Presse­mitteilung

Neue Studie: Schädlicher Einfluss von Private-Equity-Investoren im Pflegebereich

14.10.2021

Sehr geehrte Damen und Herren,

Zinsen von etwa neun Prozent für Darlehen von Gesellschaftern, der Ausverkauf von Immobilien sowie die Übertragung hoher Schulden, die mitunter dem Zehnfachen des Gewinns entsprechen. All dies droht Pflegeheimketten in Deutschland, wenn Private-Equity-Investoren bei ihnen einsteigen. Dies legt eine neue Studie von Finanzwende Recherche dar, die sich das Agieren solcher Geldgeber im Pflegeheimbereich näher angesehen hat. Ferner zeigt eine repräsentative Umfrage, dass 60 Prozent der Bevölkerung den Aufkauf von Pflegeheimen sogar durch alle private Investoren ablehnen.

Bereits seit einigen Jahren kaufen immer mehr internationale Finanzinvestoren Pflegeheime in ganz Europa auf, mit teils schädlichen Konsequenzen für Patienten, Personal und die Wirtschaftlichkeit der Heime. In einer neuen Studie betrachtet Finanzwende, wie die Profiinvestoren vorgehen, um Gelder aus dem Pflegesystem zu ziehen. In der Falluntersuchung, die Pflegeheimketten in Deutschland, Frankreich und Großbritannien umfasst, wird deutlich, dass Private-Equity-Fonds stets ein ähnliches Instrumentarium anwenden. Die Finanzinvestoren nehmen oft hohe Kredite auf, um große Pflegeheimketten zu kaufen. Im Anschluss werden dann die Schulden auf die Heime selbst übertragen, sodass diese die teils horrenden Schulden inklusive Zinsen abzahlen müssen. Und trotz der hohen Schulden sichern sich Finanzinvestoren oft hohe Profite beim Verkauf der Pflegeheimketten. Die deutsche Pflegekette Alloheim wurde beispielsweise 2013 für 180 Millionen Euro von der US-Private-Equity-Firma Carlyle gekauft und vier Jahre später für 1,1 Milliarden Euro an die schwedische Firma Nordic Capital weiterverkauft- dies entspricht einer Versechsfachung des Einsatzes.

Auf die Schulden an die Private-Equity-Fonds fallen zudem oft hohe Zinssätze an, welche die Schuldenlage vieler Pflegeheime noch mehr erschweren. Alloheims Muttergesellschaft Cidron Atrium zum Beispiel bilanzierte für 2019 für ihre 500 Millionen Euro Gesellschafterschulden Zinszahlungen von etwa 45 Millionen Euro, was einem Zinssatz von etwa 9 Prozent entspricht. Zudem verkauften mehrere Private-Equity-geführte Pflegeheimketten fast alle ihre Immobilien, um Gelder für die Investoren zu sichern. Die Häuser müssen dann oft von den Pflegeheimen zurückgemietet werden. Alle untersuchten Pflegeheimketten unterhalten außerdem Verträge mit Muttergesellschaften in Schattenfinanzzentren wie Luxemburg oder Jersey, was eine Taktik der Steuervermeidung nahelegt.

Eine frühere Studie aus Großbritannien schätzt, dass durch die Herangehensweise von Private-Equity-Investoren mindestens 10 Prozent der Gelder von Patienten und Kassen abfließen und in den Taschen von Finanzinvestoren landen. Die Befürchtung liegt laut Finanzwende nahe, dass in Deutschland und anderen europäischen Ländern ähnliche Summen nicht bei den Pflegebedürftigen ankommen. Dies kritisiert auch der Geschäftsführer der gemeinnützigen Organisation, Gerhard Schick:

“Im Pflegebereich agieren Profiinvestoren, die mit allerlei Tricks arbeiten. So schaffen sie es, teils zweistellige Renditen aus einem staatlich finanzierten Sektor zu ziehen.“

Nach Ansicht von Finanzwende liegen verschiedene Möglichkeiten auf dem Tisch, um das Agieren der Investoren einzuschränken. So sei es eine Option, Private-Equity-Investoren komplett aus einem so wichtigen Bereich der Daseinsvorsorge herauszuhalten. Dies würde wohl eine Mehrheit der Gesellschaft unterstützen. Denn eine von Finanzwende in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage ergab, dass eine Mehrheit der Befragten (60 Prozent) den Aufkauf von Pflegeheimen sogar durch alle privaten Investoren ablehnen. Sollte die Politik nicht so weit gehen wollen, könnte sie gemäß den Vorschlägen von Finanzwende zumindest manche schädlichen Tricks unterbinden und die Investoren mehr in die Haftung nehmen. Dies sei aufgrund der Entwicklung der letzten Jahre durchaus sinnvoll, erklärt Gerhard Schick:

„Die Logik hat sich teils umgekehrt – nicht mehr angemessene Gewinne erzielen durch gute Pflege, sondern große Gewinne erzielen zu Lasten der Pflege.“

Die Studie sowie die Umfrage sind unter dem folgenden Link verlinkt: https://www.finanzwende-recherche.de/unsere-themen/private-equity-investoren-in-der-pflege/ 

Zu Finanzwende Recherche:

Finanzwende Recherche ist eine gemeinnützige Gesellschaft. Sie verwirklicht ihre Ziele wie Aufklärung und Verbraucherschutz, indem sie Informationen sammelt und für die Öffentlichkeit aufbereitet. Die Arbeitsergebnisse fließen beispielsweise in Konzepte, Analysen und Studien.

Für Fragen und Interviews können Sie gerne auf mich zukommen.

Freundliche Grüße

Julian Merzbacher
Finanzwende Recherche
Motzstraße 32, 10777 Berlin
Mob.: 0160 / 9298 1855

presse@finanzwende-recherche.de 

 

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