch saubere Energie bezeichnet. Seit Anfang 2021 hat der entsprechende Index mehr als die Hälfte seines Wertes verloren. Die Befürworter*innen der Branche haben dies als Anlaufschwierigkeiten abgetan. Doch nun sind fast vier Jahre vergangen. Kann hier noch von einem vorübergehenden Abschwung die Rede sein?

Die Hauptursache für diese schleppende Entwicklung ist die geringe Rentabilität. Saubere Energie ist kein sehr attraktives Geschäft. Die Renditen liegen in der Regel im Bereich von 5 bis 8 Prozent. Zum Vergleich: Bei der Öl- und Gasförderung liegen die Renditen gewöhnlich bei über 15 Prozent.

Privatsektor: Saubere Energie oder hohe Gewinne

Doch womit hängt dieser deutliche Unterschied der Renditen zusammen?  Auch wenn Öl- und Gasunternehmen staatliche Subventionen erhalten, können diese nicht der Grund sein. Denn das gilt auch für ihre Pendants im Bereich der erneuerbaren Energien. Die Konsequenz der miserablen Performance des Sektors sind geringe Investitionen in neue Solar- und Windenergiekapazitäten. 

Das einzige große Land, in dem die Investitionen in saubere Energien in den letzten Jahren schnell gewachsen sind, ist China. Doch auch dort sind sie nicht schnell genug gewachsen, um die Katastrophe abwenden zu können.

Die Schwierigkeiten des grünen Kapitalismus liegen woanders. Die  Regierungen haben – mit Ausnahme von China – die Verantwortung für die „Lösung“ der Klimakrise direkt dem Privatsektor übertragen. Die Rolle der Politik beschränkt sich darauf, Anreize verschiedener Art zu schaffen, wie zum Beispiel langfristige Einkommensgarantien im Falle Großbritanniens und Steuergutschriften in den USA.

Das ist der Kern des historischen politischen Experiments, das die Regierungen durchführen. Die Welt hat im Grunde darauf gesetzt, dass der Privatsektor uns retten wird. Die Privatwirtschaft wird nicht als Teil der Lösung angesehen. Sie ist die vermeintliche Lösung. 

Doch der Privatsektor strebt in erster Linie nach Gewinn. In der Regel bedeuten begrenzte Gewinnmöglichkeiten und -erwartungen deswegen auch begrenzte Investitionen. Im Zusammenhang mit der Stromerzeugung sind begrenzte Investitionen in saubere Energie dafür verantwortlich, dass wir uns weiterhin auf schmutzige Energiequellen, wie Kohle und Gas, verlassen und somit die CO2-Emissionen weiter ansteigen. Genau das erleben wir derzeit.

Verantwortung liegt in der öffentlichen Hand

Natürlich müssten wir uns bei der Bewältigung der Klimakrise nicht so stark auf Profitinteressen und Privatunternehmen verlassen. Privatunternehmen könnten zu Investitionen verpflichtet werden. In Kriegszeiten gab es beispielsweise häufig verpflichtende Produktionsaufträge, bei denen Unternehmen mit rechtlichen Mitteln gezwungen werden, bestimmte Güter prioritär herzustellen. 

Auch im Kampf gegen die Klimakrise könnten solche Maßnahmen in Betracht gezogen werden. Alternativ könnten wir Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie öffentlich finanzieren und betreiben – so wie in China. 

Aber im Westen stehen die Chancen auf größere öffentliche Investitionen in Solar- und Windenergie politisch nicht gut – ganz zu schweigen von den Teilen der Welt, in denen die Regierungen mit weitaus größeren fiskalischen Einschränkungen zu kämpfen haben. Selbst relativ bescheidene Investitionen stoßen in der Regel auf große Bedenken hinsichtlich staatlicher Kreditaufnahme und Ausgaben. Dazu kommt der Widerspruch zwischen der Verpflichtung privater Unternehmen und den Grundsätzen des vorherrschenden neoliberalen Politikansatzes. Die Hoffnung bleibt daher, dass der Privatsektor – durch geeignete staatliche Anreize angeregt – sich letztendlich aufrafft und Fortschritte erzielt.

Falsche Helden im Kampf gegen die Klimakrise

All das weist eine weitere schmerzhafte Ironie auf: Privatwirtschaftliche Investitionen in saubere Energie werden zunehmend von Vermögensverwaltern wie dem US-amerikanischen Unternehmen Blackrock getätigt. Dabei sind es genau diese Investmentfirmen, die für viele das am wenigsten akzeptable Gesicht des Kapitalismus darstellen. Auch wenn es uns missfällt, auf satte Gewinne für BlackRock und Konsorten zu hoffen – wenn es um saubere Energie geht, sollten wir uns besser an diesen Gedanken gewöhnen. Denn in gewisser Weise hängt die Zukunft unseres Planeten davon ab. Wenn wir die Wahl haben zwischen dem Erfolg von BlackRock und einem zügigen Ersatz der fossilen durch erneuerbare Energien einerseits und dem gleichzeitigen Scheitern von BlackRock mitsamt der erneuerbaren Energien andererseits, dann fällt die Wahl nicht schwer.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Gastbeitrag im Finanzwende-Blog. Die jeweiligen Autor*innen geben nicht zwangsläufig Finanzwende Positionen wieder.

Dieser Text ist zuerst auf Englisch bei The Guardian erschienen.

Joachim Wardenga

Brett Christophers

Brett Christophers ist Professor am Institut für Wohnungs- und Stadtforschung an der schwedischen Universität Uppsala und Autor von „The Price is Wrong: Why Capitalism Won’t Save the Planet“.

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